Mit einer neuen, an der TU Wien entwickelten Baumethode hat die ÖBB-Infrastruktur AG nun
eine Wildbrücke an der zukünftigen Koralmbahn errichtet. Statt stützender Gerüste kam ein Luftkissen
zum Einsatz.
Wien (tu) - Will man Brücken oder Kuppeln in gewöhnlicher Schalenbauweise errichten, dann muss
man normalerweise ein teures Gerüst aufstellen. An der TU Wien wurde nun allerdings eine deutlich ressourcenschonendere
und billigere Bautechnik entwickelt: Der Beton wird während des Bauprozesses nicht von einer Stützkonstruktion
getragen, sondern von einem Luftkissen, das langsam aufgeblasen wird.
Erste Großversuche fanden bereits vor drei Jahren auf einem Testgelände der TU Wien statt, nun wurde
die neue Methode erstmals in der Praxis eingesetzt. Die ÖBB-Infrastruktur AG wandte mit TU-Unterstützung
das Bauverfahren erfolgreich an, um eine Wildbrücke über einen neugebauten Streckenabschnitt der Koralmbahn
zu errichten.
Erst Platte, dann Kuppel, dann Brücke
Die Grundidee ist einfach: Wenn man eine Orangenschale regelmäßig einschneidet, kann man sie flach auf
dem Tisch ausbreiten. Die an der TU Wien entwickelte „Pneumatic Forming of Hardened Concrete“ Baumethode funktioniert
genau umgekehrt. Man beginnt mit einer ebenen Betonfläche, mit keilförmigen Aussparungen, die zu einer
runden Kuppel wird. Unter der Betonplatte befindet sich ein riesengroßes Luftkissen aus Kunststoff, das langsam
aufgeblasen wird, wenn der Beton ausgehärtet ist. Hydraulisch gespannte Stahlkabel sorgen dafür, dass
der Beton während dieses Vorgangs die richtige Form annimmt.
„Der Aufblasvorgang dauerte ungefähr fünf Stunden, danach hatten wir eine längliche Betonkuppel
mit einer Innenhöhe von 7.60m“, sagt Benjamin Kromoser vom Institut für Tragkonstruktionen der TU Wien.
Er hat die Baumethode im Rahmen seiner Dissertation bei Prof. Johann Kollegger entwickelt und beim aktuellen Projekt
eng mit den ÖBB zusammengearbeitet. Um aus der Kuppel eine Brücke zu machen, wurde die Betonschale dann
an beiden Enden abgeschnitten und mit einem Torbogen-Abschluss versehen. Die neue Koralmbahnstrecke wird unter
der Brücke hindurchgebaut, außen an der Betonkonstruktion wird noch Erde angeschüttet, sodass Tiere
in Zukunft problemlos über die Brücke auf die andere Seite der Bahnstrecke gelangen können.
Energie, Geld und Ressourcen sparen
Die Methode hat große Vorteile, verglichen mit herkömmlichen Brückenbautechniken: „Man benötigt
ein kleines bisschen mehr Beton, aber dafür 40% weniger Stahl“, erklärt Benjamin Kromoser. Außerdem
ist unsere Methode energieeffizienter, 40% der anfallenden CO2-Äquivalente können eingespart werden,
und insgesamt ist die TU-Methode auch noch deutlich billiger. „Der Preis wird noch weiter sinken, wenn Baufirmen
mehr Erfahrung mit der neuen Technik haben. Wir rechnen damit, dass unsere Methode schließlich Einsparungen
in der Größenordnung von 15-30% bringt“, sagt Kromoser.
Die Idee, eine Betonkonstruktion ohne Gerüst, sondern durch kontinuierliche Verformung zu errichten, hatte
Prof. Johann Kollegger schon vor mehreren Jahren. Seither arbeitet er mit seinem Team daran, alle technischen Hürden
auf dem Weg zur Anwendung Schritt für Schritt zu beseitigen.
Dass eine wissenschaftliche Entwicklung innerhalb weniger Jahre den Weg in die Anwendung findet, ist im Baubereich
nicht unbedingt üblich. „Wir sind wirklich froh, dass die ÖBB den Mut hatte, ein innovatives Verfahren
auszuprobieren. Für die weitere Verbreitung der Methode ist es sehr wichtig, dass nun ein echter Prototyp
fertiggestellt werden konnte“, sagt Johann Kollegger. „Besonders freut uns auch, dass sich unsere Berechnungen
über die Ressourceneffizienz der Methode als richtig herausgestellt haben. Manchmal werden solche Ideen nur
auf akademischem Niveau ausgearbeitet – aber wenn man eine neue Methode dann tatsächlich in der Praxis anwendet,
stößt man auf viele Details, die es noch zu optimieren gilt. Daher war es für uns so spannend,
das Projekt wirklich bis zur Fertigstellung begleiten zu können.“, sagt Benjamin Kromoser.
Die innovative Wildbrücke ist im Kärntner Abschnitt der Koralmbahn, einem Schlüsselprojekt der neuen
Südstrecke der ÖBB-Infrastruktur AG situiert. Nach der Fertigstellung der Konstruktion und der Geländemodellierung
werden nun hier die Erdbauarbeiten fortgesetzt, bevor in weiterer Folge die bahntechnische Ausrüstung für
die Hochleistungs- Eisenbahnstrecke installiert wird.
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