Im Rahmen der Fachkonferenz der Stadt Wien wurden aktuelle Entwicklungen der Arbeitswelt analysiert
und darüber diskutiert, was „gute Arbeit“ ausmacht
Wien (rk) - Die Arbeitslosigkeit sinkt derzeit in Wien stark, was eng mit dem starken wirtschaftlichen Aufschwung
zusammenhängt. Unabhängig davon befindet sich die Arbeitswelt im Wandel, was vor allem auf Digitalisierung,
Globalisierung und Deregulierungstendenzen zurückzuführen ist. Arbeitsqualität wird dadurch zu einem
entscheidenden gesellschaftlichen Zukunftsthema.
Wie wir arbeiten (wollen) stand daher am 15. November im Mittelpunkt einer von der Magistratsabteilung 23 der Stadt
Wien organisierten Fachenquete. Wirtschaftsstadträtin Brauner betonte in ihrem Eröffnungsstatement, dass
es neben der immer noch zu hohen Arbeitslosigkeit drei große qualitative Baustellen am Arbeitsmarkt gebe:
Prekarisierung, ein größer werdender Niedriglohnbereich und gesundheitliche Mehrbelastungen. „Die Veränderungen
in der Arbeitswelt sind teilweise gravierend – sie genau zu beobachten und zu analysieren muss zum Ziel haben,
diese Entwicklungen aktiv im Sinne der Arbeitenden mitzugestalten“, so Brauner.
Obwohl das Land Wien im Bereich Arbeitsrecht keine gesetzgebenden Kompetenzen hat, gibt es dennoch gewisse Möglichkeiten,
steuernd einzugreifen. Ausbildungsmöglichkeiten, wie jene vom Wiener ArbeitnehmerInnenförderungsfonds
(waff), zählen genauso dazu wie das Kinderbetreuungsangebot, das mit seinen Öffnungszeiten österreichweit
hervorsticht.
Brauner: Aktion 20.000 muss wie geplant fortgesetzt werden
In Anspielung auf den politischen Wechsel auf Bundesebene und die Spekulationen zu einem Ende der Aktion 20.000
betonte die Stadträtin: „Wien ist anders. Wir werden weiterhin auf der Seite derjenigen stehen, die täglich
schuften, um für sich und ihre Familien zu sorgen. Und auf der Seite derjenigen, die sich als Einzelne gar
nicht oder nur sehr schwer gegen Ungerechtigkeiten am Arbeitsplatz wehren können. Die Fortsetzung der Aktion
20.000 hat daher für die Wiener Landesregierung höchste Priorität. Nur so können wir eine echte
Trendumkehr bei der Altersarbeitslosigkeit schaffen - in Wien bedeutet das für tausende Menschen über
50 Jahre neue Jobchancen.“
Arbeitsqualität und gute Rahmenbedingungen gehen Hand in Hand - kein Widerspruch zu hoher Erwerbsquote
Raphaela Hyee (OECD) präsentierte das OECD Job Quality Framework, aus dem unter anderem hervorgeht, dass sich
Arbeitsqualität und Arbeitsquantität nicht unbedingt ausschließen. Entgegen mancher Behauptungen,
Abstriche bei der Qualität seien in Kauf zu nehmen, um das Beschäftigungsniveau hoch zu halten, zeige
sich empirisch, dass in Ländern mit hoher durchschnittlicher Arbeitsqualität die Erwerbsquote nicht automatisch
niedriger sei.
Daniel Schönherr vom Sozialforschungsinstitut SORA, das für die Stadt Wien eine Sonderauswertung des
Arbeitsklima Index erstellt hat, konstatierte eine Polarisierung am Wiener Arbeitsmarkt: „Die Zufriedenheit von
ArbeitnehmerInnen ist vor allem dann hoch, wenn man sich in einem sicheren, dauerhaften Beschäftigungsverhältnis
befindet, das Aufstiegschancen und soziale Absicherung bietet. Im Niedriglohnsektor und unter prekären Arbeitsbedingungen
ist das Arbeitsklima deshalb schlechter. Beide Gruppen wachsen, die Schere ging im Zeitverlauf weiter auf.“
Miriam Rehm (Arbeiterkammer Wien) zeigte, dass sich pessimistische Annahmen zahlreicher ÖkonomInnen vor der
Einführung des Mindestlohns in Deutschland nicht bewahrheiteten. „Untersuchungen prognostizierten, dass ein
Mindestlohn 200.000 bis 1,2 Mio. Jobs kosten würde. In der Realität ließ sich nach der Einführung
praktisch kein Rückgang an Arbeitsplätzen messen“, so die Expertin. Zudem waren Beschäftigte, die
vom Mindestlohn profitierten (also davor weniger als EUR 8,50 pro Stunde verdienten) nach dessen Einführung
im Vergleich zu anderen Arbeitenden signifikant zufriedener - und zwar nicht nur mit ihrem Gehalt. Auch die Anerkennung
ihrer Leistung sowie durch ihre Vorgesetzten oder das Arbeitsverhältnis zu den KollegInnen bewerteten diese
ArbeitnehmerInnen deutlich positiver als vor der Umsetzung.
Himpele: Sozialpartnerschaft bewährtes System, um Herausforderungen und Wandel in der Arbeitswelt zu
bewältigen
Weiters sprachen Martin Risak (Universität Wien) zum Thema Crowdworking und Ulrike Huemer (WIFO) zur Arbeitszeitverteilung
und dem Gender Time Gap. Annika Schönauer (FORBA), Helmut Mahringer (WIFO), Silvia Hruška-Frank (Arbeiterkammer
Wien) und Helmut Naumann (Wirtschaftskammer) kommentierten die beiden Keynotes im ersten Teil der Veranstaltung.
Klemens Himpele, Leiter der MA 23, machte in seinem Schlussstatement auf das Spannungsfeld der individuellen und
gesellschaftlichen Dimension des Themas aufmerksam: „Gute Arbeit bedeutet für jeden und jede etwas anderes.
Einige schätzen z.B. flexible Arbeitszeiten, für andere - z.B. Eltern - stellen sie ein großes
Problem dar. Hier gilt es sich auf gute Regelungen zu einigen.“ Die Sozialpartnerschaft sei laut dem Abteilungsleiter
die Institution, die das schon in der Vergangenheit im Sinne der ArbeitnehmerInnen geschafft habe. Es bestehe daher
auch in Zukunft kein Grund, an diesem erfolgreichen System zu rütteln.
Jährliche Veranstaltungsreihe der Stadt Wien zum Thema Arbeit
„Gute Arbeit“ ist die zweite Fachkonferenz zum Thema Arbeit, die von der Stadt Wien ausgerichtet wird. Im letzten
Jahr wurde im Zuge der Präsentation einer FORBA-Studie die „Zukunft der Arbeit“ diskutiert, wobei die Digitalisierung
und ihre Auswirkungen auf den Wiener Arbeitsmarkt im Vordergrund stand. Für das nächste Jahr kündigte
Stadträtin Brauner eine Fortsetzung der Veranstaltungsreihe an.
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