Austausch mit dem marokkanischen Justizminister, Experten aus Jordanien, Ägypten und den
Niederlanden sollen Extremismusprävention und Deradikalisierung unterstützen – Marokko-Abkommen
für die Überstellung von Häftlingen bis Ende 2018 möglich
Wien (bmj) - Vizekanzler und Justizminister Wolfgang Brandstetter ist sich der ansteigenden Zahl von Radikalisierung
in Justizanstalten bewusst:“ Wir haben rasch auf diese gesellschaftspolitische Entwicklung reagiert, und mir war
von Beginn an klar, dass wir insbesondere in Justizanstalten Radikalisierungstendenzen konsequent und effektiv
entgegentreten müssen“, erläutert Brandstetter am 14. Dezember am Rande des Workshops.
Aufgrund der nach wie vor hohen Brisanz der Thematik lud Brandstetter den marokkanischen Justizminister Mohamed
Aujjar, ausgewiesene Experten aus Jordanien und Ägypten sowie zwei Vertreter des Instituts für Forensische
Psychiatrie und Psychologie in Utrecht zum Austausch nach Wien ein. „Gemeinsam mit Experten des österreichischen
Strafvollzugs, einem Vertreter von DERAD sowie Experten für Menschen-und Frauenrechte suchen wir hier in Wien
heute den fachlichen Austausch, um von gegenseitigen Erfahrungen zu profitieren und auf diese Entwicklung reagieren
zu können. Vor allem Länder wie Marokko und Jordanien haben im Bereich der Deradikalisierung im Strafvollzug
viele wertvolle Erfahrungen gemacht. Es ist wichtig, auch über die Grenzen der EU hinaus, hier den Austausch
von Know-How zu suchen“; stellt der Ressortchef klar.
Waren es in den Jahren 2002 bis 2013 noch 4 Verdächtige, die wegen diverser Terrordelikte in österreichischen
Gefängnissen saßen, so sind aktuell 67 Personen wegen des Verdachts der Mitgliedschaft bei einer Terrorgruppe
oder der Unterstützung einer solchen in Haft, Tendenz steigend. Brandstetter hat bereits 2015 eine eigene
Task Force „De-Radikalisierung im Strafvollzug“ eingesetzt. „Wir haben ein umfassendes Maßnahmenpaket umgesetzt.
Dieses beinhaltet neben besonderen Sicherheitsbestimmungen einen individuellen Vollzugsplan, eigens geschulte Justizwachebedienstete
und seit Juni 2017 auch die Unterstützung des Vereins DERAD mithilfe von eigens konzipierten Gesprächsformaten“,
so Brandstetter.
Es sei laut Justizminister wichtig, das System ständig an die sich ändernden Rahmenbedingungen anzupassen
und zu aktualisieren. „Es ist notwendig, vom Screeningverfahren zur Risikoeinschätzung am Beginn der Haft
bis zur Nachbetreuung nach Haftentlassung für diese spezielle Tätergruppe intensiv zusammenzuarbeiten,
um künftige extremistische Handlungen zu unterbinden und internationale Fachkompetenz auch auf europäischer
Eben zu nutzen“, so der Vizekanzler.
Nach dem bilateralen Besuch von Vizekanzler und Justizminister von Wolfgang Brandstetter in Marokko Ende Oktober
dieses Jahres, folgte nun der Gegenbesuch seines Amtskollegen Mohamed Aujjar. Nachdem dort eine Absichtserklärung
für ein Abkommen zur wechselseitigen Überstellung von Häftlingen unterzeichnet wurde, beschloss
der Ministerrat noch im November das Verhandlungsmandat. Seitdem werde in Zusammenarbeit mit dem Justizministerium
auf Beamten Ebene an den Formulierungen gefeilt, so Brandstetter: „Dieses Abkommen wird sowohl vom Königreich
Marokko als auch von uns sehr ernst genommen. Dass wir heute schon einen Erstentwurf in Händen halten, ist
der Beweis dafür. Beide Seiten wollen den Abschluss im kommenden Jahr erzielen“. Im Erstentwurf habe man schon
erste Ziele und Eckpunkte des Vertrags definiert. Fixiert habe man auch einen Verhandlungspfad, so Brandstetter:
„Das ist ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem gemeinsamen Erfolg mit Marokko“.
In Zahlen ausgedrückt, geht es bei der potentiellen Kooperation mit Marokko um rund 55.500 Hafttage von marokkanischen
Häftlingen, von denen Brandstetter eine möglichst hohe Zahl zum Vollzug überstellen will: „Es ist
selbstverständlich, dass wir Überstellungen nur innerhalb der rechtlichen Rahmenbedingungen und im Einklang
mit der Menschenrechtskonvention durchführen können“, stellt der Vizekanzler klar. „Mit Marokko ist das
aber möglich, davon habe ich mich selbst überzeugt. Dieses Land orientiert sich in jüngster Zeit
stark an europäischen Werten und verdient jede Unterstützung. Das geplante Abkommen ist natürlich
wechselseitig und ermöglicht ‚Haft in der Heimat‘ auch für österreichische Häftlinge in Marokko“,
so Brandstetter abschließend.
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