Risikobarometer Umwelt & Gesundheit 2017 zeigt Informationsbedarf der österreichischen
Bevölkerung zu gesundheitlichen Top-Risikothemen
Parma/Wien (ages) - Terrorismus, Migration und Kriminalität sind die Themen, die die Österreicherinnen
und Österreicher am meisten beunruhigen: Das zeigt eine aktuelle repräsentative Umfrage unter 1.018 Personen,
die von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) gemeinsam mit
dem Umweltbundesamt durchgeführt wurde. Die Ergebnisse des „Risikobarometer Umwelt & Gesundheit“ decken
sich mit jenen der internationalen Risikoforschung, nicht jedoch mit den Einschätzungen der ExpertInnen der
AGES. Dieses sehen krankmachende Keime, Antibiotika-Resistenzen und Ernährungsrisiken als Top-Risikothemen.
Bei den über 1.700 Rückmeldungen aus der Bevölkerung liegen diese Themen mit 1,4 Prozent der Antworten
weit im Hinterfeld.
Der Risikobarometer zeigt klar, dass die eigentlichen Sorgen, die sich die Menschen machen, nicht unbedingt mit
tatsächlichen Risiken für ihre Gesundheit im Zusammenhang stehen. „Ich verstehe es daher als Grundauftrag
an die AGES, die Informationen über wissenschaftlich belegbare Risiken dorthin zu bringen, wo sich die Österreicherinnen
und Österreicher informieren“, sagt AGES Geschäftsführer Wolfgang Hermann bei einem gemeinsamen
Pressefrühstück mit Bernhard Url, dem Direktor der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde
EFSA, anlässlich des 15-jährigen Bestehens der beiden Agenturen. In erster Linie sind das Internet und
soziale Netzwerke. „Hier müssen wir relevante gesundheitlichen Fragen und Antworten positionieren, in Sprache
und Emotion verständlich, damit die Menschen auch danach handeln können.“ Der Risikobarometer zeige,
dass bei vielen Themen Informationsbedarf bestehe. „Gerade in einer digitalisierten Welt mit rasanter Informationsweitergabe
kann die AGES ein vertrauenswürdiges Korrektiv sein“, so Hermann.
Bei den Themengebieten „Gesundheit“ und „Ernährung“ sind es in erster Linie Auswirkungen von Chemikalien und
Schadstoffen durch Luft, Lärm, Pflanzenschutzmittel auf die menschliche Gesundheit, die am häufigsten
beunruhigen, gefolgt vom Thema Antibiotika-Resistenzen. Krankheitserreger beunruhigen generell wenig; krankmachende
Keime in Lebensmitteln, die von AGES ExpertInnen als größtes Risiko für die menschliche Gesundheit
gewertet werden, sind für fast die Hälfte der Befragten kein Grund zur Besorgnis. Auffällig ist,
dass die ÖsterreicherInnen das Thema Fehl- und Überernährung wenig besorgniserregend einschätzen,
sich darüber sehr gut informiert fühlen, allerdings ihr Handeln nicht danach ausrichten: Die Zahl der
ernährungsassoziierten Krankheiten in Österreich ist nach wie vor hoch.
Fünf Risikotypen
Für die Differenzierung der österreichischen Bevölkerung in Bezug auf ihre Risikowahrnehmung
und ihr Risikoverhalten wurden fünf unterschiedliche Risikotypen definiert. Die Risikotypen unterscheiden
sich in ihrer Besorgnis über Risiken, ihren Informationsgrad, in ihrer Nutzung von Informationsquellen, aber
auch in ihrem Verhalten nach Berichten über Risiken. Bei der Kommunikation von Risiken und Gefahren müssen
daher verstärkt diese Risikotypen berücksichtigt werden: Einerseits, um das Bewusstsein für tatsächliche
Risiken zu schaffen, andererseits, um mitzuhelfen, gegenüber vermeintlichen Risiken Ängste abzubauen
und qualitätsgesicherte Informationen zielgruppenspezifisch anzubieten. „Die AGES will in Zeiten von Fakenews
und alternativen Fakten ein ‚Bollwerk des Vertrauens‘ sein“, betont Hermann. Dazu brauche es Vertrauen in der Bevölkerung,
„das man durch kontinuierliche, verständliche, glaubwürdige, kompetente und transparente Informationen
gewinnt“.
Digitalisierung, Kooperation und Dialog als Zukunftsthemen
EFSA-Direktor Url und AGES-Geschäftsführer Hermann betonten bei ihrem Ausblick auf die Herausforderungen
an die Lebensmittelsicherheit sowie auf die Anforderungen an eine wissenschaftliche Risikobewertung in Europa und
Österreich: Kooperation und Dialog auf allen Ebenen über nationale, institutionelle und fachliche Grenzen
hinweg sei der Schlüssel für ein zukunftsfittes Lebensmittelsicherheits-System in Europa. „Denn die AGES
oder Österreich allein können in der Realität der Produktions- und Gesundheitssysteme kaum etwas
bewirken“, so Hermann. Dafür brauche es auf Fachexperten-Ebene strategische Allianzen für Forschung und
wissenschaftliche Risikobewertung, ebenso für Risikokommunikation und zielgruppenspezifische Informationsaufbereitung.
Digitalisierung sei eine große Herausforderung für die wissenschaftliche Risikobewertung, um „als Makler
der Informationen“ riesige Datenmengen auswerten zu können und (Un-)Sicherheiten zu meistern. Neben der Digitalisierung
seien gesundheitliche und die Ernährungssicherung gefährdende Folgen des Klimawandels sowie Antibiotikaresistenzen
die drei großen fachlichen Herausforderungen.
Kooperation bei Krankheitsausbrüchen
EFSA und AGES unterzeichneten ein Kooperationsprojekt zur Bekämpfung länderübergreifender lebensmittelbedingter
Krankheitsausbrüche. Um im Notfall schnell handeln zu können, werden 50 EpidemiologInnen, MikrobiologInnen,
Veterinäre sowie ExpertInnen für Lebensmittelsicherheit und Risikokommunikation aus 8 EU-Mitgliedstaaten
(Ungarn, Slowenien, Slowakei, Tschechien, Polen, Bulgarien, Rumänien und Österreich) im Mai 2018 in der
AGES ein dreitägiges „Planspiel“ gemäß der interdisziplinären Arbeitsweise des „One Health“-Konzepts
absolvieren. Geleitet wird das Projekt von ExpertInnen der EFSA, des Europäischen Zentrums für die Prävention
und die Kontrolle von Krankheiten ECDC und der AGES. Die AGES ist seit 10 Jahren Ausbildungsstätte für
europäische „Krankheits-Detektive“ im Rahmen des Europäischen Trainingsprogrammes für Interventions-Epidemiologie
(kurz: EPIET) und seit heuer auch für Public-Health-Mikrobiologie (kurz: EUPHEM). Finanziert wird das Projekt
von EFSA, ECDC und der AGES.
Dieses gemeinsame Projekt sei ein „ausgezeichnetes Beispiel“ für die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen
der EFSA und den Mitgliedstaaten, die darauf abzielt, die Kapazitäten Europas im Bereich der Lebensmittelsicherheit
zu stärken. Im Rahmen des gemeinsamen Workshops werden Methoden und Abläufe für die Bewältigung
von länderübergreifenden Krankheitsausbrüchen getestet, um eine gute Zusammenarbeit und einheitliche
Vorgehensweise benachbarter Länder zu gewährleisten. „Mein Besuch in Wien bietet eine weitere Gelegenheit,
die enge Zusammenarbeit zwischen der EFSA und Österreich zu vertiefen. Die wissenschaftliche Zusammenarbeit
steht im Mittelpunkt unseres Handelns bei der EFSA", so Url.
Bei seinem zweitägigen Österreich-Besuch diskutiert EFSA-Direktor Url mit Stakeholdern aus der Wissenschaft,
Produktion, Behörden und Interessengruppen über verstärkte Kooperationsmöglichkeiten. Unter
dem Motto „Open EFSA - Wissenschaft im Dialog mit der Gesellschaft“ findet ein Dialog-Forum mit Dialoggruppen der
AGES - „ExpertInnen für sichere Lebensmittel“ (EXSIL) und Ernährungssicherung "Zukunft Pflanzenbau"
- statt. Bernhard Url und Wolfgang Hermann sprechen im APA Science Interview über wissenschaftliche Kooperationen
und die Herausforderungen für die Risikobewertung.
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