Festvortragende Anna Hennersperger, Direktorin des Seelsorgeamtes der Diözese Gurk-Klagenfurt,
stellte das Engagement der Pfarrgemeinderätinnen und -räte in den Mittelpunkt
Eisenstadt (martinus) – "Baut auf, ermutigt, spendet Trost": dieses Wort aus dem 1. Korintherbrief
(1 Kor 14,3b) diente der Festvortragenden im Rahmen der Festakademie am 11. November zum Martinsfest der Diözese
Eisenstadt, Direktorin Anna Hennersperger, als Leitton für einen Stärkungsimpuls, den sie an die Pfarrgemeinderätinnen
und -räte richtete: "Ihr gehört zum Reichtum der Kirche am Ort. Ihr leistet einen wichtigen Beitrag,
dass das kirchliche Leben vor Ort gestaltet wird. Ihr habt den Nahbereich des Lebensraumes im Blick, deutet diesen
im Lichte des Evangeliums und handelt entsprechend", so die Direktorin des Seelsorgeamtes der Diözese
Gurk-Klagenfurt, die den Festvortrag in der Eisenstädter Wirtschaftskammer hielt.
Grußwort des Bischofs: Martin viel mehr als ein "Gansl-Patron"
Beendet wurde die Festakademie mit dem Grußwort von Diözesanbischof Ägidius J. Zsifkovics,
der auf die Impulskraft des heiligen Martin für unsere heutige Lebens- und Glaubenswelt verwies. Martinus
sei ein Lehrmeister für die Schärfung eines zugleich realistischen wie empathischen Blickes auf die Welt
und das Erkennen der Sorgen und Nöte anderer. Er sei zugleich ein Lehrmeister für eine offene Haltung
gegenüber gesellschaftlichen Umbrüchen, denen man sich mit Kreativität und Einsatzfreude und ohne
Festklammern an Überkommenem stellen müsse. "Unser Diözesan- und Landespatron Martin ist viel
mehr als ein gefälliger ‚Gansl-Patron’ für die Gastronomie. Sein Leben ist eine Anleitung, wie wir gerade
heute den Wunden einer politisch, ökonomisch und ökologisch blutenden Welt begegnen können, um sie
ein Stück besser zu machen", so der Bischof.
Arbeitsschwerpunkte Jugend und Ökumene
So sollen sich, wie Diözesanbischof Zsifkovics betonte, auch die konkreten Arbeitsschwerpunkte unserer
Diözese an der "spirituellen Dimension der Biographie des hl. Martin orientieren". Zwei dieser Schwerpunkte
hob der Bischof besonders hervor: Die Jugend angesichts der von Papst Franziskus einberufenen Synode zum Thema
Jugend und Berufung einerseits und die Ökumene mit dem Ziel der Einheit der Christen andererseits. So ist
für Juli 2018 eine gemeinsame ökumenische Pilgerreise als Diözesanwallfahrt nach Thüringen
geplant, die sich auf den Spuren Martin Luthers und der hl. Elisabeth von Thüringen begeben wird, wie Bischof
Zsifkovics ankündigte.
"Ehrenamtliche wollen entscheidend gestalten"
Auf die aktuellen gesellschaftlichen Umbrüche ging Anna Hennersperger in ihrem Festvortrag mit Blick auf
die aktuelle Situation der Pfarrgemeinderäte ein. Es sei schwieriger geworden, "Menschen für die
Mitarbeit im Pfarrgemeinderat zu motivieren", so Hennersperger, wobei die Gründe vielfältig seien.
Die Vervielfachung der Lebensgeschwindigkeit, der Zuwachs an Mobilität in allen Lebensbereichen sei ein wesentlicher
Faktor. Ein anderer seien die mit dem Ehrenamt verbundenen Ansprüche: "Ehrenamtliches Engagement darf
keine Spielwiese sein. Menschen, die sich engagieren, wollen entscheidend gestalten", so die Referentin im
Rahmen der Festakademie, deren musikalische Umrahmung der Frauenchor Lackenbach, das Tamburizza Orchester und der
Chor Güttenbach gestaltete.
Wertschätzung und Partizipation durch Neuen Pastoralen Weg
Anerkennung und Wertschätzung seien somit wichtige Motivationsquellen, die nicht vernachlässigt werden
dürften. Dazu gehöre auch die Möglichkeit zur Partizipation: der Wunsch, entscheidend gestalten
zu können, dürfe nicht vorschnell an amtliche Grenzen stoßen. Und genau deshalb sei der Neue Pastorale
Weg der Diözese Eisenstadt der richtige Weg in die Zukunft, der mit der Errichtung von Seelsorgeräumen
und deren Stärkung von Partizipation, Mitverantwortung und Mitbestimmung ein "guter Anstoß für
Entwicklungen sein" könne.
Enges "Kirchturmsdenken" aufbrechen
Die Neustrukturierung in Seelsorgeräume würde die Chance in sich bergen, "dass sich langfristig
Schwerpunkte profilieren, die der Entlastung kleinerer Orte dienen", so Hennersperger. Synergieeffekte, gemeindeübergreifende
Initiativen und die leichtere Umsetzung größerer Projekte seien eindeutige Pluspunkte einer solchen
Strukturierung. "Das enge ‚Kirchturmsdenken‘ wird dadurch aufgebrochen", so die Vortragende.
Pfarrgemeinderäte als "kirchliche Marke"
Daraus folge freilich gerade nicht der Verlust von Nähe. Pfarrgemeinderätinnen und -räte, die
Hennersperger als "eine kirchliche ‚Marke‘" würdigt, sind unerlässlich, wenn es darum gehe,
"im Dialog mit Einzelnen und Gruppen die Lebensumstände der Menschen wahrzunehmen und sie im Licht des
Evangeliums zu deuten und entsprechend zu handeln."
Kirche in "Zeitgenossenschaft" mit der Welt
Hennersperger erinnerte in ihrem Festvortrag daran, dass die Institution der Pfarrgemeinderäte eine Frucht
des Zweiten Vatikanischen Konzils sei. Das Zweite Vatikanum sei ein wesentlicher Impuls dafür gewesen, "als
Kirche in den Dialog mit jener Welt einzutreten, von der sie selbst ein Teil ist." Die Kirche habe sich seither
in die "Zeitgenossenschaft" begeben und damit in ein neues Verhältnis zur Welt, ohne sich der Welt
gleichzumachen: denn sie sei in der Welt, aber nicht von der Welt.
"Kirche ist nicht Partei, aber sie ergreift Partei"
Eine solche Haltung der Weltoffenheit sei immer auch verbunden mit Engagement: "Wir brauchen uns als Kirche
nicht zu scheuen, uns im politischen und sozialen Engagement auch als Korrektiv zur Gesellschaft zu verstehen –
ohne dabei Angst zu haben, gleich wieder Mitglieder zu verlieren. Die Kirche ist nicht Partei, aber sie ergreift
Partei."
Einsatz für die Menschen und ihre Würde
Die Kirche sei in diesem Engagement und als dieses gesellschaftliche Korrektiv immer dann gefragt, "wo
es um die Menschen, ihre Rechte, ihre Wertschätzung und Würde vom Anfang des Lebens bis zum Ende geht,
wo die Gerechtigkeit verletzt wird, wo die Bewahrung der Schöpfung bedroht ist", so Hennersperger wörtlich.
Die Kirche solle sich somit nicht scheuen, ihre Überzeugungen deutlich zu machen, zu artikulieren und entsprechend
zu handeln. Dies gelte auch und gerade für politisch brisante Themen – von der Bioethik bis zur Arbeitslosigkeit,
von der Einstellung gegenüber Schutzsuchenden bis zu Fragen einer gerechten Gestaltung der Globalisierung.
Vorbild Martinus: "Wunden der Welt" nicht übersehen
Hennersperger: "Das konkrete Engagement für die Schwachen und auf der Strecke Gebliebenen steht im
Zentrum des kirchlichen Zeugnisses. Eine Kirche, die die ‚Wunden der Welt‘ übersieht, kann nicht wirklich
evangelisieren." Gerade der heilige Martin "stand den Kranken bei, half Notleidenden und gab Hungernden
Nahrung. Dort, wo der heilige Martin war, wurde es heller und wärmer", so die Direktorin des Seelsorgeamtes
der Diözese Gurk-Klagenfurt.
Martinsorden in Gold an Stephan Renner
Im Rahmen des Martinsfestes erhielt Stephan Renner, bisheriger Präsident der Katholischen Aktion (KA)
in der Diözese Eisenstadt, den Martinsorden in Gold. Mit viel Engagement bekleidete Renner, vom Beruf Religionslehrer
und Professor für Katechetik am Seminar für Kirchliche Berufe, an der Religionspädagogischen Akademie
und an der Kirchlich-Pädagogischen Hochschule, sein Amt als KA-Präsident. In seiner pädagogischen
Tätigkeit begleitete er zahlreiche Studenten auch aus der Diözese Eisenstadt und engagierte sich als
Vortragender des Katholischen Bildungswerkes.
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Bischof Zsifkovics beim Martinsfest: "Danke an all die Zeit-Schenkenden"
Der Mensch ist ein zeitliches Wesen, weil er nicht nur in der Zeit lebt, sondern sich zu der ihm geschenkten
Zeit verhält. "Nützen wir wie Martinus die uns geschenkte Zeit. Mein herzlicher Dank gilt all den
Zeit-Schenkenden, weil sie Zeit haben und sich Zeit nehmen für Gott, die Mitmenschen und für sich selbst":
Diesen Grundgedanken entfaltete Diözesanbischof Ägidius J. Zsifkovics zum Auftakt und Abschluss des großen
Martinsfestes der Diözese Eisenstadt. Den finalen Schlusspunkt bildete die Martinifeier der Burgenländer
in Wien am Sonntagabend in der Michaelerkirche.
Zeit für Gott haben: "Holen wir uns den langen Atem zurück"
Besser als wie jeder moderne Ratgeber zeige der heilige Martin, wie uns ein sinnvoller Umgang mit dem Geschenk
der Zeit gelingen könne. Denn die Zeit, die Martinus hatte und die er sich in seinem Leben nahm, war wesentlich
Zeit für Gott. "Er hat die Nähe Gottes gesucht, hat sich in die Stille zurückgezogen zum Gebet,
zum Lesen und Betrachten der Heiligen Schrift, zur Meditation." Gerade in Zeiten einer zunehmenden Gottesvergessenheit
zeige Martinus mit seinem Leben: "Wer sich Zeit nimmt für Gott, der hat im Leben und im Glauben Orientierung,
Freude am Menschsein und Christsein sowie Mut zum Zeugnis und dem geht auch nicht die Luft aus, der hat den langen
Atem", so Bischof Zsifkovics.
Zeit-Haben füreinander als Reichtum der Gemeinschaft
Zugleich steht Martinus immer auch für ein Zeit-Haben für die Mitmenschen: "Genau dafür
ist die Mantelteilung mit dem Bettler ein Symbol. Martinus hat das in die Tat umgesetzt, wovon das Evangelium spricht."
Zeit zu haben für die Mitmenschen und für Werke der Barmherzigkeit sei ein wesentliches Merkmal für
einen gelingenden Lebensentwurf des Einzelnen, sondern für den wahren Reichtum einer Gemeinschaft: "Verarmen
und zerfallen unsere Gemeinschaftsformen nicht oft auch deshalb, weil wir wenig oder keine Zeit füreinander
haben?", fragte Bischof Zsifkovics im Rahmen des Martinsfestes.
Martinus als Rezept gegen Burn-out
Schließlich bedeute ein sinnerfüllter Umgang mit der Zeit auch das Zeit-Haben für sich selber.
Wenn sich Martinus, der so umtriebige Bischof von Tours, vom Trubel des Alltags in Oasen der Ruhe zurückzog,
so habe er sich gerade nicht "aus dieser Welt geflüchtet. Er hat sich vielmehr Zeit für sich selber
genommen, um sich seiner Wurzeln, Aufgabe und Sendung bewusst zu werden und sie zu erfüllen". In der
Rastlosigkeit der gegenwärtigen Welt bestehe vielmehr die existenzielle Gefahr, das eigene Selbst in einem
atemlosen und an der Oberfläche klebenden Aktionismus zu betäuben oder im ständigen Kreisen um sich
selbst das wahre Selbst gerade zu verlieren. "Solche Abwege, ob sie nun durch Konsum- oder Unterhaltungsbedürfnisse,
durch Narzissmus oder Aktionismus berauscht werden, führen im Hochgeschwindigkeitstempo in das Burn-out",
warnte Bischof Zsifkovics.
Herzlicher Dank an alle Engagierten
Umso herzlicher bedankte sich der Bischof im Rahmen der Martinsfeier bei all jenen, die sich "Zeit nehmen
für Gott, die konkreten Mitmenschen und für sich selbst". Besonders hob Bischof Zsifkovics im Haus
St. Martin das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas, der Förderer und Freunde des Hauses,
der Seelsorgerinnen und Seelsorger so wie aller sozial und karitativ tätigen Einrichtungen in der Diözese
hervor, "die vom unermüdlichen Einsatz so vieler Menschen leben, die Zeit haben – für Gott, für
Mitmenschen und für sich selbst."
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