Eine Website Online-Edition der ging online
Wien (khm) - Am 1. Dezember ist die Edition der Karteien zum sogenannten Zentraldepot für beschlagnahmte
Sammlungen in Wien online gegangen. Die Website entstand in zweijähriger Zusammenarbeit der Kommission für
Provenienzforschung mit dem Archiv des Kunsthistorischen Museums Wien. Das Quellenmaterial wurde von den Archiven
des Kunsthistorischen Museums und des Bundesdenkmalamts zur Digitalisierung und für die Veröffentlichung
zur Verfügung gestellt. Die Website ermöglicht erstmals die parallele Recherche in zusammengehörenden
Quellen zum nationalsozialistischen Kunstraub in Österreich, die sich in zwei unterschiedlichen Institutionen
in Wien befinden. Die Online-Edition der Zentraldepotkarteien wird den Zugang zu diesen oft forschungsrelevanten
Informationen, bei gleichzeitiger Schonung des Archivmaterials, für ein breites Publikum erleichtern. Interessierte
Userinnen und User können so einerseits die Karteikarten durchblättern, andererseits können die
transkribierten Inhalte im Volltext durchsucht werden. Die Publikation der Quellen wird weiters Erkenntnisse über
die Wege der geraubten Kunstgegenstände ermöglichen, vertiefende Forschungen anstoßen und die aktive
und kritische Auseinandersetzung mit der eigenen lokalen NS-Vergangenheit ins Bewusstsein rücken.
Zum historischen Hintergrund: Im Herbst 1938 wurde im ersten Stockwerk der Neuen Burg in Wien, in 15 Sälen
und 18 kleineren Magazinräumen, vor allem in Richtung Burggarten gelegen, das sogenannte Zentraldepot für
beschlagnahmte Sammlungen eingerichtet. Gelagert wurden hier Objekte aus Wiener Kunstsammlungen, die von den Nationalsozialisten
Jüdinnen und Juden seit März 1938 systematisch entzogen worden waren. Die Kunstwerke sollten später
an verschiedene Museen, unter anderem an den „Sonderauftrag Linz“, also an das von Adolf Hitler in Linz geplante
Museum, verteilt werden. Mehr als 10.000 „arisierte“ Kunstgegenstände waren temporär in der Neuen Burg
untergebracht.
Die administrative und wissenschaftliche Leitung des Zentraldepots lag bis zum Sommer 1940 beim Kunsthistorischen
Museum, konkret in Händen des im März 1938 zum Kommissarischen Leiter avancierten Numismatikers Fritz
Dworschak, der sich um die Zusammenführung der Objekte unter seinem Dach bemüht hatte. Gemeinsam mit
dem neuen, nationalsozialistischen Leiter der Waffensammlung Leopold Ruprecht zeichnete Dworschak für die
Katalogisierung und fotografische Dokumentation der beschlagnahmten Objekte verantwortlich. Im Zuge dieser Arbeit
entstand 1939 nicht nur ein gedruckter Katalog, sondern die Zentraldepotverwaltung fertigte auch Karteikarten an,
die zum Teil mit Fotos ergänzt wurden. Im Juli 1940 übernahm das Institut für Denkmalpflege (das
spätere Bundesdenkmalamt) die Verwaltung des Zentraldepots. Aus diesem Grund ist auch ein Satz an Karteikarten
im Archiv der Denkmalbehörde verwahrt. Heute befinden sich in den Archiven des Kunsthistorischen Museums und
des Bundesdenkmalamtes gemeinsam rund 11.500 Karteikarten. Die beiden Karteien sind nicht völlig deckungsgleich,
sondern bilden den jeweiligen Informationsstand der verwaltenden Institutionen ab. Die KHM-Kartei beinhaltet meist
Angaben bis 1940/41, etwa, in welchem Raum des Zentraldepots sich ein Objekt befand, ob es fotografiert und bei
Kriegsbeginn geborgen, manchmal auch, wohin es abgegeben wurde. Die BDA-Kartei verweist oft auch auf die tatsächliche
Übergabe eines Objekts an eine Institution oder ein Museum. Sie wurde nach 1945 weitergeführt und beinhaltet
in vielen Fällen Informationen zu Restitutionen in der Nachkriegszeit.
Die gemeinsame Finanzierung und Umsetzung dieses Projekts durch die Kommission für Provenienzforschung und
das Archiv des Kunsthistorischen Museums Wien bietet – gerade in Zeiten knapper räumlicher und personeller
Ressourcen – eine optimale Nutzung des vorhandenen technischen Know-how und zeithistorischen Wissens. Im Unterschied
zu traditionellen Quelleneditionen in gedruckter Form können Korrekturen und Ergänzungen auf der Website
zeitnahe erfolgen, sollten etwa Transkriptionsfehler gefunden, bislang unbekannte Kürzel entschlüsselt
oder Zusatzinformationen zum aktuellen Verbleib einzelner Objekte von der Forschungscommunity zur Verfügung
gestellt werden.
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