Diözesanbischof Ägidius J. Zsifkovics bei der ökumenischen Gedenkfeier für
die im Nationalsozialismus ermordeten Jabinger Roma und Sinti: "Nur das Erinnern führt letztlich zur
Aufarbeitung, ermöglicht Versöhnung und eröffnet Zukunft"
Jabing/Eisenstadt (martinus) – "Das Reden über das, was geschehen ist – immer und immer wieder
– ist der vielleicht wichtigste Dienst, den wir gegen das Vergessen leisten können": Das betonte Bischof
Ägidius J. Zsifkovics am 20. November im Rahmen der ökumenischen Gedenkfeier an die in Jabing verfolgten,
deportierten und ermordeten Roma und Sinti. Im Anschluss an die ökumenische Feier in der katholischen Kirche
wurde eine Gedenktafel für die Opfer eingeweiht.
Mitfühlen mit den Menschen von damals
"Denk an die Tage der Vergangenheit, lerne aus den Jahren der Geschichte", zitierte Bischof Zsifkovics
das Lied des Mose im Alten Testament (Dtn 32,7). "Nur das Erinnern führt letztlich zur Aufarbeitung,
bringt ein tieferes Verstehen, ermöglicht Versöhnung und eröffnet Zukunft", so der Bischof,
der auch auf ein Wort von Kardinal Franz König, gehalten bei der Gedenk-Ansprache am 13. März 1988 in
der Wiener Staatsoper, verwies: "Wir müssen uns aufs Neue die Mühe machen, mitzudenken, mitzufühlen,
mitzuleiden, mit den Menschen von damals."
NS-Ideologie als Verbrechen gegen Menschenwürde
Der Blick auf die Vergangenheit, auch und gerade dann, "wenn er weh tut und anklagt", sei eine Notwendigkeit
für mögliches Lernen für die Zukunft. "Junge Menschen von heute fragen: wie konnte es vor 70
Jahren hier in Jabing und andernorts zu solchen Verbrechen kommen? Die absurde Ideologie des Nationalsozialismus
kam nicht von ungefähr. Sie baute auf einem verbreiteten Weltbild auf, das an die Stelle der Überzeugung
von der gleichen Würde aller Menschen auf Grund ihrer Gottesebenbildlichkeit rassistische, antisemitische,
nationalistische und völkische Fantasien gesetzt hatte", so Bischof Zsifkovics.
Nationalistische Feindbilder: der Weg zur Bestialität
Eine solche Ideologie sei der Nährboden für die Umsetzung einer nicht vorstellbaren Unmenschlichkeit
gewesen. Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts habe der österreichische Dichter Franz Grillparzer vor
nationalistischen Feindbildern und der Abwertung und Diffamierung der "anderen", der "Fremden",
die in der Missachtung der Menschenwürde als Objekt des Hasses instrumentalisiert werden, gewarnt: "Von
Humanität durch Nationalität zur Bestialität", zitierte der Bischof den Dichter.
Wertschätzung für Mut, "gegen den Strom zu schwimmen"
Zugleich dankte Bischof Zsifkovics den mutigen und warnenden Stimmen, "die die NS-Ideologie entlarvten
als einen Kampf, der sich letztlich gegen Gott und gegen den Menschen richtete. Diesen Menschen gilt heute unsere
höchste Wertschätzung und unser Dank für ihren Einsatz, ihren Mut, gegen den Strom zu schwimmen,
sowie für ihr Glaubenszeugnis, das sie mit ihrem Leben bezahlten".
Mehr als 500.000 ermordete Roma und Sinti
Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in Österreich etwa 11.000 Roma und Sinti. Mehr als 8.000 von ihnen wurden
im Nationalsozialismus ermordet. Insgesamt wurden mindestens 500.000 Roma und Sinti von den Nationalsozialisten
ermordet. Ab 1940 wurden rund 4.000 Roma und Sinti im NS-Lager Lackenbach interniert. Bei der Befreiung im April
1945 waren nicht mehr als 300 bis 400 Roma und Sinti am Leben.
Vorträge und Filmbeitrag über Stefan Horvath
Im Anschluss an die Einweihung der Gedenktafel für die im Nationalsozialismus ermordeten Jabinger Roma
und Sinti hielten Jakob Frühman "Zur Deportation der Jabinger Roma und Romnija" und Gerhard Bahmgartner
zum Thema "Die Holocaust-Opfer der Roma – Eine Spurensuche" Vorträge. Aus dem unter anderem in Jabing
gedrehten Film "Stefan Horvath – Zigeuner aus Oberwart" von Peter Wagner wurden Ausschnitte gezeigt.
Peter Sarközi, Sohn von Stefan Horvath, war eines der Opfer des von Franz Fuchs 1995 verübten Rohrbombenattentats.
Am 4. Februar 1995 wurden vier Roma – Peter Sarközi, Josef Simon, Karl und Erwin Horvath – in Oberwart durch
eine perfide Sprengfalle getötet. Der rassistisch motivierte Attentäter Franz Fuchs brachte ein Schild
mit der Aufschrift "Roma zurück nach Indien" an die Rohrbombe an.
Bedrohungen der Menschenwürde mutig entgegentreten
Bischof Zsifkovics im Rahmen der Gedenkfeier: "Wir alle sind Kinder Gottes, ohne Unterschiede. Unabhängig
von Volkszugehörigkeit, Sprachen, Kulturen, Religionen und Konfessionen kommt uns allen die gleiche Menschenwürde
zu. Stellen wir uns der Erinnerung und treten auch heute allen Bedrohungen der Menschenwürde mutig entgegen!"
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