Wien (rk) - Das Jüdische Museum Wien, ein Museum der Wien Holding, zeigt ab 18. Oktober 2017 im Museum
Judenplatz die neue Ausstellung „Helena Rubinstein. Die Schönheitserfinderin“, die sich der Pionierin des
weiblichen Unternehmertums widmet. Die Ausstellung zeichnet den Weg Rubinsteins als Migrantin, die Kontinente überwindet
und Konventionen aufbricht, nach und rückt ihr Engagement für die Selbstbestimmung von Frauen in den
Mittelpunkt. Ein Fokus auf Wien zeigt, wie gekonnt sie ihr künstlerisches Netzwerk und wirtschaftliches Können
vor Ort einsetzte.
Von der Migrantin zur Unternehmerin
Krakau – Wien – Melbourne – London – Paris – New York – Tel Aviv sind die wesentlichen Stationen im Leben Helena
Rubinsteins (1870 – 1965). Schon mit sechzehn Jahren kehrte sie den engen, kleinbürgerlichen Verhältnissen
ihrer orthodox-jüdischen Familie in Krakau den Rücken, zunächst Richtung Wien, dann nach Australien.
Dort begründete sie ohne jegliche Hilfe ein Weltimperium, das den Weg für viele andere, ebenfalls zum
Großteil jüdische UnternehmerInnen auf dem neuen Gebiet der Kosmetik, ebnete. Ihr Unternehmen umfasste
bald 100 Niederlassungen in 14 Ländern mit etwa 30.000 Beschäftigten, nebenbei wurde sie zu einer wichtigen
Förderin der Künste und Wissenschaften. Dass ihr das alles mehr oder weniger allein gelungen war, scheint
sie selbst in einer Rückschau auf ihr Leben fast erstaunt zu haben.
Pionierin der Kosmetik
Leidenschaft, Zähigkeit, Hartnäckigkeit, Verantwortung tragen, leiten, befehlen, gepaart mit einem
„angeborenen“ außergewöhnlichen Geschmack und ein außerordentliches Talent, den Zeitgeist zu erfassen:
Das sind die wesentlichen Merkmale, die Helena Rubinstein zur ersten Selfmade-Frau der Geschichte machten.
Zu einer Zeit, als Schönheitspflege kein Thema war und Schminke als lästerlich und verpönt galt,
setzte sie sich mit ihrer Idee durch, dass jede Frau ihre individuelle Schönheit entdecken könnte und
daraus das Beste machen sollte. Rubinstein war von der Idee beseelt, ja geradezu besessen, dass Frauen dadurch
Selbstbewusstsein erhalten würden. Eine Disposition, die ihr selbst, wie wenigen ihrer Zeitgenossinnen, eigen
war. Damit setzte sie sich ganz nebenbei auch noch in der von Männern dominierten (Geschäfts-)Welt durch
und schaffte einen komplett innovativen Markt, der sich international dauerhaft etablierte und bis heute besteht.
„Die Schönheit ist dein besonderes Gebiet, deine eigentliche Heimat, Helena. Ein Gebiet, das noch brach liegt.
Lerne es bauen.“ Ein Leitspruch, den sie sich selbst immer wieder vorgesagt hat.
Eigenwillig und unkonventionell schuf sie sich ihr eigenes Image. Sie gab ein Vermögen für Kunstwerke,
für Immobilien und deren Einrichtung aus. Für die Architektur und Gestaltung ihrer Schönheitssalons,
Institute, aber auch ihrer Häuser und Wohnungen engagierte sie die interessantesten und innovativsten Architekten
ihrer Zeit. Urbane Modernität war Helena Rubinsteins Devise, verbunden mit einem überbordenden Hang zur
Üppigkeit.
Pionierarbeit leistete sie auch beim Design, bei der Verpackung ihrer Kosmetikprodukte und in der Werbung. Von
Anbeginn ihrer Tätigkeit erkannte sie die Wichtigkeit dieses Metiers und engagierte auch hier die interessantesten
kreativen Köpfe.
Wasserfeste Wimperntusche made in Vienna
Die Expansion der Helena Rubinsteins Schönheitssalons machte auch vor Wien nicht halt. 1932 eröffnete
sie dann einen eigenen Salon am Kohlmarkt 8. Wenige Jahre nach der Eröffnung spielte Wien bereits eine wichtige
Rolle für Rubinsteins Unternehmen: Den Wettlauf um die Entwicklung einer wasserfesten Wimperntusche, die bei
Regen oder Hitze nicht zerlief, gewann, zunächst unbemerkt, die Wienerin Helene Winterstein-Kambersky. Die
nach einer Bleivergiftung an den Rollstuhl gefesselte Sängerin ließ sich die in vielen Versuchen entwickelte
wasserfeste Mascara 1935 patentieren. Mit dem Vorbehalt, die Rezeptur mit ihrer eigenen Firma „La Bella Nussy“
auch selbst zu vermarkten, verkaufte sie die Lizenz an Rubinstein. Als Weltneuheit wurde die „Waterproof Mascara“
auf der New Yorker Weltausstellung 1939 medienwirksam mit einem Wasserballett vorgestellt. Mascara aus Aluminiumtuben
trug man damals mit Hilfe von Papierstäbchen auf. 1958 brachte Rubinstein unter dem Namen „Mascara-Matic“
die bis heute übliche Mascara im Röhrchen mit Bürste auf den Markt.
1939, ein Jahr nach dem sogenannten „Anschluss“, wurde der Wiener Salon Rubinstein geschlossen. Antisemitismus
bekam Helena Rubinstein auch in den USA zu spüren, unter anderem als sie in New York eine Wohnung mieten wollte,
die man ihr verweigerte, weil sie Jüdin war. Doch nicht mit ihr. Helena Rubinstein kaufte daraufhin das ganze
Haus an der Park Avenue. In Städten, die tendenziell als WASP-Hochburgen galten (WASP: White Anglo-Saxon Protestant
– protestantische weiße Mittel- und Oberschicht), überließ Helena Rubinstein das Terrain ihrer
langjährigen Konkurrentin Elizabeth Arden. Die Rivalität der beiden Kosmetikgigantinnen dient bis heute
als Stoff für die Literatur bzw. als Motiv für Musicals und Theaterstücke.
„Quality is nice, but quantity makes a show“
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten gelang es Helena Rubinstein, fast ihre gesamte Familie in
die USA zu bringen. Allerdings wurde eine ihrer Schwestern, Regina Kolin und deren Mann, in Auschwitz umgebracht.
Weitere Schicksalsschläge blieben nicht aus: die Scheidung von ihrem geliebten ersten Mann Edward Titus, der
Tod des zweiten Mannes, des wesentlich jüngeren georgischen Prinzen Artchil Gourielli-Tchkonia und wenig später
der Unfalltod ihres Sohnes Horace Titus. Kraft und Antrieb schöpfte die unermüdlich Anpackende immer
wieder aus ihrer Arbeit.
Reisen nach Australien, Japan, Hongkong und Israel, wo sie eine Fabrik plante, rissen sie aus ihrem Kummer. In
dieser Zeit wurde der von ihr gestiftete „Helena Rubinstein Pavilion for Contemporary Art“ des Tel Aviv Museum
of Art eröffnet, für den sie mehrere Arbeiten aus ihrer Sammlung spendete. Außerdem vererbte sie
ihre Sammlung historischer Miniaturräume mit ca. 20.000 Möbeln und Figurinen in historischen Kostümen
dem Tel Aviv Museum of Art.
Ein Teil der „Jewish Queen Victoria“, wie Rubinstein vom Kolumnisten der New York Post, Leonard Lyons, genannt
wurde, blieb bei allem Glamour und Geltungsbedürfnis, das Mädchen aus Kazimierz: Mit einem unverhohlen
slawischen Akzent, einem Sprachmix mit jiddischen, deutschen und polnischen Einsprengseln und den legendären
braunen Jausensackerln, in denen sie harte Eier, Hühnerschenkel, Krakauer Würste und entsprechend fettige
Dollarnoten für das Taxi in ihr Büro mitnahm – und dort alle Angestellten rügte, die beim Verlassen
eines Raumes das Licht nicht ausschalteten.
Am 1. April 1965 starb Helena Rubinstein mit 94 Jahren. Sie wurde in ihrem Lieblingskleid von Yves Saint Laurent
begraben. Ihr Wunsch, mit ihrer wertvollsten mehrreihigen Kette schwarzer Perlen ins Grab gelegt zu werden, wurde
nicht erfüllt. Letztlich ging Rubinstein immer unbeirrt ihren eigenen Weg, wozu es auch gehörte, sich
alle Träume aus eigener Kraft, mit selbst verdientem Geld und gemäß den eigenen, unbescheidenen
Vorlieben zu erfüllen. Sie sagte es selbst: „Quality's nice but quantity makes a show.“
„Helena Rubinstein. Die Schönheitserfinderin“ ist von 18. Oktober 2017 bis 6. Mai 2018 im Museum Judenplatz
(Jüdischen Museum Wien), einem Museum der Wien Holding, zu sehen. Zu der von Iris Meder kuratierten, von Danielle
Spera und Werner Hanak-Lettner koordinierten und von Judith Eiblmayer gestalteten Ausstellung erscheint auch ein
zweisprachiger Katalog zum Preis von EUR 29,95 im Amalthea Signum Verlag mit zahlreichen Abbildungen. Das Museum
Judenplatz, 1010 Wien, Judenplatz 8, ist von Sonntag bis Donnerstag von 10 bis 18 Uhr, Freitag 10 bis 14 Uhr (Winterzeit)
bzw. 17 Uhr (Sommerzeit) geöffnet. Das Jüdische Museum Wien in der Dorotheergasse 11, 1010 Wien ist von
Sonntag bis Freitag 10 bis 18 Uhr geöffnet.
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