Österreich hat starken, modernen und lebendigen Parlamentarismus – das stimmt zuversichtlich
– U-Ausschüsse, Sedisvakanz, Staatsakt und Übersiedelung als parlamentarische Meilensteine in Amtszeit
von Bures
Wien (pk) - Nationalratspräsidentin Doris Bures zieht anlässlich der zu Ende gehenden XXV. Gesetzgebungsperiode
(GP) Bilanz über ihre Zeit an der Spitze des Nationalrates: "Ich habe das Amt der Nationalratspräsidentin
drei Jahre lang mit sehr viel Freude und größter Leidenschaft ausgeübt. Von allen politischen Funktionen,
die ich in meiner Laufbahn inne gehabt habe, bin ich für diese ehrenvolle Aufgabe im Parlament ganz besonders
dankbar", so Bures. Die XXV. GP sei "eine ganz außergewöhnliche GP gewesen, in der das Hohe
Haus neben der erfolgreichen Bewältigung seiner Hauptaufgaben Gesetzgebung und Kontrolle auch eine ganze Reihe
von unvorhersehbaren Herausforderungen gemeistert" habe. In der XXV. GP waren überdies zum ersten Mal
in der Republiksgeschichte sechs gewählte Fraktionen im Parlament vertreten.
Doris Bures ist am 2. September 2014 mit 78 Prozent der Stimmen zur Präsidentin des österreichischen
Nationalrates gewählt worden. Ihre Wahl in der laufenden GP wurde nach dem Ableben von Nationalratspräsidentin
Barbara Prammer im Amt notwendig. Bures wird morgen, Donnerstag, in der konstituierenden Sitzung der XXVI. GP für
das Amt der II. Nationalratspräsidentin kandidieren.
U-Ausschuss, Staatsakt, Übersiedelung
In ihre Amtszeit als Nationalratspräsidentin fielen parlamentarische Meilensteine wie die Übersiedelung
des Parlaments ins Ausweichquartier und der Auftakt zur Parlamentsgebäudesanierung; der Beschluss einer Verfahrensordnung
für U-Ausschüsse mit starken Minderheitsrechten sowie die darauf basierenden U-Ausschüsse zur Hypo
Alpe Adria Bank und zur Causa Eurofighter; und die Abhaltung eines Staatsaktes, bei dem das offizielle Österreich
und die Kirche nach jahrzehntelangem Ignorieren und Wegschauen ehemalige Heimkinder, die in der Zweiten Republik
Gewalt und Missbrauch erlebt hatten, um Verzeihung gebeten haben.
202 Tage ohne Bundespräsident
Gleichfalls ein bestimmendes Element von Bures' Zeit an der Spitze des Nationalrats waren die 202 Tage Sedisvakanz,
während der das Präsidium des Nationalrates nach einer vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Bundespräsidentschaftswahl
die Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten zu übernehmen hatte.
Die Amtszeit von Bures war gleichfalls geprägt von Gesetzesbeschlüssen, die den Menschen in Österreich
konkrete Verbesserungen gebracht haben: wie etwa die Steuerreform, die Erhöhung der Studienbeihilfe, neue
Regelungen für Privatkonkurs und Sachwalterschaft oder die Abschaffung des Pflegeregresses. "Insgesamt
wurden in der vergangenen GP 468 Gesetze beschlossen, die mit viel Vorarbeit in den Ausschüssen verbunden
waren. Positiv hervorheben möchte ich, dass rund 30 Prozent aller Beschlüsse einstimmig gefällt
wurden – darunter etwa wichtige Beschlüsse wie die Novellierung des Nationalfonds- und Zukunftsfondsgesetzes
oder die Zuerkennung einer Heimopferrente", so die Nationalratspräsidentin.
Der Nationalrat ist in der XXV. GP zu 199 Sitzungen zusammengetreten (22 davon waren Sondersitzungen), die zusammen
insgesamt 1123 Stunden dauerten. Hinzu kommen 626 Ausschusssitzungen. Eingegangen sind außerdem 14.135 schriftliche
Anfragen von Abgeordneten.
Öffnung des Hauses und Brücken in die Gesellschaft
Ein ganz besonderes Anliegen war Nationalratspräsidentin Bures die Öffnung des Parlaments für
Menschen, die oft zu wenig im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit stehen. "Mir war es immer ganz besonders
wichtig, die Tore des Hohen Haus für möglichst viele Menschen zu öffnen und möglichst viele
Brücken in die Gesellschaft zu bauen", so Bures.
Anlässlich des Staatsaktes "Geste der Verantwortung" wurden etwa 300 ehemalige Heimkinder in den
Historischen Sitzungssaal geladen. Die Nationalratspräsidentin lud auch zum "Parlament der Ausgegrenzten",
wo Menschen mit Behinderungen, psychischen Erkrankungen und Wohnungslose mit Abgeordneten auf Augenhöhe diskutierten.
Und bei Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Nationalsozialismus berichteten ZeitzeugInnen im Hohen Haus
über die NS-Gräueltaten und erinnerten so bewegend wie eindringlich an die Notwendigkeit, den Kampf gegen
das Vergessen lebendig zu halten.
Kunst im Parlament bringt BesucherInnenrekord
Ins Hohe Haus wurden am letzten Tag der offenen Tür im historischen Parlamentsgebäude aber auch KünstlerInnen
geladen; österreichische AutorInnen, MusikerInnen und SchauspielerInnen machten sich dabei im Rahmen des Kunstprojekts
"Im Herzen der Demokratie" in aller Freiheit Gedanken über den Zustand unserer Demokratie und unseres
Parlamentarismus – und zogen mit ihren Auftritten mehr als 15.000 BesucherInnen an, mehr als je zuvor bei einem
Tag der offenen Tür.
Das parlamentarische Angebot an SchülerInnen, Demokratie und Parlamentarismus spielerisch zu erlernen und
erleben, wurde unter Bures auch für Lehrlinge geöffnet; mit Lehrlingsführungen, einem Lehrlingsforum
und einem Lehrlingsparlament. Überdies wurde das Projekt "Demokratie in Bewegung" gestartet, in
dessen Rahmen das Parlament seit heuer Workshops direkt in Schulklassen anbietet, um Wahlrecht, Gewaltenteilung,
Gesetzgebung sowie Nutzen der Demokratie an den Schulstandorten zu vermitteln. "Das Bildungsangebot an junge
Menschen war mir als Nationalratspräsidentin immer ganz besonders wichtig, weil dort die Regeln vermittelt
werden, die unsere Demokratie zusammenhalten. In der vergangenen GP haben 230.397 Lehrlinge, Schülerinnen
und Schüler das Demokratievermittlungsangebot des Parlamentes genutzt. Dass unser Angebot so starken Zuspruch
findet, freut mich sehr", so Bures.
Das Parlament am Puls der Zeit
Neben den Kontakten zu jungen Menschen wurde mit dem Projekt "Foresight und Technikfolgenabschätzung"
auch die Beziehung zur Wissenschaft vertieft und ausgebaut. In einer Zeit des rasanten technologischen und wissenschaftlichen
Wandels erhält das Parlament seit heuer von der Akademie der Wissenschaften und dem "Austrian Institute
of Technology" einen systematischen Überblick über wissenschaftliche Entwicklungen und Abgeordnete
können bei Bedarf Studien zu konkreten Themen anfordern. "Mit diesem Projekt bekommt das Parlament ein
Werkzeug in Form von wissenschaftlicher Unterstützung in die Hand, das die Entscheidungsfindung optimiert
und die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Hohem Haus weiter vertieft. Dadurch fließen in die Arbeit
der Abgeordneten regelmäßig neueste wissenschaftliche Erkenntnisse ein", so Bures. Damit wurden
auch die Schritte zu besseren unmittelbaren Informationen für die Abgeordneten, die mit der Einrichtung des
Budgetdienstes begonnen haben, fortgesetzt.
Mehr Mitbestimmung nach Demokratie-Enquete-Kommission
Zu mehr Mitbestimmung und Transparenz im Parlament führte indes das "Erweiterte Begutachtungsverfahren",
mit dem BürgerInnen neue Möglichkeiten haben, sich bei der Entstehung von Gesetzen einzubringen. So können
sie auf der Parlamentshomepage Gesetzesentwürfe beurteilen, indem sie Stellungnahmen abgeben und diese dann
auch bewerten. Dies war eine der Empfehlungen der parlamentarischen Enquete-Kommission zur "Stärkung
der Demokratie in Österreich", die knapp ein Jahr lang tagte und in der die Nationalratspräsidentin
den Vorsitz hatte.
Ban Ki-moon in Wien, Bures bei Guterres in New York
Mit dem 2015 beschlossenen Rederecht für Europaabgeordnete und für herausragende Persönlichkeiten
der internationalen Politik hat sich das Parlament auch noch stärker in Richtung Europa und der Welt geöffnet.
Zur Premiere sprach der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon am 28. April 2016 im Nationalratssitzungssaal,
wo er Österreich als "ein unverzichtbares Mitglied der Weltgemeinschaft" bezeichnete. Im vergangenen
Juli besuchte Bures dann Ban Ki-moons Nachfolger, UN-Generalsekretär Antonio Guterres, in New York, wo die
Nationalratspräsidentin unter anderem für den UN-Standort Wien warb.
Starkes Parlament für eine starke EU
Weitere außenpolitische Höhepunkte von Bures' Amtszeit waren etwa ihre Teilnahmen an der EU-ParlamentspräsidentInnenkonferenz
in Rom anlässlich "60 Jahre Römische Verträge" und an der EU-ParlamentspräsidentInnenkonferenz
in Bratislava, wo sie anlässlich der kommenden EU-Ratspräsidentschaft Österreichs im Halbjahr 2018
ein Kooperationsübereinkommen mit den Parlamentspräsidenten von Estland, Eiki Nestor, und Bulgarien,
Dimitar Glavchev, unterzeichnete. "Die nationalen Parlamente und ihre Einbindung in politische Prozesse auf
EU-Ebene garantieren die demokratische Legitimität der Entscheidungsfindung", so Bures. Nur wenn die
Bürgerinnen und Bürger Europas die politischen Entscheidungen der Union mittrügen, könnten
die aktuellen Herausforderungen in der EU positiv bewältigt werden.
Abschließend bedankte sich die Nationalratspräsidentin noch bei allen, die sie in ihrer Amtszeit begleitet
und unterstützt haben: "Ohne die hervorragende und äußerst wertvolle Arbeit in der Parlamentsdirektion,
in allen Klubs, aber natürlich auch im diplomatischen Dienst und den Auslandsvertretungen hätte ich meine
Aufgaben als Nationalratspräsidentin nicht erfüllen können. Für diese Unterstützung bin
ich äußerst dankbar. Für die sehr gute Zusammenarbeit möchte ich mich auch bei meinen Kollegen
im NR-Präsidium und den Mitgliedern der Präsidialkonferenz bedanken. Österreich hat einen starken,
modernen und lebendigen Parlamentarismus und das stimmt mich für die Zukunft unseres Landes sehr zuversichtlich."
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