ForscherInnen aus Graz und Berlin entwickeln eine Methode, um krankheitsrelevante genetische
Variationen zu bestimmen
Berlin/Graz (universität) - Wenn ein Tumor entsteht, verändert sich die DNA-Sequenz – auch Genom
genannt – der betroffenen Zellen. Im Vergleich zu ihren gesunden Pendants weisen diese Gene bis zu 10 000 kleine
Sequenzveränderungen auf, die krebsbefördernd sein können. Bis jetzt war es nicht möglich,
exakt zu bestimmen, welche Variationen die entscheidenden Akteure für Krankheitsprozesse in der Zelle sind.
ForscherInnen der Karl-Franzens-Universität Graz und des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik
in Berlin haben nun eine Methode entwickelt, um die Funktion der sehr vielen kleinen Unterschiede innerhalb von
Zellen zu untersuchen – und zwar in großem Umfang. Dabei ist es ihnen gelungen, den Effekt von genetischen
Variationen, die eine wesentliche Rolle spielen, zu identifizieren. Die Ergebnisse des fünfjährigen Forschungsprojekts
wurden im Journal „Nature Methods“ veröffentlicht.
Die Unterschiede, die das molekulare Teamwork in der Zelle stören
Unterschiede auf genetischer Ebene zwischen jeder/m von uns gibt es viele. Der bekannteste ist wohl, dass Frauen
ein XX- und Männer ein XY-Chromosomenpaar aufweisen. „Tatsächlich weisen Individuen aber unglaublich
viele kleine genetische Variationen auf“, erklärt Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Ulrich Stelzl vom Institut für
Pharmazeutische Wissenschaften der Uni Graz. „Langfristiges Ziel ist, herauszufinden, welche konkreten Effekte
die Unterschiede im Genom haben und welche Variationen nicht entscheidend sind. So wollen wir beispielsweise genau
jene ‚Player‘ identifizieren, die zur Entstehung von Krankheiten beitragen können“, schildert Stelzl. Die
ForscherInnen machen sich dabei eine grundlegende Eigenschaft aller Gene zunutze: Diese müssen im Team arbeiten
– und zwar in Protein-Netzwerken. „Wir haben eine Methode entwickelt, mit der wir in großem Stil messen können,
welche Variationen die Protein-Interaktionen verändern. So lassen sich Rückschlüsse auf die Urheber
in Krankheitsprozessen in der Zelle ziehen“, erklärt der Studienerstautor Jonathan Woodsmith, PhD. Das Besondere
an dieser Methode ist vor allem die hohe Auflösung der Messung, die sich auf Aminosäurelevel bewegt und
genau den vielen kleinen Unterschieden im Genom entspricht.
Ein Schritt in Richtung personalisierte Medizin
Die genauen Ursachen von Erbkrankheiten oder Krebs lassen sich mit diesem Fortschritt in der Forschung nicht identifizieren.
Jedoch könnte es diese neue Methode ermöglichen, unter den vielen veränderten Genen jene zu finden,
die sich besonders gut für die Entwicklung zielgerichteter Therapien eignen. „Wenn die Urheber unter den genetischen
Veränderungen gefunden werden, die von PatientIn zu PatientIn unterschiedlich sein können, lassen sich
auch Strategien entwerfen, um diese unschädlich zu machen. Ein Beispiel wäre die Konzeption neuer Medikamente,
die für PatientInnen, je nach genetischer Variation, maßgeschneidert an der richtigen Stelle ihre Wirkung
entfalten“, so Stelzl. Die Projektarbeiten hatten vor fünf Jahren am Max-Planck-Institut für molekulare
Genetik in Berlin ihren Anfang genommen und wurden nach Umzug der Forschergruppe an die Karl-Franzens-Universität
in Graz weitergeführt und nun fertig gestellt.
Publikation:
Protein interaction perturbation profiling at amino-acid resolution. Jonathan
Woodsmith, Luise Apelt, Victoria Casao-Medrano, Ziya Özkan, Bernd Timmermann & Ulrich Stelzl. Nature Methods.
DOI: 10.1038/nmeth.4464. http://go.nature.com/2yo8xpU
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