Zentraldepot für beschlagnahmte Sammlungen in Wien

 

erstellt am
01. 12. 17
13:00 MEZ

Eine Website Online-Edition der ging online
Wien (khm) - Am 1. Dezember ist die Edition der Karteien zum sogenannten Zentraldepot für beschlagnahmte Sammlungen in Wien online gegangen. Die Website entstand in zweijähriger Zusammenarbeit der Kommission für Provenienzforschung mit dem Archiv des Kunsthistorischen Museums Wien. Das Quellenmaterial wurde von den Archiven des Kunsthistorischen Museums und des Bundesdenkmalamts zur Digitalisierung und für die Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Die Website ermöglicht erstmals die parallele Recherche in zusammengehörenden Quellen zum nationalsozialistischen Kunstraub in Österreich, die sich in zwei unterschiedlichen Institutionen in Wien befinden. Die Online-Edition der Zentraldepotkarteien wird den Zugang zu diesen oft forschungsrelevanten Informationen, bei gleichzeitiger Schonung des Archivmaterials, für ein breites Publikum erleichtern. Interessierte Userinnen und User können so einerseits die Karteikarten durchblättern, andererseits können die transkribierten Inhalte im Volltext durchsucht werden. Die Publikation der Quellen wird weiters Erkenntnisse über die Wege der geraubten Kunstgegenstände ermöglichen, vertiefende Forschungen anstoßen und die aktive und kritische Auseinandersetzung mit der eigenen lokalen NS-Vergangenheit ins Bewusstsein rücken.

Zum historischen Hintergrund: Im Herbst 1938 wurde im ersten Stockwerk der Neuen Burg in Wien, in 15 Sälen und 18 kleineren Magazinräumen, vor allem in Richtung Burggarten gelegen, das sogenannte Zentraldepot für beschlagnahmte Sammlungen eingerichtet. Gelagert wurden hier Objekte aus Wiener Kunstsammlungen, die von den Nationalsozialisten Jüdinnen und Juden seit März 1938 systematisch entzogen worden waren. Die Kunstwerke sollten später an verschiedene Museen, unter anderem an den „Sonderauftrag Linz“, also an das von Adolf Hitler in Linz geplante Museum, verteilt werden. Mehr als 10.000 „arisierte“ Kunstgegenstände waren temporär in der Neuen Burg untergebracht.

Die administrative und wissenschaftliche Leitung des Zentraldepots lag bis zum Sommer 1940 beim Kunsthistorischen Museum, konkret in Händen des im März 1938 zum Kommissarischen Leiter avancierten Numismatikers Fritz Dworschak, der sich um die Zusammenführung der Objekte unter seinem Dach bemüht hatte. Gemeinsam mit dem neuen, nationalsozialistischen Leiter der Waffensammlung Leopold Ruprecht zeichnete Dworschak für die Katalogisierung und fotografische Dokumentation der beschlagnahmten Objekte verantwortlich. Im Zuge dieser Arbeit entstand 1939 nicht nur ein gedruckter Katalog, sondern die Zentraldepotverwaltung fertigte auch Karteikarten an, die zum Teil mit Fotos ergänzt wurden. Im Juli 1940 übernahm das Institut für Denkmalpflege (das spätere Bundesdenkmalamt) die Verwaltung des Zentraldepots. Aus diesem Grund ist auch ein Satz an Karteikarten im Archiv der Denkmalbehörde verwahrt. Heute befinden sich in den Archiven des Kunsthistorischen Museums und des Bundesdenkmalamtes gemeinsam rund 11.500 Karteikarten. Die beiden Karteien sind nicht völlig deckungsgleich, sondern bilden den jeweiligen Informationsstand der verwaltenden Institutionen ab. Die KHM-Kartei beinhaltet meist Angaben bis 1940/41, etwa, in welchem Raum des Zentraldepots sich ein Objekt befand, ob es fotografiert und bei Kriegsbeginn geborgen, manchmal auch, wohin es abgegeben wurde. Die BDA-Kartei verweist oft auch auf die tatsächliche Übergabe eines Objekts an eine Institution oder ein Museum. Sie wurde nach 1945 weitergeführt und beinhaltet in vielen Fällen Informationen zu Restitutionen in der Nachkriegszeit.

Die gemeinsame Finanzierung und Umsetzung dieses Projekts durch die Kommission für Provenienzforschung und das Archiv des Kunsthistorischen Museums Wien bietet – gerade in Zeiten knapper räumlicher und personeller Ressourcen – eine optimale Nutzung des vorhandenen technischen Know-how und zeithistorischen Wissens. Im Unterschied zu traditionellen Quelleneditionen in gedruckter Form können Korrekturen und Ergänzungen auf der Website zeitnahe erfolgen, sollten etwa Transkriptionsfehler gefunden, bislang unbekannte Kürzel entschlüsselt oder Zusatzinformationen zum aktuellen Verbleib einzelner Objekte von der Forschungscommunity zur Verfügung gestellt werden.

 

 

 

Weitere Informationen:
http://www.zdk-online.org

 

 

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at