„Wissenschaft vs Fakenews: Umgang mit
 (Un-)Sicherheiten, Risiken und deren Wahrnehmung“

 

erstellt am
23. 11. 17
13:00 MEZ

Risikobarometer Umwelt & Gesundheit 2017 zeigt Informationsbedarf der österreichischen Bevölkerung zu gesundheitlichen Top-Risikothemen
Parma/Wien (ages) - Terrorismus, Migration und Kriminalität sind die Themen, die die Österreicherinnen und Österreicher am meisten beunruhigen: Das zeigt eine aktuelle repräsentative Umfrage unter 1.018 Personen, die von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) gemeinsam mit dem Umweltbundesamt durchgeführt wurde. Die Ergebnisse des „Risikobarometer Umwelt & Gesundheit“ decken sich mit jenen der internationalen Risikoforschung, nicht jedoch mit den Einschätzungen der ExpertInnen der AGES. Dieses sehen krankmachende Keime, Antibiotika-Resistenzen und Ernährungsrisiken als Top-Risikothemen. Bei den über 1.700 Rückmeldungen aus der Bevölkerung liegen diese Themen mit 1,4 Prozent der Antworten weit im Hinterfeld.

Der Risikobarometer zeigt klar, dass die eigentlichen Sorgen, die sich die Menschen machen, nicht unbedingt mit tatsächlichen Risiken für ihre Gesundheit im Zusammenhang stehen. „Ich verstehe es daher als Grundauftrag an die AGES, die Informationen über wissenschaftlich belegbare Risiken dorthin zu bringen, wo sich die Österreicherinnen und Österreicher informieren“, sagt AGES Geschäftsführer Wolfgang Hermann bei einem gemeinsamen Pressefrühstück mit Bernhard Url, dem Direktor der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA, anlässlich des 15-jährigen Bestehens der beiden Agenturen. In erster Linie sind das Internet und soziale Netzwerke. „Hier müssen wir relevante gesundheitlichen Fragen und Antworten positionieren, in Sprache und Emotion verständlich, damit die Menschen auch danach handeln können.“ Der Risikobarometer zeige, dass bei vielen Themen Informationsbedarf bestehe. „Gerade in einer digitalisierten Welt mit rasanter Informationsweitergabe kann die AGES ein vertrauenswürdiges Korrektiv sein“, so Hermann.

Bei den Themengebieten „Gesundheit“ und „Ernährung“ sind es in erster Linie Auswirkungen von Chemikalien und Schadstoffen durch Luft, Lärm, Pflanzenschutzmittel auf die menschliche Gesundheit, die am häufigsten beunruhigen, gefolgt vom Thema Antibiotika-Resistenzen. Krankheitserreger beunruhigen generell wenig; krankmachende Keime in Lebensmitteln, die von AGES ExpertInnen als größtes Risiko für die menschliche Gesundheit gewertet werden, sind für fast die Hälfte der Befragten kein Grund zur Besorgnis. Auffällig ist, dass die ÖsterreicherInnen das Thema Fehl- und Überernährung wenig besorgniserregend einschätzen, sich darüber sehr gut informiert fühlen, allerdings ihr Handeln nicht danach ausrichten: Die Zahl der ernährungsassoziierten Krankheiten in Österreich ist nach wie vor hoch.

Fünf Risikotypen
Für die Differenzierung der österreichischen Bevölkerung in Bezug auf ihre Risikowahrnehmung und ihr Risikoverhalten wurden fünf unterschiedliche Risikotypen definiert. Die Risikotypen unterscheiden sich in ihrer Besorgnis über Risiken, ihren Informationsgrad, in ihrer Nutzung von Informationsquellen, aber auch in ihrem Verhalten nach Berichten über Risiken. Bei der Kommunikation von Risiken und Gefahren müssen daher verstärkt diese Risikotypen berücksichtigt werden: Einerseits, um das Bewusstsein für tatsächliche Risiken zu schaffen, andererseits, um mitzuhelfen, gegenüber vermeintlichen Risiken Ängste abzubauen und qualitätsgesicherte Informationen zielgruppenspezifisch anzubieten. „Die AGES will in Zeiten von Fakenews und alternativen Fakten ein ‚Bollwerk des Vertrauens‘ sein“, betont Hermann. Dazu brauche es Vertrauen in der Bevölkerung, „das man durch kontinuierliche, verständliche, glaubwürdige, kompetente und transparente Informationen gewinnt“.

Digitalisierung, Kooperation und Dialog als Zukunftsthemen
EFSA-Direktor Url und AGES-Geschäftsführer Hermann betonten bei ihrem Ausblick auf die Herausforderungen an die Lebensmittelsicherheit sowie auf die Anforderungen an eine wissenschaftliche Risikobewertung in Europa und Österreich: Kooperation und Dialog auf allen Ebenen über nationale, institutionelle und fachliche Grenzen hinweg sei der Schlüssel für ein zukunftsfittes Lebensmittelsicherheits-System in Europa. „Denn die AGES oder Österreich allein können in der Realität der Produktions- und Gesundheitssysteme kaum etwas bewirken“, so Hermann. Dafür brauche es auf Fachexperten-Ebene strategische Allianzen für Forschung und wissenschaftliche Risikobewertung, ebenso für Risikokommunikation und zielgruppenspezifische Informationsaufbereitung. Digitalisierung sei eine große Herausforderung für die wissenschaftliche Risikobewertung, um „als Makler der Informationen“ riesige Datenmengen auswerten zu können und (Un-)Sicherheiten zu meistern. Neben der Digitalisierung seien gesundheitliche und die Ernährungssicherung gefährdende Folgen des Klimawandels sowie Antibiotikaresistenzen die drei großen fachlichen Herausforderungen.

Kooperation bei Krankheitsausbrüchen
EFSA und AGES unterzeichneten ein Kooperationsprojekt zur Bekämpfung länderübergreifender lebensmittelbedingter Krankheitsausbrüche. Um im Notfall schnell handeln zu können, werden 50 EpidemiologInnen, MikrobiologInnen, Veterinäre sowie ExpertInnen für Lebensmittelsicherheit und Risikokommunikation aus 8 EU-Mitgliedstaaten (Ungarn, Slowenien, Slowakei, Tschechien, Polen, Bulgarien, Rumänien und Österreich) im Mai 2018 in der AGES ein dreitägiges „Planspiel“ gemäß der interdisziplinären Arbeitsweise des „One Health“-Konzepts absolvieren. Geleitet wird das Projekt von ExpertInnen der EFSA, des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten ECDC und der AGES. Die AGES ist seit 10 Jahren Ausbildungsstätte für europäische „Krankheits-Detektive“ im Rahmen des Europäischen Trainingsprogrammes für Interventions-Epidemiologie (kurz: EPIET) und seit heuer auch für Public-Health-Mikrobiologie (kurz: EUPHEM). Finanziert wird das Projekt von EFSA, ECDC und der AGES.

Dieses gemeinsame Projekt sei ein „ausgezeichnetes Beispiel“ für die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen der EFSA und den Mitgliedstaaten, die darauf abzielt, die Kapazitäten Europas im Bereich der Lebensmittelsicherheit zu stärken. Im Rahmen des gemeinsamen Workshops werden Methoden und Abläufe für die Bewältigung von länderübergreifenden Krankheitsausbrüchen getestet, um eine gute Zusammenarbeit und einheitliche Vorgehensweise benachbarter Länder zu gewährleisten. „Mein Besuch in Wien bietet eine weitere Gelegenheit, die enge Zusammenarbeit zwischen der EFSA und Österreich zu vertiefen. Die wissenschaftliche Zusammenarbeit steht im Mittelpunkt unseres Handelns bei der EFSA", so Url.

Bei seinem zweitägigen Österreich-Besuch diskutiert EFSA-Direktor Url mit Stakeholdern aus der Wissenschaft, Produktion, Behörden und Interessengruppen über verstärkte Kooperationsmöglichkeiten. Unter dem Motto „Open EFSA - Wissenschaft im Dialog mit der Gesellschaft“ findet ein Dialog-Forum mit Dialoggruppen der AGES - „ExpertInnen für sichere Lebensmittel“ (EXSIL) und Ernährungssicherung "Zukunft Pflanzenbau" - statt. Bernhard Url und Wolfgang Hermann sprechen im APA Science Interview über wissenschaftliche Kooperationen und die Herausforderungen für die Risikobewertung.

 

 

 

Weitere Informationen:
http://www.ages.at
http://www.efsa.europa.eu/de

 

 

 

 

 

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