Innsbruck (universität) - In einem interdisziplinären Projekt haben Wissenschaftler der Universität
Innsbruck den Klimawandel auf seine regionalen Auswirkungen untersucht: Am Beispiel des Brixentales zeigte das
Team, wie sich Temperaturzunahme und Trockenheit gemeinsam mit verändertem Waldmanagement auf die Hydrologie
eines Tiroler Gebirgstales auswirken können. Fazit: Ein Aufrechterhalten von bewirtschafteten Almen könnte
manche negativen Konsequenzen des Klimawandels abmildern.
Was die Wasserversorgung betrifft, sind viele BewohnerInnen des Alpenraums verwöhnt. Wasserknappheit ist in
den meisten Regionen ein Fremdwort. Dass sich das künftig ändern könnte, liegt auch am Klimawandel,
von dem der Alpenraum besonders betroffen ist: Temperaturzunahme und häufigere Trockenphasen werden der Wasserverfügbarkeit
zusetzen. Aber was bedeutet das konkret für ein Tal? Und kann man etwas dagegen tun? Im vom Klima- und Energiefonds
geförderten, inter- und transdisziplinären Projekt STELLA suchten Markus Schermer vom Institut für
Soziologie und Ulrich Strasser vom Institut für Geographie der Universität Innsbruck – mit ihren Teams
– in den vergangenen drei Jahren nach Antworten auf diese Frage. Als Untersuchungsgebiet wählten die WissenschaftlerInnen
das stark bewaldete Brixental in Tirol, genauer gesagt das Einzugsgebiet der Brixentaler Ache mit einer Fläche
von 322 km2. „Unsere Forschungsfrage lautete, wie sich der Klimawandel und unterschiedliche Strategien zur Waldnutzung
auf den Wasserhaushalt in Gebirgsräumen auswirken. Wir haben unsere unterschiedlichen Expertisen eingebracht
und freuen uns sehr, dass es uns gelungen ist, sozialwissenschaftliche und naturwissenschaftliche Perspektiven
in diesem Projekt zu verknüpfen“, sagen Schermer und Strasser.
Eine weitere Besonderheit des Projektes ist die enge Kooperation mit der Bevölkerung vor Ort: ExpertInnen,
Stakeholder und WaldbewirtschafterInnen wurden im Rahmen von Befragungen und Workshops aktiv in den Forschungsprozess
miteinbezogen. „Ohne das Wissen und die Unterstützung der Menschen im Brixental wäre das Projekt nicht
möglich gewesen, die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung hat wichtige Inputs für die Entwicklung
der hydrologischen Modelle geliefert“, betont Schermer
Auf Klimawandel reagieren
Globale Klimaszenarien werden auf Basis bestimmter Annahmen errechnet, dabei können regionale Besonderheiten
nur bedingt berücksichtigt werden: „Die Dynamik lokaler Prozesse etwa in der Landnutzung kann von den globalen
Szenarien abweichen. Das hängt von einer Reihe von natürlichen und gesellschaftlichen Faktoren ab, wie
zum Beispiel der Topographie oder auch wirtschaftlichen oder politischen Entscheidungen. In Gebirgsregionen wie
Tirol, wo nur 13 Prozent der Landfläche für Siedlungen, Industrie, Verkehr und Infrastruktur genutzt
werden können, sind Fragen der Landnutzung in jeder Hinsicht von sehr großer Bedeutung. Veränderungen
dort haben Auswirkungen auf die Nutzung der Wälder und Almen“, erklärt Schermer. Die Art der Veränderung
der Landnutzung hat auch Einfluss auf die Entwicklung des Wasserhaushalts, ergänzt Ulrich Strasser: „Hier
geht es um Aspekte wie Planung der Wasserversorgung, Betrieb von Wasserkraftanlagen, zukünftige Bewässerung
oder Abschätzung des Hochwasserrisikos. Es gibt dabei Entscheidungen, die heute getroffen werden, die aber
einen Einfluss darauf nehmen, wie sich die zu erwartenden Veränderungen des Klimas zukünftig regional
und lokal auswirken werden. Wir sind dem Klimawandel durchaus nicht völlig ausgeliefert, sondern zeigen mit
unserem Projekt konkrete Handlungsspielräume auf.“
Meran vs. Bologna
Der Klimawandel wird das Brixental trockener und wärmer werden lassen, je nach Klimaszenario in schwächerer
oder stärkerer Form – aber auf jeden Fall deutlich spürbar. „Um es greifbarer zu machen, haben wir die
beiden verwendeten Klimaszenarien mit dem jetzigen Klima an anderen Orten verglichen: das gemäßigte
Szenario würde für das Brixental ein Klima vergleichbar mit dem in Meran bedeuten, bei der extremeren
Variante mit jenem in Bologna“, sagt Strasser.
Zu Beginn erarbeitete das Team in engem Austausch mit den lokalen ExpertInnen mögliche sozioökonomische
Entwicklungspfade der Region: Wie wird sich die Landnutzung unter bestimmten Bedingungen verändern und welche
Faktoren nehmen darauf Einfluss? Aus dieser Zusammenarbeit ergaben sich verschiedene sozioökonomische Szenarien
, die ein Spektrum der möglichen Reaktionen auf Globalisierungsprozesse abdecken. „Fragen der Waldbewirtschaftung
sind zum Beispiel ganz eng mit der Almbewirtschaftung und ihrer Aufrechterhaltung verknüpft“, führt Schermer
weiter aus.
Die möglichen Zukunftsentwicklungen wurden zu drei typischen Handlungssträngen verwoben. Dann koppelten
die Wissenschaftler die „storylines“ mit einem gemäßigten (Meran) und einem extremen (Bologna) Klimaszenario.
„Basierend auf diesen für die Region zugeschnittenen zukünftigen Entwicklungen von Landnutzung und Klima
führten wir die hydrologischen Modellrechnungen durch, die uns die Entwicklungen des Wasserhaushaltes im Brixental
lieferten“, beschreibt Strasser die Vorgehensweise.
Der Faktor Alm
Die Ergebnisse der Wissenschaftler zeigen: Bei den zu erwartenden Entwicklungen im Brixental – und zwar in
beiden Klimaszenarien – ist bei einer weiteren Ausbreitung des Waldes mit noch größeren Trockenheit
zu rechnen. „Mehr Waldfläche entsteht vor allem, wenn Almen aufgelassen werden: Dann wuchern die Gebiete zu
und neuer Wald bildet sich. Wald nimmt aber noch mehr Wasser aus dem System auf – und verstärkt somit die
direkten Effekte des Klimawandels zusätzlich“, sagt Strasser. Gerade für das Brixental ist das ein entscheidender
Punkt, da hier bereits heute viele Almen oberhalb der Waldgrenze liegen, die sich in den nächsten Jahrzehnten
aufgrund der Erwärmung ohnehin weiter nach oben schieben wird. „Kultivierte, frei gehaltene Almflächen
könnten so künftig eine wichtige Wassererhaltungsfunktion haben. Wald kann die Menschen nach wie vor
vor Hochwasser schützen, bei geringen Niederschlägen kann er allerdings auch zu verstärkter Trockenheit
führen.“
Wie mit der Almbewirtschaftung umgegangen wird, ist eine gesellschaftspolitische Frage. Schermer und Strasser sehen
für ihr in STELLA entwickeltes Konzept, mit dem sie in die Klimawandel-Zukunft eines Tales blicken, durchaus
auch Anwendungsmöglichkeiten für andere Gebirgsregionen – die entsprechenden Adaptierungen vorausgesetzt.
Das Forschungsprojekt STELLA (Storylines of coupled socio-economic and climate drivers for land use and their hydrological
impacts in Alpine catchments) hatte über eine Dauer von drei Jahren und mit einer Fördersumme von rund
300.000 Euro die Auswirkungen zukünftiger Klima- und Bewirtschaftungsänderungen im Brixental zum Thema.
STELLA stand unter der Leitung von Ulrich Strasser und Markus Schermer von den Instituten für Geographie bzw.
Soziologie der Universität Innsbruck und wurde gemeinsam mit dem Institut für Meteorologie der BOKU Wien,
dem Climate Change Centre Austria CCCA und der ZAMG durchgeführt und im Rahmen des ACRP (Austrian Climate
Research Program, 6. Ausschreibung) des österreichischen Klima- und Energiefonds finanziert. Ingmar Höbarth,
Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds, betont die Bedeutung des Programms: „Der Klimawandel hat
schwerwiegende und hochkomplexe Folgen in Österreich. Im Rahmen von ACRP werden diese Auswirkungen systematisch
erforscht. Dies schafft die Basis für optimale Anpassung and die Veränderungen in Österreich. Somit
werden wesentlichen Entscheidungsgrundlagen für die Zukunftssicherung unseres Landes geschaffen.“
|