Wien (rk) - Am 25. Oktober traf der Wiener Gemeinderat zur 28. Sitzung in der laufenden Wahlperiode zusammen.
Wie gewohnt begann der Sitzungstag mit der Fragestunde. Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou und die Stadträtinnen
und Stadträte Sandra Frauenberger, Andreas Mailath-Pokorny und Michael Ludwig beantworteten Anfragen zu folgenden
Themen: zukünftige Nutzung der Marx Halle; zweckwidrig verwendete Fördermittel durch das Theater in der
Josefstadt; Screening der Wohnungsinserate durch die Mieterhilfe; E-Ladestellen für Wien mit einer Leistung
von elf bis 50 Kilowatt; Anzahl von Geburtenbetten in Spitälern.
Aktuelle Stunde: „Explodierende Grundstückskosten verteuern den Wohnraum massiv – Wien muss und kann
gegensteuern“, eingebracht von den Grünen
Die Grünen nannten steigende Grundstückskosten eine bedrohliche Entwicklung, wo doch die hohe soziale
Durchmischung im Wohnsektor ein hohes Wiener Gut sei. Weil Grundstücke eben nicht vermehrbar seien (umso mehr
bei steigender Nachfrage in einer wachsenden Stadt), sei zu debattieren, ob Grund und Boden beziehungsweise der
finanzielle Gewinn bei Umwidmungen und Bodenwertsteigerungen nicht der Allgemeinheit gehören müssten.
Auch sei es überlegenswert, der Gemeinde Wien bei Grundstücksverkäufen ein Vorkaufsrecht einzuräumen.
Die NEOS nannten „drei Hebel“, um Wohnen langfristig leistbar zu halten. Erstens bräuchte es „klare Spielregeln“
für städtebauliche Verträge, dann sei auch eine Gewinnabschöpfung bei Grundstückswertsteigerungen
denkbar. Zweitens solle Wien seine Grundstücke nicht mehr an Bauträger verkaufen, sondern stattdessen
Baurechte vergeben. Drittens fehle es an einer klaren Strategie der Stadt hinsichtlich des Umgangs mit Bodenreserven.
Eine ausreichende Bauleistung neuer Wohnungen sei ohne eine Partnerschaft mit privaten Bauträgern nicht möglich
– man dürfe ebendiese Privaten nicht mit „überholten Ideologien“ abzuschrecken.
Die ÖVP meinte: Seien die Grünen tatsächlich der Meinung, dass Grund und Boden der Allgemeinheit
gehören sollen, „dann ist das Kommunismus in Reinkultur“. Tatsächlich obliege es dem grün geführten
Planungsressort, ausreichend Flächenwidmungen für Wohnbau bereit zu stellen. Außerdem seien Betriebskosten
zentraler Kostentreiber im Wohnbereich. Auch weil die Stadt mit diesen Gebühren teilweise deutliche Überschüsse
erwirtschafte, sei ausreichend Spielraum für eine Gebührensenkung vorhanden. Und: Baukosten ließen
sich durch eine Novellierung und Flexibilisierung der Bauordnung sofort um 30 Prozent senken.
Die FPÖ saht den Grund für steigende Wohnkosten im spekulativen Umgang mit Grundstücken, auch geduldet
von der Stadt. In großen Stadtentwicklungsgebieten verhänge die Stadt Bausperren. Ohne ausreichende
Flächenwidmung erteile die Stadt dann Baubewilligungen in diesen „Sperrzonen“. Diese Baumandate gingen oft
an Firmen mit Naheverhältnis zu Parteien und Stadt; diese Intransparenz und Rechtsunsicherheit schrecke internationale
Bauträger ab, die grundsätzliches Interesse an Wohnbautätigkeiten in Wien hätten.
Die SPÖ stelle sich der Anlage-Problematik des „Betongolds“ besser „als jede andere Stadt“: Der Wohnfonds
Wien habe 2,5 Millionen Quadratmeter an Fläche in Reserve; die Stadt stelle Bauträgern Grundstücke
bewusst unter Marktwert zur Verfügung, um darauf leistbare Wohnungen schaffen zu können; beschleunigte
Verfahren, Gebäude in Schnellbauweise und eigens konzipierte SMART-Wohnungen machten Wohnbau zusätzlich
günstiger und schneller. Internationale Studien belegten, dass etwa in Paris 42 Prozent eines durchschnittlichen
Haushaltseinkommens für Wohnkosten aufgewendet werden müsse; Wien liege mit lediglich 21 Prozent Wohnkostenanteil
im Spitzenfeld.
Hauptdebatte: Bericht über den Stand der Verwirklichung der Gleichbehandlung und Frauenförderung
im Dienst der Gemeinde Wien (Gleichbehandlungsbericht) für die Jahre 2014, 2015 und 2016
Die NEOS sahen in dem Bericht positive und negative Aspekte. Einerseits werde der Magistrat immer „weiblicher,
die Karriere bleibt aber männlich“. Es brauche mehr Anreize für Männer, in (Eltern-)Karenz zu gehen.
Außerdem wollten die NEOS ein Pensionsbeitrags-Splitting für die Dauer der Karenzzeit bei beiden Elternteilen.
Auch das gesetzliche Pensionsantrittsalter müsse erhöht werden.
Auch die ÖVP kritisierte anhand des Berichts, dass es vorwiegend Frauen im Dienst der Stadt seien, welche
in Baby-Karenz gingen. Karenz resultiere nach wie vor in einer Karriere- und finanziellen Benachteiligung. Auch
die ÖVP war für ein Pensionssplitting, um Eltern freie Wahl zu geben, wer in welchem Ausmaß die
Kindererziehung übernehme.
Die Grünen hoben positiv hervor, dass die Hälfte der höchsten Führungspositionen im Magistrat
weiblich besetzt sei. Allgemein herrsche am Arbeitsmarkt aber „empörende Ungerechtigkeit zwischen den Chancen
von Frauen und Männern“. Frauen stießen nach wie vor an die „gläserne Decke“; wenigstens sei die
Lohnschere in keinem Bundesland so eng wie in Wien. Ebenfalls bleibendes Thema sei die sexuelle Belästigung
von Frauen am Arbeitsplatz, es brauche entsprechende Einrichtungen, diese schärfer zu bekämpfen.
Die FPÖ bemängelte am Bericht fehlenden Neuigkeitswert, „Eigenlob und Selbstbeweihräucherung“. In
der Debatte um die Gleichstellung der Geschlechter sollten nicht Männer gegen Frauen ausgespielt werden, gleichzeitig
dürfe es nicht auf „Gleichmacherei“ hinauslaufen. Seit Einführung des Gleichbehandlungsgesetzes habe
es Wien nicht geschafft, dass Frauen gleich viel verdienen wie Männer. Auch sahen die Freiheitlichen Defizite
bei der Unterstützung der Stadt Wien für Schwangere.
Die SPÖ sprach betreffend die Gleichbehandlung der Geschlechter im Magistrat von einer „21-jährigen Erfolgsstory“:
Im Einkommensbereich seien große Verbesserungen erreicht worden; mit der Gleichbehandlungsbeauftragten sei
eine weisungsfreie Stelle geschaffen worden; ehemals von Männern dominierte Berufsgruppen seien aufgebrochen
worden – so gebe es mittlerweile zum Beispiel mehr Ärztinnen als Ärzte. Verbesserungsbedarf sah die SPÖ
beim Thema Gewalt an Frauen.
Weitere Debatten
Der Gemeinderat beschloss weiters u.a. die Finanzierung einer Studie der Universität Wien zum Thema „Lebensqualität
in einer wachsenden Stadt“; Baukostenzuschüsse für das Evangelische Schulwerk; eine Aktion zur Stärkung
des Wiener Onlinehandels („e-commerce“) durch die Wirtschaftsagentur Wien sowie zahlreiche Flächenwidmungen.
In der Informationsdatenbank des Wiener Landtages und Gemeinderates (INFODAT) unter http://www.wien.gv.at/infodat/ können Reden, Debattenbeiträge, Beschlüsse, Anfragen,
Anträge, Gesetzesentwürfe und Landesgesetzblätter nach verschiedenen Kriterien abgerufen werden,
dabei wird Zugriff auf die zugehörigen Originaldokumente (sofern elektronisch vorhanden) geboten.
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