Möglicher therapeutischer Ansatz
 für Multiple Sklerose entdeckt

 

erstellt am
17. 10. 17
13:00 MEZ

Peking/Berlin/Zürich/Wien (meduni wien) - Rund 2,5 Millionen Menschen sind von der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose (MS), der häufigsten Erkrankung des zentralen Nervensystems bei jungen Erwachsenen, betroffen. In Österreich leben rund 12.500 MS-Betroffene. Es gibt 400 Neuerkrankungen pro Jahr. Heilbar ist MS derzeit noch nicht, mit einer optimalen Therapie lässt sich aber der typische Verlauf der Erkrankung verzögern. Jetzt haben ForscherInnen der MedUni Wien unter der Leitung von Wilfried Ellmeier vom Institut für Immunologie der MedUni Wien in Kooperation mit nationalen und internationalen Gruppen in Japan, Deutschland und der Schweiz im Tiermodell entdeckt, dass die Familie der Histon-Deazetylasen (HDACs) bei der Entwicklung dieser Art von Autoimmunerkrankungen eine große Rolle spielt. Das könnte in der Zukunft und nach nötigen Folgestudien zu einem neuen therapeutischen Ansatz für Multiple Sklerose führen.

Der Hintergrund: Das menschliche Immunsystem basiert auf einem regen Informationsaustausch der Zellen untereinander, in dem auf fremde Keime oder krankhaft veränderte Zellen koordiniert reagiert wird. Dazu müssen die in den Zellen enthaltenen Informationen der DNA ausgelesen werden, und das wird oft über sogenannte „epigenetische“ Prozesse (d.h. über den „Verpackungsgrad“ der DNA) reguliert. Hier haben spezielle Enzyme eine maßgebliche Funktion, die Familie der sogenannten Histon-Deazetylasen (HDACs). Insgesamt gibt es 18 verschiedene HDACs. Sie bestimmen den „Verpackungsgrad“, also wie effizient die Information gelesen werden kann.

Wird der „Verpackungsgrad“ aufgelockert, kann die DNA leichter ausgelesen werden wodurch die Expression einer Vielzahl von Proteinen (Eiweißmolekülen) gesteuert wird. Zusätzlich können HDACs auch die Aktivität und Funktion von Proteinen regulieren. Dies führt in der Folge zu einer Erhöhung der Zellaktivität und Anregung der Kommunikation zwischen den Immunzellen. Im Immunsystem macht sich eine erhöhte Zellaktivität während einer Immunantwort vor allem durch ein verstärktes Auftreten von speziellen Immunabwehrzellen, den T-Zellen (T-Lymphozyten) bemerkbar. Das Ausmaß einer Immunreaktion wird dabei durch die HDAC-Familie reguliert.

Jetzt konnten die ForscherInnen der MedUni Wien – beteiligt waren neben der Abteilung für Immunbiologie vom Institut für Immunologie (Wilfried Ellmeier) auch die Universitätsklinik für Innere Medizin III (Rheumatologie/Erstautorin Lisa Göschl, und Michael Bonelli und Günter Steiner), das Zentrum für Anatomie und Zellbiologie (Gruppe Christian Seiser) und das CeMM (Gruppe Christoph Bock) – in einer vom FWF und der EU geförderten Studie feststellen, dass sich bei Mäusen, bei denen HDAC1 in den T-Zellen durch einen „molekularen Trick“ ausgeschaltet wurde, die Experimentelle autoimmune Enzephalomyelitis (EAE) nicht ausbildet, auch wenn die Erkrankung künstlich hervorgerufen wurde. EAE ist eine Autoimmunerkrankung, die im Tiermodell analog zu MS betrachtet werden kann – auch wenn es gewisse Unterschiede gibt. Die Ergebnisse der Studie wurden nun im „Journal of Autoimmunity“ veröffentlicht. „Allerdings ist uns noch nicht bekannt, welcher genaue Mechanismus dahinter steckt, der diesen schützenden Effekt bewirkt.“, erklärt Wilfried Ellmeier, „die molekularen Details wollen wir nun in Folgestudien herausfinden.“

Gewisse Breitbandinhibitoren der HDAC Moleküle werden auch bereits bei der Behandlung von Patienten und Patientinnen bei bestimmten Tumor-Arten eingesetzt. Dabei wird der Tumor direkt bekämpft – es kommt in den meisten Fällen zu einer Tumorschrumpfung. Viele präklinische Studien im Tiermodell weisen darauf hin, dass HDAC-Inhibitoren auch bei Immunsystem-bedingten Erkrankungen, wie eben Autoimmunerkrankungen, wirksam sein könnten, aber den möglichen therapeutischen Effekten von Breitbandinhibitoren stehen zum Teil erhebliche Nebenwirkungen gegenüber. „Unsere Studie zeigt auf, dass die Entwicklung und Verwendung von HDAC1-spezifischen Inhibitoren, mit potenziell weniger Nebenwirkungen als Breitbandinhibitoren, ein möglicher therapeutischer Ansatz gegen MS sein könnte“, meint die Erstautorin Lisa Göschl, die diese Studie im Rahmen ihrer Doktorarbeit am Institut für Immunologie und an der Klinischen Abteilung für Rheumatologie der MedUni Wien durchgeführt hat. „Es sind aber noch einige weiterführende Studien notwendig, um das herauszufinden“ ergänzt Ellmeier.

Service: Journal of Autoimmunity
„A T-cell specific deletion of HDAC1 protects against experimental autoimmune encephalomyelitis.“ L. Göschl, T. Pregelj, P. Hamminger, M. Bonelli, L. Andersen, N. Boucheron, A. Gülich, L. Müller, V. Saferding, I. Mufazalov, K. Hirahara, C. Seiser, P. Mathias, T. Penz, M. Schuster, C. Bock, A. Waisman, G. Steiner and W. Ellmeier. https://doi.org/10.1016/j.jaut.2017.09.008.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.meduniwien.ac.at

 

 

 

 

 

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