Keine Mehrheit im Nationalrat für Oppositionsanträge auf Volksbefragung über
Handelsabkommen
Wien (pk) - Der Nationalrat zog am 12. Oktober einen Schlussstrich unter das Volksbegehren "Gegen TTIP/CETA",
die lebhafte Debatte ließ allerdings erkennen, dass das Freihandelsabkommen mit Kanada noch weiter auf der
Agenda der österreichischen Innenpolitik bleiben wird. Die Fraktionen steckten einmal mehr ihre Standpunkte
ab, wobei FPÖ und Grüne die kritische Linie des Volksbegehrens unterstützten und vor allem schwere
Bedenken gegen die Investitionsschutzgerichtsbarkeit und die Klagerechte von Konzernen vorbrachten. Nicht durchsetzen
konnten sich die beiden Oppositionsparteien dabei mit ihrer Forderung nach einer Volksbefragung über CETA.
Die SPÖ sieht wiederum eine Reihe von Verbesserungen als Folge der auf österreichisches Betreiben beigefügten
Klarstellungen, will aber ebenfalls wie die ÖVP und Wirtschaftsminister Harald Mahrer vor einer Weiterleitung
des Abkommens an das Parlament noch entsprechende Klarstellungen auf EU-Ebene, so etwa die nähere Ausgestaltung
der Investitionsgerichtsbarkeit, abwarten. Klar machten die Sozialdemokraten allerdings, dass für sie ein
Inkrafttreten von CETA nicht in Frage kommt, solange das Abkommen Sonderklagerechte für Konzerne enthält.
Ein entsprechender Entschließungsantrag verfehlte bei der Abstimmung knapp die Mehrheit. Ein klares Bekenntnis
zu CETA legten die Volkspartei und die NEOS ab, die insbesondere auf die Bedeutung des Freihandels für Österreich
als exportorientierte Volkswirtschaft hinwiesen und den KritikerInnen "Angstmacherei" und Populismus
vorwarfen.
SPÖ: Inkrafttreten von CETA nur ohne Sonderklagerechte von Konzernen
Peter Wittmann sprach als Vorsitzender des Verfassungsausschusses von einer umfassenden Behandlung des Volksbegehrens
und dankte den InitiatorInnen für deren Engagement. Auf Initiative Österreichs sei es gelungen, noch
vor dem vorläufigen Inkrafttreten eine Reihe von interpretativen Erklärungen in den Vertrag einzufügen.
Klar sei damit nun, dass CETA als gemischtes Abkommen der Ratifikation durch die nationalen Parlamente bedarf.
Auch stehe fest, dass das Vorsorgeprinzip nicht angetastet werden dürfe. Die Erklärung sieht, wie Wittmann
betonte, überdies eine Präzisierung hinsichtlich der vorläufigen Anwendung vor. Diese gelte nur
für jene Teile, die unmittelbar in die Zuständigkeit der EU fallen, nicht aber für die umstrittene
Investitionsgerichtsbarkeit. CETA könne derzeit noch nicht dem Parlament vorgelegt werden, da zunächst
noch Entscheidungen auf EU-Ebene, insbesondere aber die von der Kommission angekündigten Verbesserungen bei
der Investitionsgerichtsbarkeit, abzuwarten seien, unterstrich Wittmann. Sein Fraktionskollege Christoph Matznetter
bestätigte dies und rief in einem Entschließungsantrag der SPÖ die Bundesregierung auf, ein endgültiges
Inkrafttreten von CETA zu verhindern, solange das Abkommen Bestimmungen über Sonderklagerechte für Konzerne
enthält. Außerdem solle die Regierung, geht es nach der SPÖ, sicherstellen, dass Handelsabkommen
effektive Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping sowie zur Verteidigung der hohen österreichischen
Standards enthalten. Der Bereich der öffentlichen Dienstleistungen sei, so die Forderung Matznetters, jedenfalls
umfassend von zukünftigen Handelsabkommen auszunehmen. Dieser Entschließungsantrag blieb bei der Abstimmung
allerdings in der Minderheit.
ÖVP: CETA eröffnet große Chancen für Österreichs exportorientierte Wirtschaft
Österreich als Exportland braucht Handelsabkommen wie CETA, steht für Peter Haubner fest. Man sollte
diese strategische Chance nützen und der heimischen Wirtschaft keine Steine in den Weg legen, mahnte der Wirtschaftssprecher
der Volkspartei und plädierte für eine Ratifikation des Vertrags mit Kanada durch das österreichische
Parlament. Freihandel sei unerlässlich für eine exportorientierte Wirtschaft, pflichtete ihm Michaela
Steinacker bei. Zahlen, Daten und Fakten sprechen für CETA und machten deutlich, dass das Abkommen für
alle Vertragspartner eine Win-Win-Situation darstelle. Steinacker appellierte in diesem Sinn an die Politik, der
Wirtschaft ihre Chancen zu öffnen. Auch Johann Schmuckenschlager sah viele Vorteile für Österreich
durch das Freihandelsabkommen mit Kanada, wobei er vor allem die Interessen der Landwirtschaft ins Blickfeld rückte.
CETA sichere Nachhaltigkeit und biete zudem auch die Möglichkeit einer entsprechenden Kennzeichnung der österreichischen
landwirtschaftlichen Produkte. Dieser positiven Einschätzung schloss sich Hermann Schultes an, der in seiner
letzten Rede vor dem Hohen Haus die Abgeordneten zu mehr Mut und Zuversicht aufrief. Mit CETA zeige Europa gerade
in schwierigen Zeiten von Brexit und Mercosur Handlungsfähigkeit, der Vertrag sei vorbildlich für andere
Abkommen.
FPÖ: CETA schränkt demokratisches Selbstbestimmungsrecht ein
Harald Stefan rechnet bloß mit minimalen wirtschaftlichen Effekten als Folge von CETA, warnte hingegen, im
Zuge der Investitionsschutzverfahren würden die Staaten gegenüber großen Konzernen unter Druck
geraten. Dies könnte zu einer Art von vorauseilendem Gehorsam etwa bei der Gesetzgebung im Umweltschutz führen.
Axel Kassegger dankte den InitiatorInnen des Volksbegehrens und meinte, ohne den Druck aus der Zivilgesellschaft
wären viele Dinge im Vertrag nicht geändert worden. Nach wie vor problematisch sind für den FPÖ-Wirtschaftssprecher
aber die Konzernklagerechte, wobei Kassegger von einer Disparität zulasten der Staaten sprach. Insgesamt schränke
CETA das demokratische Selbstbestimmungsrecht ein, lautete sein Hauptkritikpunkt. Er befürchtet zudem, dass
einmal getätigte Privatisierungen nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Ein von Stefan
und Kassegger eingebrachter Antrag auf Abhaltung einer Volksbefragung über CETA blieb bei der Abstimmung in
der Minderheit.
Grüne: CETA ist ein Trojanisches Pferd
Es gelte, dem Abkommen die Giftzähne zu ziehen, forderte Werner Kogler und brachte ebenfalls schwere Bedenken
gegen die Klagerechte
von Konzernen vor. Fest steht für den grünen Mandatar auch, dass das Vorsorgeprinzip durch CETA durchbrochen
wird. Der Regierung warf Kogler vor, durch ihre Weigerung, das Abkommen den Abgeordneten vorzulegen, das Parlament
an der Nase herumzuführen. CETA sei ein trojanisches Pferd, in dessen Bauch Lobbyisten sitzen, stellte Grünen-Landwirtschaftssprecher
Wolfgang Pirklhuber fest. Durch die Deregulierungspolitik würden demokratische Rechte ausgehöhlt, beklagte
er und appellierte angesichts seines bevorstehenden Ausscheidens aus dem Parlament an die Abgeordneten, sich die
Politik nicht kleinreden zu lassen. Gemeinsam mit Kogler brachte er einen Antrag auf Volksbefragung zu CETA ein,
der ebenfalls wie die Initiative der FPÖ abgelehnt wurde.
NEOS gegen Angstmache
CETA sei ein gutes Abkommen und bringe viele Vorteile für Österreich, befand Claudia Gamon, die die Grünen
des Populismus und der Angstmache bezichtigte. Angesichts der vielfach geäußerten Einwände gegen
das Abkommen stellte sie fest, Österreich sei in Europa ein "gallisches Dorf der Unvernunft". Auch
ihr Fraktionskollege Josef Schellhorn wandte sich gegen Angstszenarien und Warnungen vor den "bösen Konzernen"
und rief zu mehr Mut und Zuversicht auf. CETA sollte als das gesehen werden, was es ist: eine große Chance
für Österreichs exportorientierte Wirtschaft.
Mahrer: Klarstellungen bei Investitionsgerichtsbarkeit noch offen
Auch Wirtschaftsminister Harald Mahrer bedankte sich bei den InitiatorInnen des Volksbegehrens und betonte, ohne
eine breit getragene Bürgerbewegung wäre es nicht gelungen, zahlreiche qualitative Fortschritte zu bewirken.
So gebe es jetzt unabhängige Investitionsgerichte, wobei an eine Weiterentwicklung in Richtung eines multilateralen
Investitionsgerichts gedacht wird. Mahrer zeigte sich zuversichtlich, dass sich das österreichische Parlament
auch in Zukunft in Fragen des Gemeinwohls nicht beeinflussen lassen wird, und sah keinen Grund für entsprechende
Befürchtungen von FPÖ und Grünen. Vor der endgültigen Ratifikation sollten seiner Meinung nach
noch die angekündigten Präzisierungen bei der Investitionsgerichtsbarkeit abgewartet werden. Ausständig
sei darüber hinaus auch noch eine Klärung der Auswirkungen des Pariser Klimavertrags auf CETA.
Fraktionslose Abgeordnete gegen CETA
Eine klare Ablehnung von CETA kam von den fraktionslosen Abgeordneten. Daniela Holzinger-Vogtenhuber sprach ebenso
wie Peter Pilz von einer schrittweisen Aushöhlung der Demokratie, konnte sich aber mit ihrem Antrag auf ehestmögliche
Vorlage des Abkommens zur parlamentarischen Entscheidung nicht durchsetzen. CETA öffne Tür und Tor für
Großkonzerne und Lobbyisten, steht für Ruper Doppler fest, während Leopold Steinbichler massive
Vorbehalte hinsichtlich von Einbußen bei der Qualität und Kennzeichnung der Lebensmittel im Gefolge
von Freihandelsabkommen wie CETA anmeldete. Barbara Rosenkranz, Marcus Franz und Christoph Hagen schlugen in dieselbe
kritische Kerbe und forderten eine Volksabstimmung über CETA. Ein entsprechender Antrag blieb allerdings in
der Minderheit.
|