Programmpunkte in der ganzen Stadt - Bischof Bünker im Gespräch mit Heinz Fischer
Salzburg/Wien (epdÖ) - An mehren Stationen in der Stadt Salzburg haben die evangelischen Pfarrgemeinden,
Werke und Vereine am 14. Oktober 500 Jahre Reformation gefeiert. Einer der Höhepunkte im Jubiläumsprogramm
war ein Gespräch zwischen dem evangelisch-lutherischen Bischof Michael Bünker und dem früheren Bundespräsidenten
Heinz Fischer.
Die hohe Aufmerksamkeit, die die evangelischen Kirchen im Jahr des Reformationsjubiläums finden, sei zwar
„schmeichelhaft“, dürfe aber nicht darüber hinweg täuschen, „dass wir nicht uns selbst feiern sondern
eine Ereignis von gesamtgesellschaftlicher Relevanz“, meinte der Superintendent der Diözese Salzburg/Tirol,
Olivier Dantine, zu Beginn des Podiumsgesprächs, das unter dem Motto des Jubiläumsjahrs „Freiheit und
Verantwortung“ stand. Das Verhältnis zwischen diesen beiden Polen, so der Superintendent, müsse immer
wieder neu gedeutet und ins Heute übersetzt werden.
Angesichts der Tatsache, dass dem reformatorischen Aufbruch 200 Jahre Krieg folgten, während heute ein Leben
in Vielfalt und Pluralität Kennzeichen und zugleich Herausforderung unserer Zeit sei, hätten Evangelische
einen „besonderen Auftrag, hier sensibel zu sein und die Stimme für jene zu erheben, die an der Seite stehen“,
sagte Bischof Bünker. Das gute Verhältnis zwischen den Kirchen ebenso wie zwischen Kirchen und Politik
sei eine „besondere Gabe und Aufgabe“. Im Blick auf die globalen Herausforderungen wie den Klimawandel - einmal
mehr forderte Bünker hier eine ökologische Reformation - oder die Digitalisierung sprach sich Bünker
für ein „Mehr an kritischer Bildung“ aus, damit Menschen in der Lage seien, sich zu orientieren. Evangelische
Christinnen und Christen, so der Bischof, erfüllten nur dann ihren Auftrag, wenn sie zu einem friedlichen
Zusammenleben und nicht zur Verhetzung und Polarisierung beitragen.
„Viel Respekt“ vor den Leistungen der Evangelischen Kirche brachte der frühere Bundespräsident Heinz
Fischer zum Ausdruck. Entgegen den herrschenden Zukunftsängsten zeigte sich Fischer als Optimist. Dass Menschen
vergangene Zeiten oft positiver als Gegenwart und Zukunft beurteilten, erklärt Fischer psychologisch, weil
Menschen stolz seien „auf das, was sie überlebt haben“. Die Grenze zwischen Gut und Böse gehe durch jeden
Menschen. Freiheit und Verantwortung stehen, so der frühere Bundespräsident, in einem Spannungsverhältnis,
aus dem sich „eine Vielfalt an Lösungsmöglichkeiten“ ergebe. Zur Politikverdrossenheit meinte Fischer,
dass das demokratische System nach 1945 zwar ein „ungeheurer Fortschritt“ im Vergleich zu dem System davor gewesen
sei, sich aber offenbar „nicht rasch genug oder auf falschen Spuren“ weiterentwickelt habe. „Wir beschäftigen
uns mit Problemen, die vielleicht gar nicht so wichtig sind und lassen zentrale Themen beiseite.“ Konkret nannte
Fischer hier etwa die Menschenrechte oder das „unbeholfene Verhalten“ gegenüber Flüchtlingen, „da haben
wir nichts dazugelernt“. Übersehen werde dabei auch die „wirkliche Revolution im Informationssystem“. Die
Art, wie Informationen heute transportiert werden, ist für Fischer ein „Hauptgrund für den Niedergang
politischer Parteien“.
Dennoch zeigt sich der frühere Bundespräsident, der die Feiern der Republik zum Gedenkjahr 2018 vorbereitet,
überzeugt, dass Menschen aus der Geschichte lernen. Europa habe große Qualitäten. „Wenn mann einen
Schuss Optimismus hat und dem Menschen als vernunftbegabtes Wesen vertraut, ist man begeisterter Europäer
und erst recht begeisterter Österreicher“, so Fischer wörtlich. Und Michael Bünker ergänzte:
„Wir sollten uns vor jenen hüten, die das Totenglöcken der europäischen Idee läuten.“
Das Festprogramm begann in Salzburg bereits am Vormittag mit einem Frühschoppen bei der Matthäuskirche,
anschließend stellten sich die gastgebenden Einrichtungen im Diakoniezentrum in der Guggenbichlerstraße
vor. Am Nachmittag führten in der Auferstehungskirche Kinder Tänze aus der Zeit der Reformation zu Musik
auf Originalinstrumenten auf, parallel dazu fanden im Evangelischen Zentrum der Christuskirche Workshops statt,
die sich unter anderem mit feministischer Bibellektüre und Bibelarchäologie befassten. Nach dem Gespräch
zwischen Bischof Bünker und Heinz Fischer bildete eine restlos ausverkaufte Aufführung von Johann Sebastian
Bachs Messe in H-Moll (BWV 232) im Evangelischen Zentrum Salzburg-Christuskirche den Abschluss. Zu hören waren
das „BachWerkVokal Salzburg“ und „Kontra.Punkt – Das Barockorchester“ unter der Leitung von Diözesankantor
Gordon Safari.
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