Kakadus benutzen Formen als Werkzeug
Wien (universtität) - Indonesische Goffin-Kakadus benutzen in der freien Natur keine Werkzeuge, in
Experimenten setzen diese sehr wohl welche ein. KognitionsbiologInnen der Universität Wien sowie der Veterinärmedizinischen
Universität Wien um Cornelia Habl und Alice Auersperg testeten die Fähigkeit dieser Vögel, Formen
als Werkzeuge zu verwenden und in Relation zu einer Oberfläche zu bewegen. Die Tiere mussten den korrekten
"Schlüssel" zu einem "Schlüsselloch" in einer Box auswählen und diesen so ausrichten,
dass er durch die Öffnung passt und sie damit an eine Nuss kommen. Die Papageien konnten nicht nur den richtigen
"Schlüssel" auswählen, interessanterweise brauchten die Vögel für diese Aufgabe auch
weniger Platzierungsversuche als Primaten in einer ähnlichen Studie.
Ein Objekt in einen passenden Rahmen einzuführen, wie etwa einen Schlüssel in ein Schlüsselloch,
oder das Ende eines Schraubenziehers in eine Schraube, ist eine vielfach ausgeführte Handlung im Alltag. Diese
Fähigkeiten entwickeln sich bereits in den ersten Jahren unseres Lebens. In spielerischen Versuchen mit einem
Briefkasten und einem Münzautomaten können erst Kleinkinder über zwei Jahren die Briefe und Münzen
richtig orientieren, um sie einzuwerfen. Kinder beginnen in diesem Alter nicht nur ihren eigenen Körper, sondern
auch Punkte in der Umwelt zur Orientierung zu verwenden, wenn sie Objekte im Raum bewegen. Diese Art von Bezugsrahmen
nennt man allozentrisch, und die Fähigkeit diesen auch anzuwenden gilt als Voraussetzung für die Entwicklung
des Werkzeuggebrauchs (wie etwa Löffel, Rechen) bei Kleinkindern.
Weitere wichtige Aspekte dabei sind Geometrie und Symmetrie. Eine Kugel in ein Loch zu stecken, erfordert keine
besondere Ausrichtung, eine asymmetrische Form jedoch hat nur eine mögliche Orientierung, um in den Rahmen
zu passen. Dementsprechend können Kinder schon mit einem Jahr eine Kugel in ein passendes Loch stecken, brauchen
jedoch ein weiteres Jahr um auch einen Würfel richtig zu orientieren und einwerfen zu können. Drei- oder
vierjährige Kinder hingegen vergleichen die Formen mit den Rahmen zuerst visuell und halten sie darüber,
bevor sie versuchen sie hindurchzuführen. Solche Fähigkeiten zur visuellen Anpassung scheinen bei höheren
Primaten wie Kapuziner- und Menschenaffen nicht vorhanden zu sein. Trotz ihrer bemerkenswerten Geschicklichkeit
bei anderen Aufgaben können sie nur einfache Formen in entsprechende Rahmen passen und benötigen dabei
viele Anläufe.
Das Experiment
"Wir haben eine Box mit einer austauschbaren, transparenten Vorderseite mit einem spezifisch geformten
Loch in der Mitte verwendet. Wenn ein Vogel das passende Objekt durch das Loch geworfen hat, ist eine Plattform
heruntergeklappt und hat eine Nuss freigegeben", erklärt Cornelia Habl die Versuchsanordnung des Experiments
im Goffin-Lab. "Die Vögel haben schon nach kurzer Zeit und ohne Training das korrekte Objekt aus bis
zu fünf verschiedenen Formen ausgewählt. Sie brauchten weniger Anläufe als Primaten, um einfache
Gegenstände wie Kugeln, Würfel und Dreiecke einzupassen".
Bei komplexer geformten "Schlüsseln" fanden die Vögel jedoch einfachere Wege, um an die Nuss
zu kommen: Sie drehten die "Schlüssel" so, dass sie nicht deckungsgleich in das "Schlüsselloch"
passten, sondern individuell um verschiedene Achsen, damit Vorsprünge der Formen beim Hineinwerfen vermieden
wurden. Sie bewegten etwa ein kreuzförmiges Objekt um 90 Grad, damit nur noch zwei statt vier Vorsprüngen
gleichzeitig durch das Loch gesteckt werden mussten, oder ein L-förmiges mit einem Vorsprung voran.
"Wir konnten zeigen, dass Goffin-Kakadus tatsächlich einen allozentrischen Bezugsrahmen verwenden, wenn
sie Objekte im Raum bewegen, ganz so wie zweijährige Kinder", sagt Alice Auersperg, die Leiterin des
Goffin-Labs: "Unsere Resultate beweisen auch, dass nicht nur Tiere mit handähnlichen Extremitäten
Formen in Rahmen einpassen können. Vögel verlassen sich dabei eher auf ihren Sehsinn als Primaten".
In weiteren Studien wollen sich die ForscherInnen mit Details dieser Form-Rahmen-Passfähigkeiten beschäftigen,
etwa mit den genauen Schnabel-Zungen-Interaktionen am Objekt vor und während des Einwerfens, damit sie die
Rolle des Sehens beim Objekt-Platzieren untersuchen können.
Publikation in "Plos One"
The keybox: Shape-frame fitting during tool use in Goffin’s cockatoos
(Cacatua goffiniana): Cornelia Habl, Alice Auersperg. Plos ONE, 2017.
DOI 10.1371/journal.pone.0186859
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