Saarbrücken (idw) - Das europäische Forscherkonsortium LipiDiDiet unter Leitung von Professor Tobias
Hartmann von der Universität des Saarlandes wird am 31. Oktober im Fachmagazin „The Lancet Neurology“ die
Ergebnisse einer klinischen Langzeitstudie mit Alzheimer-Patienten veröffentlichen. Die Personen mit so genanntem
prodromalem Alzheimer, also dem vordementiellen Stadium der Krankheit, wurden mit einem Nährstoffgemisch behandelt.
Sie zeigten in neuropsychologischer Hinsicht im Vergleich zu einer Testgruppe keine Veränderung. Jedoch verbesserten
sich ihre kognitiven und funktionellen Leistungen im Alltag signifikant. Auch das Gehirn schrumpfte im Vergleich
weniger.
Das für die Behandlung der Alzheimer-Patienten eingesetzte Nährstoffgemisch enthält „Fortasyn Connect“,
eine spezielle Kombination aus essentiellen Fettsäuren, Vitaminen und anderen Nährstoffen. Mehrere Forscher
der Universität des Saarlandes und weiterer deutscher und internationaler Institutionen waren an der klinischen
Studie beteiligt, die Teil eines großen durch die Europäische Union finanzierten Forschungsprojektes
ist. An der Studie nahmen 311 Patienten an elf Kliniken in Europa für zwei Jahre teil. Zum Studienbeginn hatten
alle Patienten eine durch Biomarker nachgewiesene, leichte kognitive Beeinträchtigung des Alzheimer-Typs,
dem Vorstadium der Alzheimer-Demenz. Die Hälfte der Patienten nahm die Nährstoffkombination täglich
in Form eines Trinkjoghurts zu sich, die Kontrollgruppe erhielt ein Getränk, das im Geschmack sowie in der
Konsistenz und Farbe identisch war, aber keine Wirkstoffe erhielt.
Ein ursprünglich als Hauptergebnis vorgesehener neuropsychologischer Test mit beiden Patientengruppen (primärer
Endpunkt) bestand aus den folgenden Einzeltests: Lernen, Erinnern und Erkennen von zehn Wörtern, möglichst
viele Wörter der Kategorie ‘Tier’ innerhalb einer vorgegebenen Zeit aufsagen sowie der Aufgabe, Buchstaben
und Zahlen zu vertauschen. Hierbei zeigten die Patienten mit Nährstoffbehandlung keine statistisch signifikanten
Unterschiede zu der Kontrollgruppe. Deutlich positive Wirkungen hatte die Behandlung aber mit Blick auf die täglichen
Herausforderungen von Alzheimer-Personen. Die Forscher beobachteten über zwei Jahre eine 44-prozentige geringere
Verschlechterung bei der klinischen Einschätzung des Schweregrades der Demenz (Clinical Dementia Rating-Sum
of Boxes).
Diese Untersuchung ist besonders bedeutend, weil sie den Krankheitsverlauf des Patienten an Hand seiner Leistungen
bewertet, die er zeigt, wenn er Aufgaben des täglichen Lebens bewältigen muss. Beispiele hierfür
sind die Fähigkeit, mit Notfällen im Haushalt umzugehen, finanzielle oder geschäftliche Vorgänge
zu bewältigen oder wichtige Ereignisse nicht zu vergessen. Darüber hinaus wurden Veränderungen in
der Hirnschrumpfung beobachtet, im Hippocampus ein Unterschied von 26 Prozent. Zunehmender Hirnzerfall ist typisch
für eine Alzheimer-Erkrankung, der Abbau des Hippocampus ist die Ursache für viele der Gedächtnisprobleme
bei Alzheimer. Das Auftreten von Nebenwirkungen war bei der Kontrollgruppe, die mit Nährstoffen behandelt
wurde, gleich.
„Die diagnostische Möglichkeiten bei Alzheimer-Patienten haben sich in den letzten Jahren wesentlich verbessert,
leider befinden sich aber die zur Verfügung stehenden pharmakologischen Therapieoptionen für die prodomale
Alzheimer-Krankheit noch im Entwicklungsstadium. Vor diesem Hintergrund ist das mit dieser Studie verbesserte Verständnis
um die Bedeutung ernährungsbezogener Interventionen sehr wichtig. Die LipiDiDiet Studie zeigt, dass die Nährstoffbehandlung
helfen kann, sowohl die Gehirnsubstanz und das Gedächtnis zu bewahren als auch den Anforderungen des täglichen
Lebens gerecht zu werden – wohl der bedrückendste Aspekt der Alzheimer-Krankheit“, sagt die Professorin Hilkka
Soininen, Neurologin und Leiterin des klinischen Teils der Studie (Universität Ostfinnland). In vorhergehende
Studien wurden bereits Effekte auf das Gedächtnis bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz
beobachtet.
Professor Tobias Hartmann, Leiter der Gesamtstudie, erklärt: „Eine Heilung wird durch diese Behandlung noch
nicht erreicht, aber es zeigt sich, dass je früher diese Intervention eingesetzt wird, desto größer
ist der Nutzen für den Patienten. Ein weiterer bemerkenswerter Meilenstein ist, dass zusammen mit dem kognitiv-funktionellen
Gewinn eine verringerte Hirnschrumpfung festgestellt wurde, also ein Ergebnis, das über eine symptomatische
Wirkung hinausgeht. Dies wurde bei den bisher zur Verfügung stehenden Therapien nie erzielt.“
Die Nährstoffkombination „Fortasyn Connect“ wurde als 125ml Getränk über zwei Jahre kontinuierlich
verabreicht. Diese Nährstoffkombination geht auf präklinische Forschung von Professorin Kiliaan (Radboud
Universität, Niederlande) sowie den LipiDiet- und LipiDiDiet-Projekten, koordiniert von Professor Hartmann
(Universität des Saarlandes) und Professor Wurtman (ehemals Massachusetts Institute of Technology, USA), zurück.
Fortasyn Connect ist der Wirkbestandteil von Souvenaid und fällt innerhalb der Europäischen Union in
die Kategorie ‚medical food’. Die Forschungsarbeiten der LipiDiet- und LipiDiDiet-Konsortien wurden aus öffentlichen
Forschungsmitteln des fünften und siebten Forschungsrahmenprogramms der Europäischen Kommission gefördert.
|