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Erste Sitzung des neu gewählten Nationalrats…
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erstellt am
10. 11. 17
13:00 MEZ
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… leitet XXVI. Gesetzgebungsperiode ein – 85 Abgeordnete sind neu, Frauenanteil ist leicht
gestiegen – Wahl der NationalratspräsidentInnen
Wien (pk) - Mit der Angelobung der Abgeordneten erfolgte am 9. November der Startschuss für die XXVI.
Gesetzgebungsperiode des Nationalrats. 24 Tage nach den Wahlen traten die neu gewählten MandatarInnen zur
konstituierenden Sitzung zusammen. Ein Mandatar, Harald Stefan, musste sich allerdings entschuldigen lassen, daher
ertönte das "Ich gelobe" nur 182 Mal aus den Reihen der Abgeordnetenbänke. Vereinzelt wurde
auch der Zusatz "so wahr mir Gott helfe" angebracht. Jeder Mandatar und jede Mandatarin versicherte persönlich
"unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze
und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten". (Einen
Bericht über den Beginn der ersten Sitzung finden Sie hier >)
Konstituierende Sitzung des Nationalrats am 9. November 2017 / ©
Parlamentsdirektion / Johannes Zinner
Eröffnet wurde die konstituierende Sitzung von der scheidenden Nationalratspräsidentin Doris Bures. In
Anwesenheit von Bundespräsident Alexander Van der Bellen wurde die Bundeshymne feierlich intoniert, musikalisch
begleitet von Mitgliedern der Wiener Philharmoniker. Schon davor gedachten die Abgeordneten der Novemberpogrome
von 1938.
Die Abgeordneten der SPÖ trugen traditionsgemäß eine rote Nelke im Knopfloch, jene der FPÖ
schmückten sich dieses Mal mit einem Edelweiß und einer rot-weiß-roten Schleife. Die ÖVP-MandatarInnen
hatten türkise Buttons mit stilisierten Säulen des historischen Parlamentsgebäudes angesteckt. Auf
den Bänken der NEOS standen Kakteen mit einem rosa Band und einer gleichfarbigen kleinen Rose.
Auch die Regierungsbank war zum Teil besetzt: Mit Vizekanzler Wolfgang Brandstetter, Familienministerin Sophie
Karmasin, Wirtschaftsminister Harald Mahrer und Finanzminister Hans Jörg Schelling hatten dort jene Regierungsmitglieder
Platz genommen, die nicht für den Nationalrat kandidiert haben.
Nur noch fünf Parteien im Nationalrat vertreten
Anders als in der XXV. Gesetzgebungsperiode sind in der XXVI. Gesetzgebungsperiode nur noch fünf Parteien
im Nationalrat vertreten. Als stärkste Fraktion ist die ÖVP aus den Wahlen hervorgegangen, sie hat 62
Mandate (+15) errungen. Danach folgen die SPÖ mit 52 (+/-0) und die FPÖ mit 51 Sitzen (+11). Die NEOS
verfügen nunmehr über 10 MandatarInnen (+1). Neu im Nationalrat ist die Liste Pilz, sie bildet mit 8
Abgeordneten die kleinste Fraktion im Hohen Haus. Knapp die 4-Prozent-Hürde und damit den Einzug in den Nationalrat
verfehlt haben die Grünen, sie konnten bei den Wahlen 2013 noch 24 Mandate erringen. Das Team Stronach (11
Mandate bei den Wahlen 2013) ist nicht mehr angetreten.
Auch sonst hat sich die personelle Zusammensetzung des Nationalrats stark verändert. Gleich 85 der 183 MandatarInnen
sind neu, wiewohl einige von ihnen bereits parlamentarische Erfahrung in früheren Gesetzgebungsperioden bzw.
als Bundesräte oder Europa-Abgeordnete haben. Erstmals einen Sitz im Nationalrat haben auch mehrere Regierungsmitglieder,
darunter Noch-Bundeskanzler Christian Kern.
Besonders viele neue Abgeordnete hat die ÖVP (35 von 62), darunter auch Parteichef und Außenminister
Sebastian Kurz. Die SPÖ verzeichnet 24 Neuzugänge, bei der FPÖ sind es 18 und bei den NEOS 3. Der
Liste Pilz gehören fünf Neo-Abgeordnete an, drei waren schon im letzten Nationalrat (zwei für die
Grünen, eine Mandatarin für die SPÖ) vertreten. Da Regierungsmitglieder ihr Abgeordnetenmandat traditionsgemäß
zurücklegen, wird es nach der Bildung einer neuen Bundesregierung hier aber wohl noch zu einigen Veränderungen
kommen.
Frauenanteil ist auf 34% gestiegen
Leicht erhöht hat sich der Frauenanteil unter den Abgeordneten. Er ist von zuletzt 31,1 % (57) auf 34,4% gestiegen:
63 der 183 Abgeordneten sind nunmehr Frauen. Zu Beginn der XXV. Gesetzgebungsperiode 2013 waren es 33,3% (61) gewesen.
Den höchsten Frauenanteil hat die Liste Pilz (50%), den niedrigsten die FPÖ (22%). Bei der SPÖ sind
24 von 52 Abgeordneten weiblich (46%), bei den NEOS 4 von 10 (40%) und bei der ÖVP 20 von 62 (32%).
Jüngste Abgeordnete ist die oberösterreichische ÖVP-Abgeordnete Claudia Plakolm mit 22 Jahren. Sie
kommt damit nahe an die Rekordhalterin Silvia Grünberger heran, die 2002, damals unter dem Namen Fuhrmann,
mit 21 Jahren als bislang jüngste Abgeordnete in den Nationalrat einzogen ist. Mit 71 Jahren älteste
Mandatarin ist Irmgard Griss von den NEOS. Erfahrenster Abgeordneter ist der bisherige Zweite Nationalratspräsident
Karlheinz Kopf, er gehört dem Nationalrat seit November 1994 und damit seit 23 Jahren ohne Unterbrechung an.
Sitzungen im Ausweichquartier in der Hofburg
Die Sitzungen des Nationalrats finden während der rund dreijährigen Generalsanierung des historischen
Parlamentsgebäudes in der Hofburg statt. Im Gegensatz zum originären Plenarsaal hat der provisorische
nur sechs Sitzreihen, die dafür breiter sind. Die drei rechten Sektoren, vom Präsidium aus gesehen, teilen
sich ÖVP und FPÖ, links vom Präsidium sitzen SPÖ, NEOS und die Liste Pilz, wobei die beiden
Kleinparteien keine Sitzplätze in der ersten Reihe haben. Insgesamt verfügt der provisorische Sitzungssaal
über 192 Sitzplätze, 9 Sitzplätze bleiben somit frei.
Das Interesse an der konstituierenden Sitzung des Nationalrats war enorm: Aufgrund des beschränkten Platzangebots
auf der Galerie im Sitzungssaal musste diese auf Videoleinwänden in andere Räumlichkeiten übertragen
werden.
Die Wahlbeteiligung bei den Wahlen am 15. Oktober ist übrigens gegenüber der Nationalratswwahl 2013 deutlich
gestiegen: 80% der ÖsterreicherInnen haben die Möglichkeit genutzt, die Zusammensetzung des Nationalrats
mitzubestimmen. Das ist ein Plus von 5,1%. Die Dauer der Gesetzgebungsperiode beträgt fünf Jahre. Allerdings
ist nicht auszuschließen, dass es, wie auch in der XXV. Gesetzgebungsperiode, zu vorzeitigen Neuwahlen kommt.
Verhandlungen über eine neue Bundesregierung laufen noch
Noch im Laufen sind die Verhandlungen über die Bildung einer neuen Bundesregierung. Für eine Mehrheit
im Nationalrat sind jedenfalls die Stimmen von zumindest zwei der drei großen Parteien (ÖVP, SPÖ,
FPÖ) erforderlich. Da die ÖVP außerdem über mehr als ein Drittel der Sitze verfügt, können
ohne ihre Zustimmung keine Verfassungsgesetze geändert werden.
Offen sind auch noch etliche organisatorische Fragen. So wurde die Verteilung der Redezeit für Nationalratsdebatten
auf die einzelnen Fraktionen gemäß der so genannten Wiener Stunde noch nicht fixiert. Traditionsgemäß
erhalten kleinere Parteien im Verhältnis zu ihrer Größe einen überproportionalen Anteil an
Redezeit.
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Erste Nationalratssitzung: Neuer Stil und viele Vorhaben
Parteien bringen sich für die neue Legislaturperiode in Stellung
Bei der Debatte über die Wahl des neuen Nationalratspräsidiums zeigten die Redner der fünf
Fraktionen gleich auf, wo sie die Schwerpunkte ihrer Politik in den nächsten Jahren setzen wollen. Angesichts
der sich abzeichnenden neuen Rollenverteilungen brachte sich die SPÖ bereits als starke Oppositionskraft in
Stellung. Die Sozialdemokraten werden einen gewichtigen Gegenpol zur oberflächlichen Politik der Inszenierungen
bilden, kündigte Bundeskanzler Christian Kern an. Außenminister Sebastian Kurz sprach von einer Chance
für einen Neuanfang und mahnte vor allem einen neuen Stil im Umgang miteinander ein. Dieser Forderung schloss
sich auch FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache an, der die Bereitschaft seiner Partei signalisierte, nun
Verantwortung zu übernehmen.
Ein ambitioniertes Programm für die neue Legislaturperiode nahmen sich die NEOS vor. Sie werden nicht nur
die Hüterin der Verfassung sein, sondern auch als Kontrollpartei und Reformturbo agieren, erklärte Matthias
Strolz. Ähnliche Ziele verfolgt die neu im Parlament vertretene Liste Pilz, die sich Kontrolle und Transparenz
auf die Fahnen heftet. Klubobmann Peter Kolba versprach, eine kantige und wahrnehmbare Oppositionspolitik zu machen.
Kurz: Besserer Umgangsstil sowie Mix aus neuen und erfahrenen Abgeordneten
Eine neue Legislaturperiode bietet auch immer die Chance für einen Neuanfang, hob Außenminister und
ÖVP-Obmann Sebastian Kurz hervor. Seiner Meinung nach sei es notwendig, dass sich einiges ändert, vor
allem was den Stil der Auseinandersetzungen betrifft. Die Bevölkerung habe das "gegenseitige Anpatzen
satt" und sei interessiert daran, dass die PolitikerInnen einen ordentlichen und respektvollen Umgang miteinander
pflegen. Er freue sich jedenfalls auf die Zusammenarbeit mit allen MandatarInnen in den nächsten fünf
Jahren.
Die richtungsentscheidende Wahl vom 15. Oktober habe vielen Personen die Möglichkeit gegeben, sich erstmals
in die parlamentarische Arbeit einzubringen, hob Kurz hervor. Allein im ÖVP-Klub gebe es 32 neue Abgeordnete.
Sein Dank gelte aber auch all jenen MandatarInnen, die nun nicht mehr dabei sind, aber oft jahrzehntelang im Hohen
Haus gearbeitet haben. Kurz brachte zudem seinen Respekt gegenüber den Grünen zum Ausdruck, die nicht
mehr den Einzug ins Parlament geschafft haben. Sie haben definitiv ihre Verdienste für die Republik und das
Parlament, besonders in den Bereich Umwelt- und Klimaschutz, ist der Außenminister überzeugt.
Kern: SPÖ wird starke Oppositionskraft und Gegenpol zu einer Politik der Inszenierungen
Die Art und Weise, wie man mit Geschichte umgeht, bestimmt darüber, in welcher Art von Zukunft wir leben,
erklärte Bundeskanzler und SPÖ-Obmann Christian Kern. Deshalb soll gerade an einem "Feiertag der
parlamentarischen Demokratie", dem Novemberpogrom gedacht werden, das von den Nazis in zynischer Weise als
Reichskristallnacht bezeichnet wurde und der erste Schritt in Richtung Holocaust war. Es sollte daran erinnern,
dass die Zuspitzung zu Lasten von anderen Menschen, die Suche nach Sündenböcken, Rassismus und die Mobilisierung
niederer Instinkte in der Politik keinen Platz haben dürfen. Da sich die Zusammensetzung der kommenden Regierung
bereits abzeichne, sehe die SPÖ ihre Rolle in einer starken Oppositionskraft, unterstrich Kern. Außerdem
werde man einen Gegenpol zur oberflächlichen Soundbite-Politik, die sich ausschließlich auf Inszenierung
stützt, bilden.
Strache: FPÖ ist bereit, Verantwortung für die positive Gestaltung Österreichs zu übernehmen
Auch FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache machte einen Rückblick auf den vergangenen Wahlkampf, wo
viel Unschönes zu Tage getreten sei. Nun solle man aber die Ärmel aufkrempeln und gemeinsam danach trachten,
die Zukunft Österreichs positiv zu gestalten. Dabei sei es natürlich wichtig, dass die Debatten trotz
aller Meinungsunterschiede gesittet und niveauvoll geführt werden. Da die österreichischen WählerInnen
der freiheitlichen Partei ein großes Vertrauen entgegengebracht haben, sei seine Partei auch bereit, Verantwortung
zu übernehmen. Dies sei sicher keine leichte Aufgabe angesichts der immensen Belastungen, die die rot-schwarze
Regierung hinterlassen hat. Die FPÖ werde sich insbesondere dafür einsetzen, dass die Zuwanderung gestoppt
und die Sicherheitsprobleme gelöst werden. Auf der Agenda stünden zudem der Ausbau der direkten Demokratie,
die Senkung der Abgabenquote, die Bekämpfung der hohen Arbeitslosenrate sowie die Verbesserung der Perspektiven
für die jungen Menschen.
Strolz: Hüter der Verfassung, Kontrolle und Reformturbo
Das Parlament ist die erste Staatsgewalt, unterstrich Matthias Strolz von den NEOS, und dieser Verantwortung sollten
sich alle Abgeordnete auch immer bewusst sein. Da es im Hohen Haus darum gehe, Lösungen im Sinne des Gemeinwohls
voranzutreiben, wünsche er sich ein starkes Arbeitsparlament, das selbstbewusst der Regierung gegenübertritt.
Die NEOS werden sich engagiert und aktiv in den Wettbewerb der besten Ideen einbringen, kündigte der Klubobmann
an. Im Vordergrund stünden für ihn die Prinzipien Freiheit, Nachhaltigkeit und Rechtsstaatlichkeit. Gewahrt
werden müsse auch immer eine Balance zwischen Wirtschaft, Ökologie und Sozialem. Als "Kontrollpartei"
werde man zudem entschlossen gegen strukturelle Korruption, Steuergeldverschwendung und gegen jede Form der Parteibuchwirtschaft
auftreten. Aufgrund des Wahlergebnisses komme den NEOS eine wichtige Rolle bei sogenannten Zwei-Drittel-Materien
zu, zeigte Strolz auf. Die Bevölkerung könne versichert sein, dass sich die NEOS als Hüter der Verfassung
sehen und gegen jeden möglichen Angriff auf Grundwerte oder Bürger- und Freiheitsrechte entschieden auftreten.
Gearbeitet werden soll jedenfalls von der ersten bis zur letzten Stunde, bekräftigte der Klubobmann. Man habe
daher bereits drei Anträge eingebracht, in der die Abschaffung der kalten Progression, die Senkung der Parteienfinanzierung
sowie die Abschaffung des Amtsgeheimnisses verlangt werden.
Kolba: Liste Pilz steht für Transparenz und Kontrolle
Der Klubobmann der Liste Pilz, Peter Kolba, erläuterte zunächst seine Motivation, vom Zuschauerrang in
die Politik zu wechseln. Ebenso wie seinen MitstreiterInnen sei es ihm ein großes Anliegen, ein Bürgerbeteiligungsprojekt
aufzubauen, um den Menschen eine echte Teilhabe an der Politik zu ermöglichen. Außerdem sehe man sich
nicht als typische Partei, sondern als Bewegung, die für Kontrolle und Transparenz steht. Aus diesem Grund
gelte für die Abgeordneten seines Klubs auch strikt das freie Mandat, unterstrich Kolba. Aufgrund einer beispiellosen
Medienjustiz musste seine Liste leider auf den Aufdecker der Nation, auf Peter Pilz verzichten. Dennoch werde sich
seine Fraktion nach einer gewissen Einarbeitungszeit engagiert in die parlamentarische Arbeit einbringen, versprach
Kolba.
Rückblick und Ausblick auf die neuen Zeiten im Parlament
In der weiteren Debatte gratulierte ÖVP-Abgeordneter August Wöginger insbesondere jenen 85 Abgeordneten,
die erstmals angelobt wurden. In seiner Fraktion gebe es zudem mit Claudia Plakolm, die 22 Jahre alt ist, die jüngste
Mandatarin. Seine Partei werde sich mit aller Kraft dafür einsetzen, die im Wahlkampf angekündigten Vorhaben
– Steuerentlastung, mehr soziale Gerechtigkeit und Stopp der illegalen Zuwanderung – umzusetzen. Ebenso wie ihr
Vorredner unterstrich die Abgeordnete Angelika Winzig (ÖVP), dass sich die BürgerInnen einen neuen Stil
und einen anständigen Umgang miteinander erwarten.
Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ) nutzte seine Rede für einige grundsätzliche Bemerkungen. Gerade
am heutigen Tag wolle er darin erinnern, dass jeder Abgeordneter sein Mandat allein dem Souverän zu verdanken
hat. Und diese Nabelschnur zu den BürgerInnen sollte nie gekappt werden. Mit aller Deutlichkeit hielt er zudem
fest, dass für die FPÖ nur gewählte Demokraten im Hohen Haus sitzen. Und es stehe niemanden zu,
diese Tatsache in Frage zu stellen. Daher gebe es im Parlament auch nur Parteien, die als Ganzes regierungsfähig
sind.
Die Bevölkerung kann sich darauf verlassen, dass für die SPÖ immer die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit
und der Demokratie im Vordergrund stehen werden, egal ob sie an der Regierung beteiligt oder in der Opposition
ist, betonte Abgeordneter Andreas Schieder (SPÖ). Ein besonderes Auge werde sie aber darauf haben, ob von
den geplanten Maßnahmen eine Gefahr für den sozialen Zusammenhalt ausgeht. Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ)
zeigte sich erfreut darüber, dass über ein Drittel der Abgeordneten Frauen sind. Wie die letzten Tage
gezeigt haben, dürfe man in der Frauenpolitik nicht locker lassen. Man müsse vielmehr darauf drängen,
dass sowohl die Budgets als auch die jeweiligen Einrichtungen ausgebaut und gestärkt werden.
Abgeordnete Irmgard Griss (NEOS) hielt es für äußerst besorgniserregend, dass sich laut einer aktuellen
Umfrage 43% der BürgerInnen einen starken Mann an der Spitze des Staates wünschen. 23% stimmten sogar
der Aussage zu, dass sich dieser starke Mann nicht um Parlament und Wahlen kümmern soll. Sie sehe es daher
als ihre zentrale Aufgabe, einen Beitrag zu einer Politik zu leisten, die von Vernunft, Verständnis und Anstand
geprägt ist, die Vertrauen schafft und ihrer Verantwortung gerecht wird. Diese Prinzipien sollten ihrer Meinung
nach in einem "Code of good governance" festgeschrieben werden. Ihr Fraktionskollege Nikolaus Scherak
(NEOS) bezeichnete es als wichtigste Aufgabe, dass das Parlament in den nächsten fünf Jahren auf Augenhöhe
mit der Regierung agiert und sich keine Gesetze diktieren lässt.
Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber sah die Liste Pilz als einen Versuch, Politik abseits von starren Parteiapparaten,
auferlegten Zwängen und Denkverboten zu machen. Stephanie Cox, die ebenfalls für die Liste Pilz im Hohen
Haus sitzt, skizzierte ihre zukünftigen Arbeitsschwerpunkte als Neo-Mandatarin. Es war vor allem die Politikverdrossenheit,
die sie dazu gebracht habe, mitanzupacken. Wenn man die richtigen Rahmenbedingungen schafft, dann sind sehr viele
Menschen bereit, sich zu engagieren, war Cox überzeugt; und dazu möchte sie einen Beitrag leisten.
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Köstinger mit 117 Stimmen zur Nationalratspräsidentin gewählt
Doris Bures Zweite NR-Präsidentin und Norbert Hofer Dritter NR-Präsident
Mit Elisabeth Köstinger (ÖVP) steht zum dritten Mal in Folge eine Frau an der Spitze des Parlaments.
Sie wurde mit 117 Stimmen zur Nationalratspräsidentin gewählt. Abgegeben wurden 181 Stimmen, davon 175
gültige. Auf Karlheinz Kopf entfielen 56 Stimmen, zwei weitere auf andere Abgeordnete.
Präsidium von links.: Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures(S),
Nationalratspräsidentin Elisabeth Köstinger (V) und Dritter Nationalratspräsident Norber Hofer (F)
/ © Parlamentsdirektion / Raimund Appel
Noch nie bekleidete jemand jüngerer diese hohe Position, protokollarisch die zweithöchste im Staat nach
dem Bundespräsidenten. Die in Wolfsberg geborene Kärntnerin feiert am 22. November ihren 39. Geburtstag.
Köstinger schaffte den Sprung ins Nationalratspräsidium, nachdem sie erstmals ein Nationalratsmandat
errungen hatte. An parlamentarischer Erfahrung fehlt es der neuen Präsidentin nicht, vertritt sie doch Österreich
seit Juli 2009 im Europäischen Parlament. Sie erzielte damit die gleiche Anzahl von Stimmen wie Doris Bures
bei ihrer Wahl im September 2014.
Die bisherige Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) übernimmt das Amt der Zweiten Nationalratspräsidentin,
115 Abgeordnete schenkten ihr bei der Wahl das Vertrauen. Abgegeben wurden 174 gültige Stimmen, 23 Abgeordnete
wählten Christian Kern, 36 entschieden sich für andere MandatarInnen.
Dritter Nationalratspräsident bleibt Norbert Hofer (FPÖ), er erhielt 132 von 158 gültigen Stimmen.
26 Abgeordnete stimmten für andere.
Damit sind zum zweiten Mal in der Geschichte zwei Frauen im Präsidium des Nationalrats vertreten. In den Jahren
2006 bis 2008 waren dies Barbara Prammer (SPÖ) als Nationalratspräsidentin und Eva Glawischnig-Piesczek
(GRÜNE) als Dritte Nationalratspräsidentin. Die Pionierin in diesem Zusammenhang ist Marga Hubinek (ÖVP),
sie war von 1986 bis 1990 Zweite Nationalratspräsidentin, Heide Schmidt (FPÖ/später LIF) übernahm
von 1990 bis 1994 das Amt der Dritten Nationalratspräsidentin.
Erwartungen, Vertrauensvorschuss und Kritik im Vorfeld der Wahl von Elisabeth Köstinger zur Nationalratspräsidentin
Elisabeth Köstinger habe sich als eine Sacharbeiterin ausgezeichnet und Österreich im Europäischen
Parlament hervorragend vertreten, begründete ÖVP-Klub- und Parteiobmann Sebastian Kurz ihre Nominierung.
Sie sei eine der fleißigsten Abgeordneten in Europa gewesen und habe immer einen respektvollen Umgang mit
ihren politischen MitbewerberInnen gepflogen. Die Verbindung mit europäischer Erfahrung und dem hohen Amt
im österreichischen Parlament hob Angelika Winzig (ÖVP) als einen besonderen Vorteil hervor und August
Wöginger (ÖVP) erinnerte an die 8.000 Vorzugsstimmen, die Köstinger bei der letzten Nationalratswahl
gewinnen konnte.
Man werde Elisabeth Köstinger einen Vertrauensvorschuss geben, betonte Herbert Kickl seitens der FPÖ
und zeigte sich überzeugt davon, dass sie ihr Amt verantwortungsbewusst und mit Toleranz ausüben werde.
Im Parlament gehe es um den Geist des Miteinander, ohne auf die eigene Position zu verzichten und ohne Versuch,
Unterschiede zu eliminieren, skizzierte Kickl seine Erwartungen auf das Miteinander im Hohen Haus und in der Demokratie.
Seitens der SPÖ respektiere man das Vorschlagsrecht der drei stärksten Fraktionen, erklärten Christian
Kern und Andreas Schieder (beide (SPÖ), warum sie Köstinger ihre Stimme geben werden, mit der Einschränkung,
dass wahrscheinlich nicht alle im SPÖ-Klub dem folgen werden. Kurz mache es der SPÖ nicht leicht, sagte
Schieder, denn es sei parlamentarische Übung, dass man Personen nominiert, die man kennt oder kennenlernen
kann. Wie Schieder bedauerte auch Gabriele Heinisch-Hosek, dass es nicht möglich gewesen sei, die neue Präsidentin
vor der Wahl kennenzulernen. Schieder richtete daher die Bitte an Köstinger, ausgleichend und überparteilich
zu wirken und an der Kontinuität und Weiterentwicklung des Hauses zu arbeiten.
Ähnliche Wünsche an die neue Parlamentsspitze kamen auch von den Abgeordneten der Liste Pilz. Das Hohe
Haus brauche Rahmenbedingungen und ein Umfeld, in dem inhaltsorientiert und pragmatisch gearbeitet werden kann,
meinte etwa Staphanie Cox, die neue Präsidentin müsse entschlossen gegen das Trennende kämpfen.
Hetze habe im Parlament nichts verloren. Daniela Holzinger-Vogtenhuber erwartet sich von Köstinger, dass sie
die Unabhängigkeit des Parlaments gewährleistet.
Kritik an der Nominierung von Köstinger kam in der Debatte vor allem von den NEOS auf. Man hätte gerne
im Vorfeld mit der Kandidatin für das zweithöchste Amt im Staat ein Gespräch über deren Amtsverständnis
geführt, das sei aber nicht zustande gekommen, stellten Matthias Strolz und Nikolaus Scherak (beide NEOS)
mit Bedauern fest. Das dürfe man sich als selbstbewusster Parlamentarier nicht gefallen lassen, konstatierte
Scherak und interpretierte die Vorgangsweise der ÖVP als Geringschätzung, Ignoranz und Missachtung. Mit
Postenschacher beschädige man das Amt, kritisierte er. Köstinger komme aus der Parteizentrale in eine
überparteiliche Funktion, man wisse auch nicht, ob sie lange im Amt bleibe, so seine weitere Begründung,
warum die NEOS Köstinger nicht wählen. Das Parlament sei die erste Staatsgewalt und kein Durchhaus und
kein Rangierbahnhof kritisierte Strolz die Nominierung von Köstinger. Als Parlamentarier brauche man Gewissheit,
dass das Amt mit großer Ernsthaftigkeit geführt werde, stellte Strolz fest.
Hohe Anerkennung aller für Bures, Kopf und Hofer
Von den RednerInnen aller bisher im Nationalrat vertretenen Parteien wurde Nationalratspräsidentin Doris Bures
sowie dem Zweiten und Dritten Präsidenten Karlheinz Kopf und Norbert Hofer für deren Amtsführung
große Anerkennung gezollt. So dankte ihnen Angelika Winzig (ÖVP) im Namen ihrer Partei für deren
konstruktive und überparteiliche Amtsführung. Bures habe in außerordentlicher und hervorragender
Weise und Würde das österreichische Parlament und die Demokratie repräsentiert, sagte Bundeskanzler
Christian Kern (SPÖ). Bures habe Unabhängigkeit gelebt und das Hohe Haus weiterentwickelt, pflichtete
ihm Andreas Schieder (SPÖ) bei. Wie ihre Vorgängerin Barbara Prammer habe sie das Hohe Haus geöffnet
und zu einem Haus der Begegnung gemacht, betonte Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). Auch seitens der Freiheitlichen
gab es nur Lob für die Amtsführung von Bures. Sie habe ihren Vorsitz in parteipolitisch unabhängiger
Art und Weise fachlich und exzellent ausgeführt, so Heinz-Christian Strache (FPÖ). Sie habe bewiesen,
dass Ausgleich und Zusammenhalt zu ihren Stärken gehört, meinte Herbert Kickl (FPÖ).
Ähnliche zustimmende Worte wurden auch an die Adresse von Karlheinz Kopf und Norbert Hofer gerichtet. Er habe
alle Eigenschaften erfüllt, die an das Amt des Zweiten Präsidenten geknüpft sind, stellte Andreas
Schieder (SPÖ) fest, Kopf habe immer verantwortungsbewusst gehandelt, bekräftigte Heinz Christian Strache
(FPÖ). Kopf konnte sich bei der Wahl auch der Stimmen der NEOS sicher sein, wie Matthias Strolz und Nikolaus
Scherak ankündigten, denn dieser habe das Amt tadellos und würdig ausgeführt.
Norbert Hofer habe das in ihn gesetzte Vertrauen gerechtfertigt, obwohl die SPÖ vieles von der FPÖ trenne,
zeigten sich auch Christian Kern und Andreas Schieder (beide SPÖ) zufrieden mit der bisherigen Arbeit des
Dritten Nationalratspräsidenten. Hofer habe in den letzten Jahren den Beweis erbracht, dass er in überparteilicher
Weise und unaufgeregt den Vorsitz führt, sagte Strache (FPÖ), er habe immer objektiv, mit Bedacht und
umsichtig agiert, ergänzte Kickl (FPÖ)
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Köstinger: Parlament nicht nur von außen, sondern auch von innen erneuern
Neue Nationalratspräsidentin will auf neue politische Kultur, Bürgereinbindung
und Transparenz setzen
"Ich werde mein Bestes dafür tun, eine Präsidentin für alle Abgeordneten dieses Hauses
zu sein", eröffnete Nationalratspräsidentin Elisabeth Köstinger ihre Antrittsrede im Parlament,
in der sie dazu aufrief, angesichts der laufenden Sanierung des historischen Parlamentsgebäudes das Parlament
nicht nur von außen zu verändern, sondern es auch von innen zu erneuern.
"So wie im alten Parlamentsgebäude Wände, Böden und Einrichtung erneuert werden, müssen
auch wir erneuern, wie wir miteinander umgehen, wie wir unsere politische Arbeit machen und wie wir vor allem auch
über diese politische Arbeit sprechen", sagte Köstinger. Es sei die Pflicht des Parlaments, einen
fairen und lebendigen Parlamentarismus zu leben. Ein wichtiger Teil ist für Köstinger dabei, eng mit
BürgerInnen in Kontakt zu sein und ihre Anliegen im Parlament zu vertreten. "Es wird unser gemeinsamer
Auftrag sein, die Bürgerinnen und Bürger bestmöglich einzubinden und eine politische Kultur zu leben,
die die Menschen wieder an die Politik glauben lässt", so die Nationalratspräsidentin.
Glühende Österreicherin und zugleich glühende Europäerin
Köstinger unterstrich in ihrer Antrittsrede außerdem ihre Arbeit im Europäischen Parlament. Sie
sei glühende Österreicherin und zugleich glühende Europäerin. Besonders ihre Erfahrung als
Europa-Abgeordnete will sie in ihre neue Funktion einbringen, wie Köstinger sagte. Neben dem respektvollen
Umgang miteinander über alle Parteigrenzen hinweg steht sie zudem für Transparenz in der politischen
Arbeit ein. Als besonderes Anliegen wertete die Nationalratspräsidentin, dass mit dem heutigen Tag mehr Frauen
im Hohen Haus vertreten sind als je zuvor.
Die Rede im Wortlaut (es gilt das gesprochene Wort):
Es ist mir eine große Ehre heute hier vor Ihnen, vor Euch stehen zu dürfen, als Präsidentin des
Nationalrats. Mit großer Demut und Dankbarkeit nehme ich die Wahl an und werde mein Bestes dafür tun,
eine Präsidentin für alle Abgeordneten dieses Hauses zu sein.
Ich habe die vergangenen acht Jahre mit großer Leidenschaft für die Anliegen der Österreicherinnen
und Österreicher im Europäischen Parlament gekämpft. Ich bin glühende Österreicherin und
zugleich glühende Europäerin. Ich habe mich immer verstanden als eine Verbinderin der Interessen innerhalb
unserer Fraktion aber auch innerhalb von Europa.
Und diese Erfahrung als Europa-Abgeordnete und als Verbinderin zwischen unterschiedlichen Meinungen möchte
ich besonders in die Arbeit in meiner neuen Funktion einbringen.
Ich habe mich schon immer für eine politische Kultur eingesetzt, die das Gemeinsame vor das Trennende stellt,
eine Kultur, in der wir ein positives politisches Miteinander prägen und uns gegenseitig mit Respekt begegnen.
Es ist mir eine große Ehre, dass ich in meinem neuen Amt nach Barbara Prammer und Doris Bures zwei starken
Frauen folgen darf, die diese Funktion die letzten Jahre hinweg geprägt haben.
Wir versammeln uns heute hier in der Hofburg, weil wir vor Kurzem damit begonnen haben, unser eigentliches Parlamentsgebäude
zu erneuern. Ich möchte Sie alle heute dazu einladen, dass wir in den nächsten Jahren die Chance nützen,
nicht nur dem Parlament eine neue Hülle zu geben, sondern es auch von innen her zu erneuern.
Es ist unsere gemeinsame Chance, die Dinge anders zu machen, und eine neue politische Kultur zu leben. So wie im
alten Parlamentsgebäude Wände, Böden und Einrichtung erneuert werden, müssen auch wir erneuern,
wie wir miteinander umgehen, wie wir unsere politische Arbeit machen und wie wir vor allem auch über diese
politische Arbeit sprechen.
Wenn wir etwas Neues machen wollen, können wir dabei auf einem wertvollen Fundament aufbauen. In dieser Legislaturperiode
feiern wir den 100. Geburtstag unserer Republik den 100. Geburtstag der österreichischen Demokratie.
Wir dürfen nie vergessen: die Generationen vor uns haben viele Opfer gebracht, damit wir heute hier sitzen
können. Wir dürfen auch nie vergessen, dass unzählige Menschen ihr Leben lassen mussten oder im
Gefängnis waren, weil sie den Traum von Freiheit und Demokratie träumten.
Gerade heute, am Jahrestag der Reichsprogromnacht sind wir all jenen verpflichtet, die ihr Leben eingesetzt haben
für unsere Demokratie und unsere Freiheit. Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass es keine
Selbstverständlichkeit ist, hier als frei gewählte Vertreter des Volkes die Richtungsentscheidungen für
Österreich treffen zu dürfen.
Es ist unsere Pflicht, einen fairen und lebendigen Parlamentarismus zu leben, wo alle Stimmen Gehör finden
und alle Meinungen zählen. Und wenn ich hier so ins Plenum schaue, dann weiß ich auch, dass wir in den
nächsten Jahren viele Meinungen hören und lebendige Diskussionen führen werden.
Ich sehe viele leidenschaftliche Abgeordnete, Politiker, die ehrliche Überzeugungen haben ganz egal zu welcher
Partei sie gehören. Ich sehe aber vor allem viele junge Gesichter und, was mir ein besonderes Anliegen ist,
mehr Frauen im Hohen Haus als je zuvor.
Es sind aber nicht nur die Abgeordneten, sondern viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hier tagein, tagaus
Großartiges schaffen und ich habe tiefsten Respekt vor der Arbeit, die hier jeden Tag geleistet wird. Ein
herzliches Danke!
Als Abgeordnete ist es aber nicht nur unsere Aufgabe, die großen Richtungsentscheidungen für unser Land
zu treffen, sondern auch eng mit den Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt zu sein.
Viele von Ihnen hier sind tief verwurzelt in ihren Regionen und haben eine intensive Beziehung zu den Menschen,
für die Sie hier im Nationalrat sitzen.
Und das ist ein ganz wichtiger Teil unserer Arbeit hier: unseren Wählerinnen und Wähler gut zu zuhören,
ihre Anliegen hier zu vertreten, und ihnen auch gleichzeitig Rede und Antwort zu stehen, für unsere Arbeit
im Parlament. So wie Sie alle, war auch ich in den letzten Monaten viel in Österreich unterwegs und hab den
Menschen zugehört, was ihnen wichtig ist. Und eine Botschaft, habe ich da immer und immer wieder gehört:
Hört auf zu streiten und arbeitet lieber für uns.
Und das ist auch der Auftrag, den wir im Hohen Haus zu erfüllen haben. Wir haben in den kommenden Jahren die
Chance, unser Parlament nicht nur von außen, sondern auch von innen zu erneuern.
Ich möchte daher heute einen Appell an Sie richten: einen Appell für eine gute Zusammenarbeit, einen
Appell für einen respektvollen Umgang miteinander und einen Appell für eine leidenschaftliche Auseinandersetzung
bei der es aber immer um die Sache geht.
Es liegt an uns eine neue politische Kultur zu leben. Wir haben es in der Hand, ob wir uns weiterhin gegenseitig
mit negativen Kommentaren und manchmal sogar beleidigenden Bemerkungen eindecken, oder ob wir uns auch einmal dazu
durchringen, etwas Positives über die anderen zu sagen.
Jeder einzelne von uns hat das in der Hand, an jedem Tag, bei jedem Gespräch, in jeder einzelnen Wortmeldung
hier im Hohen Haus. Und neben dem respektvollen Umgang miteinander, ist mir die Transparenz in der politischen
Arbeit ein großes Anliegen. Meine Aufgabe als Nationalratspräsidentin wird es sein, sicherzustellen,
dass diese Transparenz auch möglich ist.
Ich kann Ihnen versichern, mein Bestes dafür zu geben, dass jede und jeder Einzelne von Ihnen seine Arbeit
als Abgeordneter bestmöglich erfüllen kann. Und es wird unser gemeinsamer Auftrag sein die Bürgerinnen
und Bürger bestmöglich einzubinden und eine politische Kultur zu leben, die die Menschen wieder an die
Politik glauben lässt.
Aber jeder, der schon einmal ein Haus gebaut hat, der weiß: Ein Haus baut man nicht an einem Tag und man
baut es vor allem auch nicht allein. Und so wie unser Parlamentsgebäude nicht in einem Tag renoviert wird,
wird auch unser Parlamentarismus sich nicht von heute auf morgen erneuern.
Ich kann Ihnen von meiner Seite versprechen, dass ich über die Parteigrenzen hinweg arbeiten werde und alle
dazu einlade mitzuwirken.
Damit am Ende dieser Legislaturperiode wir nicht nur in einem sanierten Parlamentsgebäude sitzen sondern auch
eine neue politische Kultur leben.
Bauen wir gemeinsam auf dieses Österreich.
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Bures: Das Parlament kann auch ein Haus der Gemeinsamkeit sein
Scheidende Nationalratspräsidentin zieht Bilanz über ihre Tätigkeit
Die nunmehr Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures zog dann Bilanz über ihre Tätigkeit
der letzten drei Jahre an der Spitze des Hauses. Bures zeigte sich zuversichtlich, was die Zukunft des Parlaments
anbelangt, denn sie habe es diskussionsfreudig und dialogfähig kennengelernt, fähig zur Auseinandersetzung
und zur Lösung, "das Parlament kann auch ein Haus der Gemeinsamkeit sein", so Bures. Im Hohen Haus
würden viele unterschiedliche Meinungen und Interessen formuliert, ihr Ziel sei es gewesen und bleibe es,
im Einvernehmen oder im breiteren Konsens zu einem möglichst guten Ergebnis zu kommen.
Ein besonderes Anliegen sei es ihr gewesen, die Tore des Hohen Hauses für möglichst viele zu öffnen.
In diesem Zusammenhang erinnerte Bures daran, dass man mit der österreichischen Armutskonferenz zum "Parlament
der Ausgegrenzten" eingeladen und einstimmig ehemaligen Heimkindern, die Gewalt und Missbrauch erlebt haben,
eine Opferrente zuerkannt habe. Im Staatsakt "Geste der Verantwortung" habe das offizielle Österreich
und die Kirche die Betroffenen nach Jahren des Wegschauens und Ignorierens um Entschuldigung gebeten. Man habe
auch jene gehört, die als letzte Zeugen über die Gräueltaten des Nationalsozialismus zu berichten
haben.
Bures erinnerte an die weitere Öffnung des Bildungsangebots für SchülerInnen nun auch für Lehrlinge
und zeigte sich noch immer beeindruckt vom außerordentlichen Kunstprojekt anlässlich des letzten Tags
der offenen Tür im historischen Parlamentsgebäude, bei dem sich KünstlerInnen Gedanken über
die Demokratie gemacht haben.
Mit der "Technikfolgenabschätzung" habe man gemeinsam mit der Akademie der Wissenschaften und dem
Austrian Institute of Technology ein wichtiges Projekt ins Leben gerufen. Erstmals erhalten damit Abgeordnete einen
systematischen Überblick über wissenschaftliche Entwicklungen, sagte Bures.
Eine besondere und wichtige Aufgabe sei es auch gewesen, für 202 Tage die Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten
zu führen, resümierte Bures über Ihre Zeit als Nationalratspräsidentin. Ebenso ging sie auf
die Herausforderungen in Bezug auf die Sanierung des Parlamentsgebäudes ein.
Die Rede von NR-Präsidentin Bures im Wortlaut (es gilt das gesprochene Wort):
Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin!
Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Wahl und wünsche Ihnen für ihre neue Aufgabe alles Gute.
Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Meine sehr geehrte Damen und Herren!
So wie Sie, Frau Präsidentin, in Kürze, habe ich vor drei Jahren meine Antrittsrede gehalten. Damals
habe ich gesagt: "Jeder Mensch prägt ein Amt auf seine ganz persönliche Art und Weise. Und das Amt
prägt unweigerlich den Menschen, der es inne hat."
Heute bin ich im Rückblick selbst ein bisschen überrascht, wie sehr diese Worte auf mich zugetroffen
haben. Wie sehr mich das Amt geprägt und auch verändert hat. Und heute will ich Ihnen, sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete, auch sagen, dass ich dankbar bin, dass mir dieses Amt drei Jahre lang anvertraut war.
Ich durfte in meiner politischen Laufbahn ganz unterschiedliche Funktionen ausüben, mit unterschiedlichen
Aufgaben. Als Nationalratsabgeordnete und als Ministerin habe ich Interessen vertreten, Konflikte ausgetragen,
hart um Mehrheiten gerungen und konkrete Projekte realisiert. Ja, ich habe mitunter sehr hart gekämpft, wenn
es etwa darum gegangen ist, Gewaltschutzzentren finanziell abzusichern, Investitionen in die Infrastruktur auf
die Schiene zu bringen oder durch Forschungsprojekte den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken.
In einem Portrait hat man damals über mich geschrieben, ich habe nicht zwei Ellenbogen, sondern vier. Als
Nationalratspräsidentin zählte es hingegen zu meinen Aufgaben, die Rechte des Nationalrates zu wahren
und dafür zu sorgen, dass die ihm übertragenen Aufgaben erfüllt werden. Viele unterschiedliche Interessen
und Meinungen werden in diesem Haus formuliert. Das Ziel war und ist es, im Einvernehmen oder im breiten Konsens
zu einem möglichst guten Ergebnis zu kommen.
Der Grundstein für die Freude am politischen Gestalten, am Gemeinsamen, am Verantwortung übernehmen wurde
vielleicht schon in meiner Kindheit gelegt. Als Tochter einer alleinerziehenden Mutter mit fünf Geschwistern
war es selbstverständlich, dass ich mit 15 Jahren die Schule verlassen habe und arbeiten gegangen bin, um
zum Familieneinkommen beizutragen. Es war auch selbstverständlich, dass die Großen für die Kleinen
eingetreten sind, dass wir füreinander Verantwortung übernommen haben. Und es war mir schon sehr früh
klar, dass es das Gemeinsame braucht, weil man gemeinsam stärker ist als allein.
Dieser Gedanke lässt sich auch auf das große Ganze übertragen, wie es Heinrich Mann gesagt hat:
"Demokratie ist im Grunde die Anerkennung, dass wir alle füreinander verantwortlich sind."
Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, haben mit der heutigen Angelobung große Verantwortung
für unser Land übernommen. Für alle Menschen, auch für jene, die oft zu wenig im Zentrum der
politischen Aufmerksamkeit stehen.
Mir war es immer wichtig, die Tore des Hohen Hauses für möglichst viele zu öffnen. So haben wir
mit der österreichischen Armutskonferenz zum "Parlament der Ausgegrenzten" eingeladen. Dort haben
Menschen mit Behinderungen, psychischen Erkrankungen und Wohnungslose mit Abgeordneten auf Augenhöhe diskutiert.
Weil Armut allzu oft kein selbstverschuldetes Schicksal ist, sondern ein gesellschaftliches Problem.
Wir haben einstimmig beschlossen, ehemaligen Heimkindern, die Gewalt und Missbrauch erlebt haben, eine Opferrente
zuzuerkennen. Beim Staatsakt "Geste der Verantwortung" haben das offizielle Österreich und die Kirche
die Betroffenen nach Jahrzehnten des Ignorierens und Wegschauens um Entschuldigung gebeten. Diese Menschen kennen
das Parlament nun als den Ort, an dem ihr Leiden endlich offiziell anerkannt worden ist.
Wir haben in unserer Mitte auch jene gehört, die als letzte Zeugen über die Gräueltaten des Nationalsozialismus
berichtet haben. Ihnen Gehör zu verschaffen ist unsere Pflicht. Denn – so hat es der frühere deutsche
Bundespräsident Richard von Weizsäcker ausgedrückt: "Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt,
wird blind für die Gegenwart."
Gerade am heutigen Tag, an dem Tag, an dem sich die Novemberpogrome von 1938 jähren, ist es mir besonders
wichtig, den Überlebenden zu danken. Dafür, dass sie uns und unseren Kindern noch heute darüber
berichten! Sie ermahnen uns, eine starke und eine mutige Demokratie zu sein, die entschlossen gegen Rassismus,
Antisemitismus und Faschismus aufsteht.
Niemand wird als Demokrat geboren, junge Menschen müssen Demokratie und Parlamentarismus erlernen und erleben.
Deshalb ist unser Bildungsangebot für Schülerinnen und Schüler so wichtig! Und ich habe es auch
für Lehrlinge geöffnet.
Ich bin überzeugt, dass auch Kunst ein geeignetes Mittel ist, um mehr Bewusstsein für demokratische Prozesse
zu schaffen. Deshalb haben wir am letzten Tag der Offenen Tür im alten Parlamentsgebäude ein außergewöhnliches
Kunstprojekt initiiert. Österreichische Autoren, Musiker und Schauspieler wurden eingeladen, sich in aller
Freiheit Gedanken über den Zustand der Demokratie zu machen. Das geschah mitunter kritisch und schonungslos,
aber in jedem Fall unübersehbar: 15.000 Besucherinnen und Besucher, so viele wie niemals zuvor, haben an diesem
künstlerischen Diskurs teilgenommen.
Wir leben heute auch in einer Zeit des rasanten technologischen und wissenschaftlichen Wandels. Es ist oft sehr
schwierig, mit diesen Veränderungen Schritt zu halten und ihre Auswirkungen abzuschätzen.
Gemeinsam mit der "Akademie der Wissenschaften" und dem "Austrian Institute of Technology"
haben wir daher das Projekt "Technikfolgenabschätzung" ins Leben gerufen.
Sie als Abgeordnete erhalten damit erstmals einen systematischen Überblick über wissenschaftliche Entwicklungen
und können bei Bedarf Studien zu konkreten Themen anfordern.
Die Wissenschaft kann uns natürlich nicht die politische Entscheidungsfindung abnehmen. Sie kann uns aber
eine Orientierungshilfe für unser Handeln geben. Damit wir schon heute auf die Herausforderungen von morgen
reagieren können.
Wir haben in den vergangenen Jahren auch Aufgaben erfüllt, mit denen unser Parlament noch nie konfrontiert
war. Das Präsidium des Nationalrates hat erstmals den Vorsitz in zwei sehr arbeitsintensiven Untersuchungsausschüssen
geführt. Und es hat für 202 Tage die Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten übernommen. Ich
bedanke mich an dieser Stelle bei meinen Kollegen Karlheinz Kopf und Norbert Hofer für die gute und vertrauensvolle
Zusammenarbeit.
Erstmals in der Geschichte der Republik haben wir unseren historischen Platz am Ring verlassen. Wir haben eine
herausfordernde Übersiedlung in die Ausweichquartiere und hierher erfolgreich abgeschlossen.
Das alles zusätzlich zum parlamentarischen Tagesgeschäft: Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode
468 Gesetze beschlossen, die mit viel Vorarbeit in den parl. Ausschüssen verbunden waren. Rund 30% aller Beschlüsse
wurden sogar einstimmig gefällt.
Das alles wäre nicht möglich gewesen ohne die professionelle Arbeit und den tagtäglichen Einsatz
vieler Menschen.
Ich möchte an dieser Stelle ihnen persönlich für all diese großen Leistungen aber auch für
die vielen kleinen, oft übersehenen Beiträge, danken. Ich bedanke mich bei den Klubobleuten, allen Abgeordneten,
der Parlamentsdirektion und bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Hauses.
Wir haben vieles gemeinsam auf den Weg gebracht. Ja, das Parlament kann auch ein Haus der Gemeinsamkeit sein. Deshalb
bin ich zuversichtlich, was die Zukunft dieses Hauses anbelangt. Ich habe es als diskussionsfreudig und dialogfähig
kennengelernt – fähig zur Auseinandersetzung und fähig zur Lösung.
An der Spitze dieses Hauses stehen nun Sie, Frau Präsidentin. Ich gehe davon aus, auch Sie werden Ihre Akzente
setzen und auch Sie wird dieses Amt prägen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete!
Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain hat vor über 100 Jahren, am Ende des 19. Jahrhunderts, unseren
Kontinent bereist. Er hat dabei auch Reportagen aus dem Reichsrat in Wien geschrieben.
Da heißt es über den damaligen Parlamentsbetrieb: "Während andere gesetzgebende Körperschaften
vor allem mit dem Kopf arbeiten, tut es die österreichische vor allem mit dem Herzen."
Ich denke: es braucht unbedingt beides. Ein starker Parlamentarismus braucht scharfen Verstand. Aber auch Herz
– im Sinne von Leidenschaft und Engagement für die Menschen in unserem Land.
Ich wünsche Ihnen und diesem Haus alles erdenklich Gute!
Es lebe die Republik Österreich!
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Nationalrat wählt SchriftführerInnen und OrdnerInnen
Hauptausschuss, Unvereinbarkeits-, Immunitäts- und Budgetausschuss treten zusammen
Der Nationalrat hat auch das neue Präsidium gewählt. Im Anschluss daran wurde auch die Wahl von
SchriftführerInnen und OrdnerInnen durchgeführt. Nach der konstituierende Sitzung des Nationalrats traten
auch der Hauptausschuss sowie der Unvereinbarkeits-, Immunitäts- und Budgetausschuss – zusammen, um sich zu
konstituieren und ebenfalls SchriftführerInnen und OrdnerInnen festzulegen.
Einigkeit zu SchriftführerInnen und OrdnerInnen im Nationalrat
Zur Wahl der SchriftführerInnen und OrdnerInnen des Nationalrats für die aktuelle Gesetzgebungsperiode
lag ein Wahlvorschlag vor, der einstimmig angenommen wurde. Wie bereits in der vergangenen Legislaturperiode dient
Hermann Gahr von der ÖVP als Schriftführer, ebenso werden Fraktionskollegin Michaela Steinacker, die
SPÖ-Abgeordneten Angela Lueger und Erwin Preiner sowie Wolfgang Zanger von der FPÖ als SchriftführerInnen
fungieren. Als OrdnerInnen wurden Johann Singer (ÖVP), Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ), Axel Kassegger
(FPÖ), Gerald Loacker (NEOS) und Wolfgang Zinggl (PILZ) bestellt.
Wahl des Hauptausschusses und der ständigen Ausschüsse
Der Hauptausschuss wird sich künftig aus 21 Mitgliedern zusammensetzen, so der Beschluss des Nationalrats.
Das ist die Mindestgröße bei der aktuellen Mandatsverteilung, berechnet nach dem d'Hondtschen-Verfahren,
um alle Klubs in alle Ausschüssen zu integrieren. Die ÖVP wird demnach sieben, SPÖ und FPÖ
je sechs, NEOS und Liste Pilz je einen Abgeordneten stellen. Ebenso 21 Mitglieder werden Budgetausschuss, Unvereinbarkeitsausschuss
und Immunitätsausschuss haben.
Im Anschluss an die konstituierende Sitzung des Nationalrats traten die Ausschüsse zusammen. Der Hauptausschuss
und die drei ständigen Ausschüsse für Budget, Unvereinbarkeit und Immunität konstituierten
sich, ebenso die jeweiligen Unterausschüsse. Die Mitglieder wurden im Unterschied zu den NationalratspräsidentInnen
mittels Wahlvorschlag gewählt und die Abgeordneten stimmten jeweils einstimmig für die im Vorschlag genannten
Personen.
Traditionell stellen auch diesmal die NationalratspräsidentInnen den Vorsitz des Hauptausschusses. Demnach
ist Elisabeth Köstinger Ausschussobfrau, Doris Bures und Norbert Hofer fungieren als ihre StellvertreterInnen.
Den EU-Unterausschuss leitet in Zukunft Reinhold Lopatka (ÖVP).
Den Unvereinbarkeitsausschuss wird Harald Stefan von der FPÖ leiten. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ) sitzt
künftig dem Immunitätsausschuss vor. Der Budgetausschuss hat die die ÖVP-Mandatarin Angelika Winzig
zur Ausschussobfrau gewählt.
Mitgliederlisten finden Sie auf der Website des Parlaments unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/AUS/
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Allgemeine Informationen:
https://www.parlament.gv.at
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