Bundespräsident Van der Bellen lud Vertreter der Kirchen und Religionen in Österreich
zum Austausch in die Wiener Hofburg - Klares Bekenntnis zum konfessionellen Religionsunterricht - Demokratische
Grundwerte und Rechtsordnung sind Basis für Zusammenleben
Wien (kap) - Das gute Miteinander von Kirchen und Religionen, wie es in Österreich der Fall ist, muss
stets aufs Neue erarbeitet und damit bewahrt werden. Das hat Kardinal Christoph Schönborn in seiner Rede am
3. Oktober beim Empfang von Bundespräsident Alexander Van der Bellen für die Vertreter der Kirchen und
Religionen in Österreich betont. Neben dem Kardinal waren der lutherische Bischof Michael Bünker, der
orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis) und der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich,
Landessuperintendent Thomas Hennefeld, der Einladung in die Hofburg gefolgt. Der Islam war u.a. von Ibrahim Olgun,
Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, vertreten, das Judentum von Rabbiner Schlomo
Hofmeister.
"Wir müssen wachsam bleiben", appellierte Schönborn an die Religionsvertreter, "damit
wir den Weg des Miteinander nicht verlieren". Große Sorge würden ihm weltweite Entwicklungen in
Richtung einer Nationalisierung von Religionen bereiten, so der Kardinal. Er verwies auf den Hindu-Nationalismus
in Indien, radikale Bewegungen in Sri Lanka, die das Land als ein einheitlich buddhistisches sehn wollten oder
auch auf die Verfolgung der muslimischen Minderheit der Rohyngia in Myanmar. Zugleich sei die Religionsfreiheit
auch in vielen islamischen Ländern nicht gegeben.
Schönborn wie auch Bundespräsident Van der Bellen schworen die Vertreter der gesetzlich anerkannten Kirchen
und Religionsgemeinschaften in seiner Rede auf die demokratische Rechtsordnung bzw. die demokratischen Grundwerte
der Gesellschaft ein.
Ja zum Religionsunterricht
Der Kardinal bekräftigte einmal mehr die Position der Kirchen zu einem Ethikunterricht als verpflichtende
Alternative zum Religionsunterricht. Der weltanschaulich neutrale Staat habe nicht die primäre Aufgabe, ein
Ethos zu vermitteln bzw. zu geben. "Wir sind überzeugt, dass Religionen tatsächlich so etwas wie
die genuinen Ethos-Vermittler sind", so Schönborn wörtlich. Aber auch für jene, die nicht religiös
sind, müsse es eine echte und ernste Reflexion über die ethischen Grundfragen geben.
Ausdrücklich hob auch der Bundespräsident das Recht der Kirchen und Religionsgemein- schaften auf Erteilung
des Religionsunterrichts in öffentlichen Schulen hervor. Viele Kirchen und Religionen würden zudem selbst
oder durch Trägerorganisationen Schulen und Kindergärten führen und damit einen wesentlichen Dienst
im Rahmen des Erziehungswesens in Österreich leisten. Dabei sei freilich stets an jene Grundwerte zu erinnern,
die in der Bundesverfassung für die Schulen festgelegt sind: "Demokratie, Humanität, Solidarität,
Friede und Gerechtigkeit, sowie Offenheit und Toleranz gegenüber den Menschen."
Kirchen sollen sich zu Wort melden
Religionen seien so alt wie die Menschheit selbst, in der säkularisierten gegenwärtigen Gesellschaft
werde Religion allerdings von Grund auf hinterfragt, so Bundespräsident Van der Bellen in seinen Ausführungen.
Viele Menschen wüssten mit Transzendenz nichts mehr anzufangen. Die Wissenschaft habe aber ihre Grenzen und
es werde bei allem Fortschritt wohl immer Bereiche der menschlichen Existenz geben, "in denen die Wissenschaft
nicht weiterhilft", räumte der Bundespräsident ein.
Ausdrücklich würdigte Van der Bellen das soziale Wirken der Kirchen und Religionen: "Sie leisten
damit einen wertvollen Beitrag für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft." Auch die Kritik an einem "überbordenden
Kapitalismus" oder die Förderung des Umweltschutzes seien wesentliche Elemente, die die Kirchen zur öffentlichen
Bewusstseinsbildung beitragen würden.
Mit Recht würden die Kirchen und Religionen sich auch bei politisch kontroversiellen Themen zu Wort melden.
Der Bundespräsident nannte wörtlich Themen wie die aktive Sterbehilfe, Abtreibung, Homosexualität
oder Fragen des Familienrechts. Gegenteilige Standpunkte seien aber genauso zu bedenken, denn der weltanschauliche
Pluralismus gehöre zu den Grundlagen des Gemeinwesens. "Und die staatliche Rechtsordnung hat Vorrang
gegenüber Ordnungen der Religionsgesellschaften. Behauptete Verstöße gegen Grundrechte sind im
Rechtsweg auszutragen", hielt Van der Bellen wörtlich fest.
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