DNS-kodierte Sensoren blicken bis tief in die Zellen
Graz (med-uni) - Ein Kaliumhaushalt im Gleichgewicht ist essentiell für einen gesunden Körper.
Daher kommt dem Wissen über die Veränderungen im Kaliumhaushalt in Körperflüssigkeiten auf
zellulärer Ebene große Bedeutung zu. ForscherInnen der Med Uni Graz ist es nun gelungen, neue DNS-kodierte
Sensoren zu entwickeln, die eine präzise Kaliumbestimmung innerhalb und außerhalb von Zellen ermöglichen.
Die neuen Sensoren sind zum Patent angemeldet.
Kaliumspiegel als wichtiger Prognosemarker
Die einfach positiv geladenen Kalium Ionen (K+) sind die am höchsten konzentrierten Ionen im Inneren aller
Körperzellen. Vor allem in den erregbaren Zellen, wie Nerven-, Muskel- und Drüsenzellen, sind genau abgestimmte
K+ Veränderungen unerlässlich für die Erfüllung spezifischer Zellfunktionen. "Jede Reizleitung
im Gehirn, jede Muskelkontraktion, jede Hormonfreisetzung im Körper wird durch genau regulierte K+ Verschiebungen
über Biomembranen exakt koordiniert", erklärt Assoz.-Prof. PD Mag. Dr. Roland Malli, Institut für
Molekularbiologie und Biochemie der Medizinischen Universität Graz. Somit spielt auch die K+ Konzentration
außerhalb der Zellen, beispielsweise in Körperflüssigkeiten wie dem Blut eine wichtige Rolle. Vor
allem die Niere ist jenes Organ, das genau darauf achtet, dass der Blutkaliumspiegel möglichst konstant gehalten
wird. "Dass bei Nierenerkrankungen Herzprobleme auftreten können, liegt fast immer an einem gestörten
Kaliumhaushalt. Auch bei vielen anderen Erkrankungen, wie etwa der Epilepsie, Stoffwechselstörungen, Neurodegenerationen
und auch bei Krebs, können intra- und extrazelluläre K+ Veränderungen einen wesentlichen Beitrag
zur Entstehung und Aufrechterhaltung der Erkrankung liefern", so Roland Malli.
Aufgrund der wichtigen biologischen Bedeutung von K+ stellt die Kenntnis über globale, lokale und dynamische
Veränderungen von K+ Werten in Körperflüssigkeiten und Körperzellen eine aussagekräftige
und wertvolle diagnostische Kenngröße dar. In der Wissenschaft werden Kaliumwerte fast ausschließlich
durch sogenannte ionenselektive Elektroden bestimmt. Diese Methode ist etabliert, automatisiert und liefert rasch
die richtigen Werte. Dennoch weist diese konventionelle Bestimmungsmethode klare Limitierungen auf. "Sie ist
invasiv, benötigt recht hohe Mengen an Probenmaterial und ist für die Erfassung lokaler extra- und intrazellulärer
K+ Änderungen mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung ungeeignet", nennt Roland Malli
die Nachteile der etablierten Methode.
Neue Sensoren blicken bis in die Zellorganellen
Einer Forschergruppe vom Institut für Molekularbiologie und Biochemie der Med Uni Graz ist es nun gelungen,
selektive und hochempfindliche Kaliumsensoren herzustellen, welche durch ihre Fluoreszenzänderungen Kaliumbestimmungen
in kleinsten Volumina von Körperflüssigkeiten zulassen und außerdem K+ Änderungen inner- und
außerhalb von Zellen genau anzeigen können. Die neuen genetisch kodierten Kaliumsensoren werden kurz
als GEPIIs (steht für: Genetically Encoded Potassium Ion Indicators) bezeichnet und bestehen aus einem bakteriellen
K+ bindenden Eiweißmolekül und zwei unterschiedlich fluoreszierenden Proteinen.
Helmut Bischof, MSc, PhD, Student in der Arbeitsgruppe von Roland Malli und Univ.-Prof. Wolfgang F. Graier, hat
diese neuen Sensoren hergestellt, umfangreich charakterisiert und für verschiedene Kaliumbestimmungen bereits
erfolgreich getestet. In Zusammenarbeit mit Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz und seinem Team von der Klinischen
Abteilung für Nephrologie der Med Uni Graz konnten die Vorteile der neuen GEPIIs bei der Kaliumbestimmung
im humanen Serum gezeigt werden. Durch eine Kooperation mit Prof. Nikolaus Plesnila vom Institut für Schlaganfall-
und Demenzforschung (ISD) der Ludwig-Maximilian Universität in München war es erstmals möglich,
die neuen K+ Fluoreszenzsensoren im Tiermodell zum Einsatz zu bringen. In einer laufenden Kooperation versuchen
die Forscher nun, Kaliumänderungen in Echtzeit im Labor zu verfolgen, um mit den neuen GEPIIs bisher unbekannte
pathologische K+ Signale aufzuspüren.
Erfindung zum Patent angemeldet
Eine Revolution in der Forschung stellt auch der Einsatz der GEPIIs zur Messung von K+ in einzelnen Zellen und
Zellorganellen, wie etwa den Mitochondrien und dem Zellkern, dar. Die Medizinische Universität Graz hat zusammen
mit den Erfindern vom Institut für Molekularbiologie und Biochemie, Helmut Bischof, Emrah Eroglu, Wolfgang
F. Graier, Roland Malli und Markus Waldeck-Weiermair, die neuen Kaliumsensoren zum Patent angemeldet. Wie für
die kürzlich von derselben Gruppe entwickelten Stickstoffmonoxidsensoren, den geNOps, werden auch die neuen
GEPIIs über das Med Uni Graz Spin-Off Unternehmen NGFI (Next Generation Fluoreszenz Imaging GmbH) bald weltweit
ForscherInnen zur Verfügung gestellt werden.
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