Verfassungsausschuss hat Beratungen über
 Volksbegehren gegen CETA abgeschlossen

 

erstellt am
10. 10. 17
13:00 MEZ

Keine Mehrheit für Antrag der Grünen auf Abhaltung einer Volksbefragung
Brüssel/Wien (pk) - Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat seine Beratungen über das Volksbegehren gegen CETA und TTIP abgeschlossen. Diskutiert wurde am 9. Oktober nochmals über die Themenbereiche Nachhaltigkeit, öffentliche Dienstleistungen und Investitionsschutz, konkrete Beschlüsse haben die Abgeordneten allerdings nicht gefasst. Nun wird sich der Nationalrat am Donnerstag mit dem abschließenden Bericht des Verfassungsausschusses befassen.

Wann die Abgeordneten über CETA selbst abstimmen werden, ist noch offen. Die Regierung will das EU-Abkommen mit Kanada dem Nationalrat erst dann zur Ratifikation vorlegen, wenn alle Fragen geklärt sind. Das hat Wirtschaftsminister Harald Mahrer heute bestätigt. Er sieht wie Bundeskanzler Christian Kern noch einige Punkte ungelöst, etwa was den geplanten Investitionsgerichtshof betrifft. Die Grünen wollen den "gordischen Knoten" mit einer Volksbefragung lösen, ein entsprechender Antrag von Werner Kogler wurde allerdings nur von den Freiheitlichen mit unterstützt und blieb damit in der Minderheit.

Insgesamt hat der Verfassungsausschuss vier Expertenhearings zum Volksbegehren abgehalten. Weitere geplante Anhörungen fielen den Neuwahlen zum Opfer. Der Traisener Bürgermeister Herbert Thumpser, einer der InitiatorInnen des Volksbegehrens, zeigte sich dennoch grundsätzlich zufrieden. Es sei ein großer Fortschritt, dass das österreichische Parlament intensiv über CETA diskutiert habe, nachdem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angesichts des breiten Widerstands gegen CETA letztes Jahr noch gemeint hatte, "der österreichische Klamauk" solle aufhören, sagte er. Thumpser appellierte an die Abgeordneten, bei ihren künftigen Entscheidungen die 562.000 UnterzeichnerInnen des Volksbegehrens zu berücksichtigen.

Das Volksbegehren ( 1608 d.B.), das sich nicht nur gegen TTIP und CETA, sondern auch gegen das Dienstleistungsabkommen TiSA richtet, wurde von 562.379 Personen bzw. 8,87% der stimmberechtigten ÖsterreicherInnen unterzeichnet. Sie haben die Sorge, dass durch diese und ähnliche Abkommen die Macht internationaler Konzerne gegenüber der Politik weiter gestärkt wird, zum Nachteil der BürgerInnen. Als besonders problematisch werden dabei Sonderklagsrechte von Unternehmen gegen Staaten vor internationalen Schiedsgerichten gesehen. Auch eine Absenkung von Sozial- und Umweltstandards sowie eine Aushöhlung des Vorsorgeprinzips wird von den UnterzeichnerInnen befürchtet. CETA ist in weiten Teilen bereits vorläufig in Kraft getreten, das gesamte Abkommen wird allerdings erst bei einer Ratifizierung durch alle 28 EU-Staaten wirksam.

Abgeordnete sehen noch viele Fragen offen
Das Volksbegehren habe dem Parlament die Gelegenheit gegeben, sich intensiv mit Handelsverträgen und Investitionsschutz auseinanderzusetzen, hob Kai Jan Krainer (S) in der abschließenden Debatte hervor. Für ihn sind trotz der eingehenden Diskussion aber eine Reihe von Fragen offen geblieben, vor allem was die Schiedsgerichte betrifft. Er sieht daher seitens der SPÖ im Moment keine Möglichkeit, die Ratifikation von CETA positiv abzuschließen.

Auch Harald Stefan (F) und Werner Kogler (G) sind weiter skeptisch. Nicht alles an CETA sei schlecht, hielt Kogler fest, im Abkommen seien aber – auch über die Schiedsgerichte hinaus – noch etliche Giftzähne drinnen. Stefan ortet nach wie vor einige Unklarkeiten und offene Fragen. Ausdrücklich bedankten sich Stefan und Kogler bei jenen, die sich gegen CETA und TTIP engagiert haben: Ohne öffentlichen Druck wäre es nicht zu Nachverhandlungen bei CETA und zu einer intensiven parlamentarischen Diskussion gekommen, ist Stefan überzeugt.

Empört zeigte sich Kogler darüber, dass die Regierung dem Parlament CETA bis auf weiteres nicht zur Ratifikation vorlegen will. Dadurch würde der Nationalrat daran gehindert, im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung gegen das Abkommen zu stimmen. Eine Entscheidung noch in dieser Legislaturperiode wäre möglich gewesen, betonte Kogler, dabei hätte es eine "satte und glatte Mehrheit" gegen CETA gegeben. Um den "gordischen Knoten" zu lösen, schlug Kogler eine Volksbefragung vor, ein entsprechender Antrag fand jedoch nur die Unterstützung der Grünen und der FPÖ und blieb damit in der Minderheit.

Handel und Investitionen bräuchten gemeinsame Spielregeln, betonte ÖVP-Abgeordneter Hermann Schultes. Mit CETA habe man die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den europäischen Ländern und Kanada in solche Regeln gegossen. Den KritikerInnen des Abkommens hielt Schultes entgegen, würde auch beim Brexit-Vertrag über "den sechsten Beistrich von hinten" so intensiv diskutiert wie bei CETA, werde ein solcher nie ratifiziert werden.

Eine Allianz von Recht- und Linkspopulisten ortet Nikolaus Scherak (N) in Sachen CETA. Er wisse nicht, was die Grünen mit einer Volksbefragung bezwecken wollen, meinte er. Schließlich sei selbst vielen Abgeordneten nach den intensiven Beratungen im Verfassungsausschuss noch nicht klar, was genau in CETA drinnen steht. Es wäre ihm lieber gewesen, das Parlament hätte die Debatte weitergeführt.

Vor der abschließenden Generaldebatte hatten sich die Abgeordneten mit den Aspekten Nachhaltigkeit, öffentliche Dienstleistungen und Investitionsschutz beschäftigt. In einem Expertenhearing kamen dabei Stefan Imhof (Bundeskanzleramt), Ursula Kriebaum (Universität Wien), Alexandra Strickner (Attac) und August Reinisch (Universität Wien) zu Wort, wobei das Abkommen unterschiedlich bewertet wurde.

Imhof: Neugestaltung der Schiedsgerichtsbarkeit als Folge der Kritik an Investitionsschutzklauseln
Wie Stefan Imhof unterstrich, besteht Konsens darüber, dass Europa die Globalisierung mitgestalten müsse, wobei der Union als größtem Binnenmarkt der Welt große Verhandlungsmacht zukomme. CETA werde vor allem auch als Vorbild für weitere Handelsabkommen gesehen. Die Kritik an den Investitionsschutzklauseln habe zu einer Neugestaltung des Streitbeilegungsmechanismus und zur Einigung auf eine rechtsverbindliche interpretative Erklärung geführt. Darin werde festgehalten, dass ausländische Investoren nicht besser gestellt werden dürfen als inländische. Bei der Nachhaltigkeit wiederum spreche sich die Europäische Union nunmehr für einen Sanktionsmechanismus aus.

Kriebaum: Neue Investitionsgerichtsbarkeit mit hoher Transparenz
Einen Streitbelegungsmechanismus brauche man, weil man sich in Kanada vor innerstaatlichen Gerichten und Behörden nicht auf völkerrechtliche Verträge berufen könne, erklärte Ursula Kriebaum. Zudem habe Kanada mit etlichen europäischen Ländern bilaterale Investitionsschutzabkommen abgeschlossen und würde Abstriche beim Rechtsschutz wohl nicht akzeptieren. Die Transparenz des geplanten neuen Investitionsgerichtshofs übersteige jedenfalls das bei Verfahren in den Nationalstaaten übliche Ausmaß. Die Befürchtung, CETA könnte als Plattform für Klagen aus den USA genutzt werden, hielt Kriebaum nicht für angebracht, zumal die Klagslegitimation eine substanzielle wirtschaftliche Tätigkeit in Kanada voraussetze. In Sachen Nachhaltigkeit nehme CETA ausdrücklich Bezug auf Gesundheits-, Umwelt- und Sozialstandards, bekräftigte sie.

Strickner: CETA nützt nur den großen Konzernen
Nach Meinung von Alexandra Strickner geht es bei CETA nicht primär um Handel. Der Kern des Abkommens sei vielmehr die Deregulierung und die Öffnung der Märkte sowie die Schaffung von Sonderrechten für ausländische Investoren und Konzerne. Sie beanstandete, dass es dabei keine Durchsetzungsrechte in den Bereichen Arbeitnehmerrechte und Umweltschutz gibt. Strickner befürchtet auch, dass die Sonderklagsrechte de facto sehr tief in die innerstaatliche Regulierungskompetenz eingreifen werden. Schwere Bedenken brachte sie überdies gegen die Bestimmungen hinsichtlich der öffentlichen Dienstleistungen vor, wo sie vor Liberalisierungen warnte, die ihrer Meinung nach nur schwer wieder rückgängig gemacht werden könnten.

Reinisch: Investitionsgerichtshof bietet mehr Transparenz als nationale Systeme
August Reinisch stellte klar, dass CETA keine Schiedsgerichte beinhalte, sondern vielmehr einen internationalen Investitionsgerichtshof vorsieht. Dessen Gerichtsbarkeit sei wesentlich transparenter als innerstaatliche Systeme. So müssten sämtliche Verfahrensschritte offengelegt werden. Ein Spill-over-Effekt auf die Gerichtsbarkeit in den Nationalstaaten wäre hier wünschenswert. Was die Anrufung der Schiedsgerichte grundsätzlich betrifft, zeige die Erfahrung, dass nicht primär Großkonzerne klagen, sondern eher kleine Unternehmen oder sogar Einzelpersonen. Konzerne würden eher den direkten Kontakt zu den Staaten suchen.

Mahrer will mit Weiterleitung von CETA an das Parlament noch zuwarten
Wirtschaftsminister Harald Mahrer betonte mit Nachdruck, CETA gehe bei der Nachhaltigkeit von extrem hohen Standards aus. Das Vorsorgeprinzip sei EU-Primärrecht und gelte daher auch für den Handelsvertrag mit Kanada. Überdies werde in CETA explizit festgelegt, dass es Sache der Vertragsstaaten ist, selbst zu entscheiden, ob sie Dienstleistungen privatisieren wollen. Sie müssen dies jedenfalls nicht tun, unterstrich Mahrer und folgerte daraus, die Leistungen der Daseinsvorsorge seien ausreichend gesichert. Wichtig ist für den Minister auch, dass im Arbeitsrecht alle acht Kernnormen der ILO nun auch von Kanada ratifiziert wurden.

Zur weiteren Vorgangsweise kündigte Mahrer an, vor einer Weiterleitung von CETA an den Nationalrat werde man noch eine Reihe von Gutachten und Entscheidungen auf EU-Ebene abwarten. Offen sei etwa noch der Umweltteil im Lichte des Pariser Klimavertrags, wo es allerdings bereits im Auslegungsinstrumentarium einen entsprechenden Verweis gebe.

Thumpser: Daseinsvorsorge muss Allgemeingut bleiben
Herbert Thumpser stellte als Bevollmächtigter des Volksbegehrens abschließend klar, er sei weder für Protektionismus noch für uneingeschränkten Freihandel. Umwelt- und Sozialstandards sowie demokratische Handlungsspielräume für die nationalen Parlamente müssten bewahrt bleiben. Diese Voraussetzungen erfülle CETA nicht, zumal der Handelsvertrag große Konzerne zulasten von ArbeitnehmerInnen, landwirtschaftlichen ProduzentInnen und KMU bevorzuge. Schwere Bedenken brachte Thumpser überdies hinsichtlich der öffentlichen Dienstleistungen vor. Die bisherigen Liberalisierungs- und Privatisierungstendenzen auf diesem Gebiet hätten sich negativ auf die Interessen der Bevölkerung ausgewirkt. Es gehe nicht an, dass die Daseinsvorsorge, die ja Allgemeingut sein sollte, als Geschäftsfeld für den Wettbewerb geöffnet und Gegenstand von Gewinninteressen werde. Konkret warnte Thumpser in diesem Zusammenhang vor einer Privatisierung der Wasserversorgung. Auf Ablehnung des Bevollmächtigten stößt zudem auch jegliche Sondergerichtsbarkeit für Investoren, wobei er argumentierte, diese würde nur den Großkonzernen nützen.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
https://www.parlament.gv.at

 

 

 

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