Duisburg-Essen/Tel Aviv/Wien (universtität) - Einem internationalen Team von Forschern der Universitäten
Wien, Duisburg-Essen und Tel Aviv ist es gelungen, ein Nano-Stäbchen kontrolliert in Rotation zu versetzen
und somit als hochpräzisen Zeiger einer elektronischen Uhr zu verwenden. Mit Hilfe fokussierter Laserstrahlen
kann das Team um Stefan Kuhn, James Millen und Markus Arndt von der Universität Wien ein Stäbchen mit
einer Länge von etwa einem Tausendstel Millimeter in Vakuum einfangen, gegen die Schwerkraft zum Schweben
bringen und gezielt in Rotation versetzen. Diese Drehbewegung folgt dem Zeitsignal einer elektronischen Uhr mit
unglaublicher Präzision: In vier Tagen geht nur ein Millionstel einer Sekunde verloren. Diese Arbeit erscheint
aktuell in "Nature Communications".
Tick…Tack… Stabile Uhren spielen in unserem Alltag eine wesentliche Rolle. Von Schiffs-Chronometern bis zu GPS-Systemen
ermöglichen sie uns verlässlich zu navigieren. Präzise Uhren sind der Taktgeber des Internets –
sie bestimmen die Geschwindigkeit, mit der Informationen ausgetauscht werden können.
Zeit ist die am genauesten bestimmte physikalische Messgröße und kleinste Unregelmäßigkeiten
können sehr genau bestimmt werden. Durch die Beobachtung der Bewegung von zeitgebenden physikalischen Objekten,
wie zum Beispiel dem Pendel einer Standuhr, und dem Vergleich mit einer Referenz-Uhr kann man externe Einflüsse,
wie in diesem Fall etwa Vibrationen, detektieren.
In einer Forschungsarbeit, die im Fachjournal Nature Communications publiziert wird, haben Stefan Kuhn von der
Universität Wien und Kollegen einen erstaunlich stabilen Uhrzeiger erzeugt, der die Zeit einer elektronischen
Uhr anzeigt. Realisiert wird dies durch ein rotierendes Silizium-Stäbchen, das kürzer als ein Mikrometer
ist und mittels Laserlicht gegen die Schwerkraft levitiert wird. Eine elektronische Uhr gibt den Takt an, mit dem
es durch zirkular polarisierte Licht-Pulse angetrieben wird. Dabei dreht sich das Stäbchen öfter als
eine Million Mal pro Sekunde. "Es ist erstaunlich, dass wir ein elektronisches Signal nehmen und damit die
Bewegung eines physikalischen Objekts perfekt kontrollieren können, ohne dabei an Stabilität zu verlieren.
Unsere Uhr hat in vier Tagen gerade einmal ein Millionstel einer Sekunde verloren", ist Co-Autor James Millen
vom Ausgang der Studie begeistert. Vergleichbare Systeme sind in ihrer Genauigkeit durch deren Kontakt mit der
Umgebung limitiert. Durch das optische Levitieren des Systems kann dies umgangen, und diese erstaunliche Stabilität
ermöglicht werden.
Einen entscheidenden Beitrag zu dieser Studie haben Alon Kosloff und Fernando Patolsky von der Universität
Tel Aviv geleistet, die mit hoch entwickelten Ätzverfahren reinste Silizium-Stäbchen auf einer Oberfläche
produzieren können. In Wien werden diese Stäbchen dann mit einem "Laser-Hammer" von dieser
Oberfläche losgelöst und in der optischen Falle eingefangen.
Die komplexe Bewegung der angetriebenen Stäbchen theoretisch zu verstehen ist eine Herausforderung, die von
Benjamin Stickler und Klaus Hornberger an der Universität Duisburg-Essen gelöst wurde. Die Drehdynamik
des nanomechanischen Uhrzeigers ist chaotisch – ein Verhalten das man sonst zum Beispiel auch in Wetterphänomenen
und im Straßenverkehr wiederfindet. Im Falle des Nanostäbchens gibt es jedoch stabile Bereiche in diesem
Chaos, die vorhergesagt werden können und genau in diesen Bereichen bewegen sich die Nanostäbchen mit
äußerster Präzision.
Anders als die elektronische Uhr interagiert das Stäbchen mit seiner Umgebung. Die Präzision des nanomechanischen
Uhrzeigers kann daher für äußerst präzise und lokale Messungen verwendet werden um zum Beispiel
Druckänderungen über sehr kurze Distanzen mit hoher Genauigkeit zu messen. Das levitierte Stäbchen
könnte durch einen Gasstrom bewegt werden um Turbulenzen im Gas zu messen, oder durch einen Atom- bzw. Licht-Strahl
um deren Eigenschaften zu bestimmen. Eines Tages könnte es sogar möglich sein, dieses System für
die Suche nach Grenzen der Quantentheorie zu verwenden: "Bei hohen Rotationsraten ist dies ein Sensor mit
erstaunlicher Präzision. Bei niedrigen Frequenzen könnte dieses System jedoch eine Reihe ganz neuer Experimente
zur Quantenmechanik rotierender Objekte ermöglichen", so Markus Arndt.
Originalpublikation in Nature Communications:
"Optically driven ultra-stable nanomechanical rotor", S. Kuhn,
B. A. Stickler, A. Kosloff, F. Patolsky, K. Hornberger, M. Arndt and J. Millen, Nature Communications
DOI: 10.1038/s41467-017-01902-9.
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