Maria Cecilia Poletti leitet das „Christian Doppler Labor für Design von Hochleistungs-
legierungen mittels thermo-mechanischer Prozesstechnik“. Unternehmenspartner sind Böhler Schmiedetechnik und
Nemak Linz
Graz (tu) - Wenn sich Metalle zu einer Legierung vereinen, setzt sich in deren Mikrostruktur einiges in Bewegung.
Wie fest, belastbar, hitzebeständig und chemisch homogen das Endprodukt, zum Beispiel eine Turbinenschaufel
letztendlich ist, hängt stark von den thermo-mechanischen Belastungen während der Herstellung ab. Gerade
für Hochleistungslegierungen, wie sie in der Luftfahrt zum Einsatz kommen, sind hierbei noch viele Detailfragen
ungeklärt.
„Wir wissen zwar, dass thermomechanische Prozesse im Design von Hochleistungswerkstoffen eine wichtige Rolle spielen.
Nichtsdestotrotz ist die Steuerung der erwünschten Eigenschaften einer Legierung mittels konkreter Prozessparameter
und Prozessrouten noch eine Herausforderung für die Industrie und ein heißes Thema in der Metallforschung.“,
sagt Maria Cecilia Poletti, Materialforscherin am Institut für Werkstoffkunde, Fügetechnik und Umformtechnik
der TU Graz. Poletti leitet das „Christian Doppler Labor für Design von Hochleistungslegierungen mittels thermo-mechanischer
Prozesstechnik“, das heute, Dienstag, den 31. Oktober 2017, an der TU Graz eröffnet wurde.
Wirtschaftsminister Mahrer: Wettbewerbsvorteile durch Grundlagenforschung
„Hochleistungslegierungen spielen eine wichtige Rolle für den technischen Fortschritt im Leichtbau und im
Bereich Automotive“, sagt Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Harald Mahrer. „In diesem CD-Labor wird die Grundlage
für praktische Anwendungen gelegt, von denen wichtige Industriezweige in Österreich profitieren. Das
Zusammenspiel zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist dafür eine perfekte Grundlage und ermöglicht Forschung
entlang der Bedürfnisse der Betriebe.“
Gießen oder kneten in der „Legierungsküche“
Im ihrem Herstellungsprozess sind alle Arten von Legierungen thermomechanischen Belastungen ausgesetzt: Gusslegierungen
in der Nachbehandlung und Knetlegierungen während der Verarbeitung. Bei flüssig in Form gegossenen Legierungen
entstehen bei der Erkaltung des Bauteils innere Spannungen, die zu unerwünschten Verbiegungen des Bauteils
führen können und die Festigkeit mindern. Eine Wärmebehandlung durch wiederholtes Aufheizen und
schnelles Abkühlen baut die mechanischen Spannungen in der Mikrostruktur des Bauteils wieder ab.
Knetlegierungen werden zwar auch gegossen, aber wiederholt bei sehr hoher Temperatur und mit unterschiedlichen
Geschwindigkeiten geknetet, bevor sie in Form gebracht werden. Unter Kneten ist in dem Fall jegliche mechanische
Belastung gemeint, die zu einer plastischen Verformung führt – etwa Schmieden, Walzen oder Strangpressen.
Wie beim Kneten eines Teiges vereinen sich die einzelnen Bestandteile zu einem Material, das anschließend
in Form ‚gebacken‘ wird. „Wir wollen im Rahmen des CD-Labors ein tieferes Verständnis der Mikrostrukturentwicklung
während thermo-mechanischer Prozesse erhalten. Denn diese nicht sichtbare Form des Gefüges hat größten
Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften des Bauteils im Einsatz, zum Beispiel im Fahrwerk oder im Turbinenrad
eines Flugzeuges.“, erklärt Maria Cecilia Poletti. „Wie bei einem guten Kochrezept wollen wir genau wissen,
welche Zutaten, Mengenangaben, Temperaturen, Reihenfolge und Zeitangaben es braucht, um am Ende eine Legierung
mit den genau gewünschten Eigenschaften zu erhalten“.
Fokus auf Nichteisenlegierungen
Der Fokus des neuen CD-Labors liegt auf Nichteisenlegierungen, etwa Titan-, Nickel- oder Aluminiumlegierungen,
für Bauteile und deren Verarbeitungsprozesse. Das Team des CD-Labors wird die physikalischen Phänomene,
die in metallischen Werkstoffen während der industriellen Herstellung und nachfolgenden Anwendung auftreten,
charakterisieren, beschreiben und modellieren und darauf aufbauend physikalisch-basierte Multiskalenmodelle entwickeln,
die für verschiedene Materialien und Verfahren verallgemeinert angewendet werden können. Die Forschenden
bedienen sich dafür unterschiedlicher Methoden, von Experimenten im Labor über Modellbildung, Mikroskopie,
bis zu Röntgenuntersuchungen.
Unternehmenspartner für sieben Jahre sind der Metallproduzent Nemak mit Sitz in Mexiko und in Linz, der Gussaluminiumteile
für die Automobilindustrie herstellt, sowie die BÖHLER Schmiedetechnik GmbH mit Sitz in Kapfenberg, die
sich im Bereich von Knetlegierungen auf Titan- und Nickelbasis einbringt. Von den beiden Firmenpartnern und der
Christian Doppler Gesellschaft fließen insgesamt rund 3 Millionen Euro in das CD-Labor, bei einer Laufzeit
von sieben Jahren.
Kooperationsmodell CD-Labor
In Christian Doppler Labors wird anwendungsorientierte Grundlagenforschung auf hohem Niveau betrieben, hervorragende
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kooperieren dazu mit innovativen Unternehmen. Für die Förderung
dieser Zusammenarbeit gilt die Christian Doppler Forschungsgesellschaft international als Best-Practice-Beispiel.
Christian Doppler Labors werden von der öffentlichen Hand und den beteiligten Unternehmen gemeinsam finanziert.
Wichtigster öffentlicher Fördergeber ist das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft
(BMWFW). Nähere Infos auf der Website der Christian Doppler Gesellschaft unter www.cdg.ac.at.
Akive und bereits eröffnete CD-Labors der TU Graz
- CD-Labor für Design von Hochleistungslegierungen mittels
thermomechanischer Prozesstechnik
- CD-Labor für modellbasierte Regelung komplexer Prüfstandssysteme
- CD-Labor für bürstenlose Antriebe für Pumpen-
und Lüfteranwendungen
- CD-Labor für Faserquellung und deren Einfluss auf die
Papiereigenschaften
- CD-Labor für Semantische 3D Computer Vision
- CD-Labor für Lithium-Batterien – Alterungseffekte,
Technologie und neue Materialien
An der TU Graz ist dieses CD-Labor im Field of Expertise „Advanced Materials Science“ verankert, einem von fünf
strategischen Forschungsschwerpunkten.
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