Schließt sich die Lohnschere
 zwischen Frauen und Männern?

 

erstellt am
03. 11. 17
13:00 MEZ

Wien (wifo) - Bis zum Jahr 2007 stieg der geschlechtsspezifische Lohnunterschied in Österreich auf einen Höchststand, seither schließt sich die Lohnschere langsam. Politikmaßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zum Aufbrechen von Rollenbildern bei Berufen sowie mehr Gehaltstransparenz von Unternehmen könnten Österreich aus seiner Schlusslichtrolle innerhalb der EU führen.

Vor dem Jahr 2007 stieg der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern: der mittlere Lohnunterschied bei den Bruttostundenlöhnen stieg von 17,9 Prozent im Jahr 2005 auf 20,2 Prozent im Jahr 2007. Danach war eine zwar schwankende, aber eine leicht fallende Tendenz zu beobachten mit einem Tiefstand von 14,5 Prozent im Jahr 2014. Im Jahr 2015 betrug der Lohnunterschied 15,6 Prozent. Ein wesentlicher Grund für das Schließen der Lohn- lücke war die Reduktion des um Merkmale wie Schulbildung und Berufserfahrung bereinigten Lohnunterschiedes, der von 13,7 Prozent im Jahr 2005 auf 10,7 Prozent im Jahr 2015 sank. Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsfor- schung (WIFO).

Zwischen 4,2 und 8,9 Prozentpunkte des Lohnunterschiedes werden durch beobachtete Un- terschiede zwischen Frauen und Männern erklärt. Der somit erklärte Anteil des Lohnunter- schiedes variiert zwischen 23,4 Prozent und 58,1 Prozent. Der verbleibende unerklärte Lohnun- terschied hat auch eine leicht sinkende Tendenz. Das bedeutet, dass nicht nur beobachtete, sondern auch nichtbeobachtete Unterschiede zwischen Frauen und Männern (z. B. Lohnver- handlungen) oder ungleiche Behandlung geringer wurden.

Ein Teil des Rückganges des Lohnunterschiedes könnte auf makroökonomische Veränderun- gen mit lohndämpfender Wirkung zurückzuführen sein. Durch die starke geschlechtsspezifi- sche Trennung nach Beschäftigungssektoren könnten Männer stärker als Frauen von Krisen betroffen sein. So erreichte die Wirtschaftskrise 2008/09 etwa die von Männern dominierten exportorientierten Branchen des produzierenden Bereichs früher als etwa den von Frauen dominierten Dienstleistungssektor. Der erhöhte Wettbewerbsdruck auf dem Produktmarkt, den die schlechte Wirtschaftslage mit sich brachte, könnte Unternehmen dazu gezwungen haben, auf sachlich nicht gerechtfertigte Lohnunterschiede zu verzichten. Ein möglicher wei- terer Grund für die sich schließende Lohnschere: Gewinnabhängige Lohnkomponenten wie etwa Boni und Prämien, von denen Männer in ökonomisch guten Zeiten tendenziell stärker als Frauen profitieren, wurden reduziert oder fielen ganz weg.



Differenz der Bruttostundenlöhne zwischen Frauen und Männern

Quelle: Statistik Austria, EU-SILC 2005 bis 2015; WIFO-Berechnungen. Differenz des Bruttostundenlohnes von Männern und Frauen in Prozent des Stundenlohnes der Männer für 20- bis 60-jährige unselbständig Beschäftigte im privaten oder öffentlichen Sektor ohne Präsenz- und Zivildiener, Lehrlinge, Beschäftigte mit stark schwankender Arbeitszeit, Personen in Elternkarenz und Angehörige der regulären Streitkräfte. Effektive Bruttostundenlöhne auf Basis der Bruttomonats- löhne sowie Überstundenzahlungen bzw. weiteren Lohnbestandteilen, sofern regelmäßig ausbezahlt und der regelmäßig geleisteten Wochenarbeitszeit (einschließlich bezahlten und unbezahlten Überstunden) in der Haupterwerbs- tätigkeit.

Zu den Merkmalen, die einen Teil der Lohndifferenz erklären, gehören auch eine Reihe von Faktoren, die sich aus der geschlechtsspezifischen Segregation in dem Arbeitsmarkt vorgela- gerten Bereichen (Bildung, Berufswahl) ergeben oder Geschlechterrollen widerspiegeln. So sind in Österreich Unterschiede in Berufserfahrung und Arbeitsausmaß stark ausgeprägt, die nicht nur eine geringere Entlohnung bewirken, sondern auch die beruflichen Aufstiegschan- cen von Frauen verringern. Geschlechtspräferenzen von Unternehmen, etwa bei der Einstel- lung von Personal, können die Segregation auf dem Arbeitsmarkt fördern.

Aus der Entwicklung der Lohnunterschiede in den letzten 10 Jahren können mögliche Maß- nahmen zur weiteren Reduktion identifiziert werden: "Ausbau der Kinderbetreuungseinrich- tungen, insbesondere mit ganztägiger Betreuung, und längere Väterkarenz können die un- gleiche Verteilung von Erwerbs- und Hausarbeit, die Unterschiede in der Berufserfahrung und damit Aufstiegschancen angleichen. Aber auch Unternehmen können durch eine detaillierte Analyse und Anpassung ihrer Lohnkomponenten wie etwa der Boni und Prämien zur Anglei- chung der Löhne beitragen", sagt Studienautorin Christine Zulehner. Wichtig sei es zudem, schon im schulischen Bereich eine geschlechtsspezifische Stereotypisierung von Berufen zu verhindern. "Ungleiche Löhne zwischen Frauen und Männern entstehen durch mehrere Faktoren, daher ist es geboten ihnen auf unterschiedlichen Ebenen zu begegnen. Denn trotz des beobachtbaren Rückganges beim Lohnunterschied ist Österreich im EU-Vergleich immer noch eines der Schlusslichter", so die Expertin abschließend.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.wifo.ac.at

 

 

 

 

 

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