Initiative „Gutes Gewissen – Guter Geschmack“: Fachtagung im Donauspital und Showkochen im
Seniorenwohnhaus Tamariske
Wien (rk) - Die Stadt Wien stellt täglich 100.000 Mahlzeiten bereit – sei es in Kantinen, Schulen,
Kindergärten, Spitälern oder SeniorInnenwohnhäusern. Bei einer derartigen Menge kann mit der richtigen
Auswahl der Zutaten vieles zum Besseren bewegt werden: Wenn Lebensmittel gekauft werden, die unter möglichst
geringen Umweltbelastungen, unter hohen Sozialstandards, aber auch unter Vermeidung von Tierleid hergestellt wurden.
Die Initiative „Gutes Gewissen – Guter Geschmack“ lud daher zu einer Fachtagung im Donauspital und einem Showkochen
mit Produktpräsentation im Haus Tamariske des Kuratoriums Wiener Pensionisten-Wohnhäuser. Beide Veranstaltungen
standen unter dem Motto: Wie kann vor allem in Großküchen das Bewusstsein für einen derart umfassend
nachhaltigen Einkauf geschärft werden und welche Vorbilder gibt es dafür bereits?
Kennzeichnungspflicht – Auszeichnungen - Forderungskatalog
„Gutes Gewissen – Guter Geschmack“ wurde von der Wiener Umweltschutzabteilung – MA 22 und der Tierschutzombudsstelle
Wien (TOW) ins Leben gerufen und wird seit heuer auch vom Ökosozialen Forum Wien unterstützt. Im dritten
Jahr ihres Bestehens konnte die Initiative bereits konkrete Erfolge erzielen: So wird beispielsweise gemeinsam
mit der Landwirtschaftskammer an einer Kennzeichnungspflicht für sogenannte „versteckte Eier“ gearbeitet.
Das sind Eier, die etwa in bereits fertig produzierten Kuchen oder Aufstrichen enthalten sind und deren Herkunft
– anders wie bei Schaleneiern – derzeit nicht deklariert werden muss. Diese „versteckten Eier“ können daher
auch aus dem EU-Ausland stammen, wo sie teilweise unter desaströsen Bedingungen für Umwelt und Tiere
hergestellt werden.
„Im Rahmen unseres Programms ÖkoBusiness Wien bereiten wir überdies eine Auszeichnung für Gastronomie-
und Hotelerie-Betriebe vor, die umfassend nachhaltig für Umwelt und Tierwohl arbeiten“, ergänzt Karin
Büchl-Krammerstätter, Leiterin der Wiener Umweltschutzabteilung – MA 22. Eva Maria Persy, Leiterin der
Tierschutzombudsstelle Wien, verweist auf einen Forderungskatalog an die künftige Bundesregierung, der gemeinsam
mit allen namhaften Tierschutzorganisationen erarbeitet wurde: „Darin sind auch die wichtigsten Anliegen unserer
Initiative enthalten – wie ein Verbot von tierquälerischen Praktiken wie die Ferkelkastration ohne Betäubung.“
Auch wird der Einsatz von tierfreundlich erzeugten Produkten in öffentlichen Einrichtungen gefordert – nach
dem Vorbild des von der MA 22 geleiteten Programmes ÖkoKauf Wien.
Fachtagung „Gemeinschaftsverpflegung: richtig – gut – günstig“
Wissensaustausch, die Präsentation vorbildlicher Groß- und Gemeinschaftsküchen und die Vernetzung
wichtiger Akteure war das Anliegen der Fachtagung „Gemeinschaftsverpflegung: richtig – gut – günstig“ im Wiener
Donauspital – SMZ Ost. Zunächst wurde das Thema in drei Expertenvorträgen aufgearbeitet: Professor Hans-Peter
Hutter, Oberarzt am Department für Umwelthygiene und Umweltmedizin an der MedUni Wien erläuterte die
gesundheitlichen Aspekte des Fleischkonsums. Demnach könne laut einer Studie durch eine Fleischreduktion im
Lebensmittelmix die Gefahr vorzeitiger Sterbefälle um vier bis elf Prozent reduziert werden. Auch die CO2-Belastung
durch die Produktion unserer Lebensmittel kann durch Fleischreduktion um rund ein Viertel gesenkt werden.
Tierarzt und Lebensmittelwissenschafter Professor Rudolf Winkelmayer widmete sich den ethischen Aspekten des Fleischkonsums.
„Niemand würden seinen Hund so behandeln, wie Schweine gehalten werden“, gab Winkelmayer ein Beispiel. Auch
er empfiehlt zumindest eine deutliche Fleischreduktion – „wir sollten Reduktarier werden“ – und „so Bio wie möglich“
zu konsumieren.
Siegrid Stagl, Professorin für ökologische Wirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien betonte
in ihrem Referat, dass es bei einem entsprechend politischen Willen „mittelfristig keine ökonomischen Zwänge“
gebe. „Märkte sind sozial und kulturell geprägt, sie funktionieren nicht nach physikalischen Gesetzen.“
Marktregeln können daher sehr wohl im Sinne einer sozial-ökologischen Transformation geändert werden.
Lebensmittel als Hebel für den Klimaschutz
Josef Taucher, Generalsekretär des Ökosozialen Forums Wien, betont in diesem Zusammenhang, dass Lebensmittel
ein zentraler Hebel für die Umwelt- und Klimaschutzpolitik seien: Die Wahl der Lebensmittel hat direkte Auswirkungen
auf den Land- und Bodenverbrauch, den Wasserverbrauch, dem Einsatz von Pestiziden und Fungiziden und nicht zuletzt
auf das Transportwesen. „Für ein Kilo Fleisch werden 4 bis 25 Kilo Getreide benötigt. Hier liegt ein
großes Potenzial, Ressourcen einzusparen: Würden die Erträge nicht an Nutztiere verfüttert,
könnten 3,5 Milliarden Menschen zusätzlich ernährt werden“, betont Josef Taucher.
Vorbildliche Beispiele
In einem Podiumsgespräch wurden anschließend bei der Fachtagung im Donauspital Betriebe und Einrichtungen
präsentiert, die bereits vorbildliche Initiativen umgesetzt haben. Wie etwa die Schulküche „echt.im.biss“
im Bachmann-Gymnasium Klagenfurt: Hier wird alles frisch zubereitet, Verpackungsmaterialien reduziert, auf Palmöl
verzichtet; es wird gemeinsam mit SchülerInnen gekocht und Bauernhöfe, von denen die Produkte kommen,
besucht. Im Uniklinikum Graz wiederum wurde die Cook-And-Chill-Produktion umgestellt. Hier gelten im Küchenbetrieb
nun die Grundsätze: Gesunde Ernährung, regional, saisonal und wenn möglich in Bioqualität.
Im Rahmen des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) wird beispielsweise im Krankenhaus Hietzing der Einsatz von
Biolebensmitteln schön seit längerem forciert, wie Christina Schmidt, die Koordinatorin für nachhaltigen
Umgang mit Lebensmitteln im KAV erläuterte. Überdies gibt es einen saisonalen Sommer- und Winterspeiseplan
und es wird nur eine von drei Speisen mit Fleisch angeboten. Im Angebot ist im KH Hietzing auch der „natürlich
gut Teller“, eine langjährige Initiative der Wiener Umweltschutzabteilung: Ein umfassend nachhaltiges Menüangebot
in Bioqualität, regionalen, saisonalen Lebensmitteln, Fleischreduktion und fair gehandelten Produkten.
Für Martina Leising, Diätologin am sozialmedizinischen Zentrum Floridsdorf, sollte in diesem Zusammenhang
Wirtschaftlichkeit in der Spitalsverpflegung nicht oberste Priorität haben: „Wir sind doch ein Gesundheitsbetrieb
und haben einen entsprechenden Auftrag.“
Der Milan Urban Food Policy Pact
Ein Hebel für die Umstellung auf und die Förderung einer umfassend nachhaltigen Ernährung ist
der „Milan Urban Food Policy Pact“, der im Oktober 2015 von Bürgermeister Michael Häupl unterschrieben
wurde. Für dessen Umsetzung ist die Koordinatorin Adelheid Sagmeister, die im Rahmen der Wiener Umweltschutzabteilung
– MA 22 eine Ernährungsstrategie für Wien erarbeitet.
Zum Abschluss der Fachtagung im Donauspital wurden in Arbeitsgruppen Ideen gesammelt, wie diese vorbildhaften Einrichtungen
und Initiativen verstärkt, neue Standards gesetzt und Impulse für den Umweltschutz und das Tierwohl in
Gemeinschaftsküchen ermöglicht werden können.
Showkochen und Produktpräsentation im Haus Tamariske
Bei der Fachtagung ist auch das Beschaffungswesen im Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser (KWP) präsentiert
und mehrfach als Vorbild genannt worden. Was in den 30 Wiener „Häusern zum Leben“ bereits umgesetzt ist, wurde
bereits am Vortag im Haus Tamariske in Wien-Donaustadt demonstriert: Im Speisesaal wurde eine Menüfolge des
„natürlich gut Tellers“ live für die BewohnerInnen des Hauses zubereitet und kommentiert – und draußen
im Foyer konnten sie sich bei den anwesenden ProduzentInnen über die verwendeten Produkte informieren: regionale,
saisonale, Bio Lebensmittel – und Betriebe, die in ihrer Produktion Maßnahmen gegen das Tierleid setzen.
Grundsätzlich gilt im KWP: In allen 30 Häusern wird täglich frisch gekocht. Den BewohnerInnen werden
fünf abwechslungsreiche Mahlzeiten serviert, das sind jeden Tag 36.000 Portionen. Mindestens 3-mal pro Woche
gibt es den umweltfreundlichen „natürlich gut Teller“ auf dem Speiseplan.
Nachhaltigkeit als Win-win-Situation
Etwa 70 Prozent der im KWP verarbeiteten Lebensmittel werden aus der Region bezogen, 30 Prozent sind Bio-Ware,
die Süßwasserfische stammen zum Großteil aus österreichischer Zucht, die Meeresfische sind
MSC-zertifiziert. „Die organisatorische Planung geht so weit, dass zum Beispiel die Verhandlungen mit den Bio-Bauern
bereits ein Jahr im Voraus beginnen, erläutert Gerhard Schöberl, Verantwortlicher für die Lebensmittelbeschaffung
im Kuratorium. „Teilweise wird die Ernte ganzer Felder abgenommen. Eine Win-win-Situation für beide Beteiligten:
Das Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser bekommt einen guten Preis und die 150 Bio-Bauern haben eine
Abnahmegarantie.“
Und das Angebot wird ständig weiter verbessert: Künftig sollen im KWP auch Würste aus Hänchenfleisch
angeboten werden – Hähne aus Freilandhaltung, die nicht, wie sonst meist in Legehennen-Betrieben üblich,
aus rein wirtschaftlichen Gründen gleich nach dem Schlüpfen getötet wurden.
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