Ausstellung von 15.12.2017 - 18.2.2018
Innsbruck (tlm) - Mit „arttirol. Kunstankäufe des Landes Tirol 2014 – 2016“ präsentiert das Tiroler
Landesmuseum Ferdinandeum Werke von zeitgenössischen KünstlerInnen. Rund 50 Arbeiten u. a. von Annja
Krautgasser, Renate Bertlmann, Heimo Zobernig, Franz Wassermann oder Rens Veltman wurden vom Land Tirol in den
letzten drei Jahren angekauft und sind in der Ausstellung zu sehen. Sie umfassen Fotoarbeiten, Videos, Gemälde,
Installationen, Collagen, Animationen, Dokumentationen und Grafiken.
Schwerpunkt der Ankäufe des Landes sind Werke von zeitgenössischen KünstlerInnen aus Tirol. Dazu
kommen Arbeiten von österreichischen KünstlerInnen, die international beachtete Positionen vertreten,
und solche, die einen Bezug zu Tirol haben. Die gesamte Kunstsammlung des Landes Tirol weist über 8.000 Werke
auf. Sie wird seit der Gründung der Tiroler Landesmuseen-Betriebsgesellschaft m.b.H. von dieser fachlich betreut.
Die Ausstellung im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum macht Ankäufe der Periode 2014 bis 2016 öffentlich
zugänglich.
Drin. Beate Palfrader, Landesrätin für Kultur, betont: „Der Ankauf von Werken aktuell tätiger Künstlerinnen
und Künstler ist seit vielen Jahren ein wesentliches Element der Kunstförderung des Landes Tirol. In
den vergangenen Jahrzehnten ist es dadurch gelungen, eine beachtliche Sammlung zeitgenössischer Kunst aufzubauen.“
Sie fährt fort: „Als Element der Kunstförderung sind die Ankäufe aber mehr als nur finanzielle Zuwendungen.
Es sind damit auch öffentliche Anerkennung und Aufmerksamkeit verbunden.“
PD Dr. Wolfgang Meighörner, Direktor der Tiroler Landesmuseen, über die Ankäufe: „Das Sammeln und
Erwerben gehört zusammen mit dem Forschen, Bewahren und Vermitteln zu den Hauptaufgaben eines Museums. Die
Ankäufe des Landes Tirol erweitern die Sammlung zeitgenössischer Kunst der Tiroler Landesmuseen. Mit
den neuen Exponaten schreiben wir die Dokumentation sowohl der Tiroler Kunst als auch der Kunst, die in Zusammenhang
mit dem alpinen Kulturraum zu sehen ist, fort.“
Sammlung zeitgenössischer Kunst
Um den Aufbau einer Sammlung zeitgenössischer Kunst mit eigenständigem Profil zu gewährleisten,
ernannete das Land Tirol 2001 erstmals eine unabhängige Fachjury, die Werke für den Ankauf empfiehlt.
Die angekauften Werke werden direkt in den Bestand der Modernen Galerie im Ferdinandeum integriert. Die Jury für
die aktuellen Ankäufe setzt sich aus Dr. Günther Dankl, Kustos der Kunstgeschichtlichen Sammlungen ab
1900 & Grafischen Sammlungen der Tiroler Landesmuseen, Dr. Matthias Mühling, Direktor Lenbachhaus München,
und Dr. Eva Maria Stadler, Universität für angewandte Kunst Wien zusammen. Dr. Günther Dankl hält
als Mitglied der Ankaufsjury fest: „Die Auswahl haben wir in einem gemeinschaftlichen Findungsprozess getroffen.
Ich freue mich, dass die angekauften Werke in die Sammlung der Modernen Galerie des Ferdinandeum Eingang finden.“
Basierend auf einer Analyse des Sammlungsbestands des Landes Tirol und der Tiroler Landesmuseen entwickelte die
Jury einen Schwerpunktkatalog für neue Ankäufe. Der Fokus lag auf feministischen Positionen der 1970er
und 1980er Jahre und der Gegenwartskunst, Positionen mit aktueller gesellschaftspolitischer Auseinandersetzung
sowie internationalen Positionen mit klarer Anbindung an das regionale Kunstgeschehen und in Tirol stattgefundene
Ausstellungen. Die aktuell angeschafften Werke der Sammlung bilden ein breites Spektrum an zeitgenössischer
Kunst ab.
Feministische Positionen
Mit Monika Baer, Renate Bertlmann, Carola Dertnig, Maria Hahnenkamp und Annja Krautgasser wird die Sammlung des
Landes mit Werken von Künstlerinnen mit feministischen, medialen, dokumentarischen und malerischen Positionen
erweitert.
Monika Baer arbeitet mit oft sehr gewalttätigen und zerbrechlichen Vorstellungen des Körpers. Im großformatigen
Gemälde „Ohne Titel (Mädchen)“ aus dem Jahr 1999 kombiniert Baer verschiedene Maltechniken und setzt
sie miteinander in Verbindung.
Im Zentrum von Renate Bertlmanns Arbeit stehen die Themen Liebe, Erotik und Sexualität. Sie wirft ein Schlaglicht
auf die innersten Bereiche der weiblichen Psyche, macht sie öffentlich und stellt sie in einen gesellschaftlichen
Zusammenhang. Aus weiblicher Sicht stellt Bertlmann Wünsche und Gefühle dar, spricht vom Geschlechterkampf,
demaskiert die Gesellschaft als geprägt von einer männlich bestimmten Sexualität und übernimmt
verschiedene männliche und weibliche Rollen, um unterschiedliche Identitäten aufzuspüren und zu
erkunden.
Carola Dertnig stellt in ihren Collagen einen Zusammenhang zwischen scheinbar Unzusammenhängendem her. Sie
benützt für ihre Collagen häufig private Fotos, Zeichnungen und Textfragmente, mit denen sie den
Kontext ihrer eigenen künstlerischen Praxis umreißt.
Die österreichische Künstlerin Maria Hahnenkamp thematisiert in ihren Arbeiten seit Ende der 1980er Jahre
gesellschaftliche Zuschreibungen an den weiblichen Körper und die damit zusammenhängenden stereotypen
Rollen, Rituale und Gesten. Indem sie seit der Werkgruppe „Körper-Diskurse“ (2005) Textfragmente von Judith
Butler verwendet, einer der wichtigsten feministischen Theoretikerinnen der 1990er Jahre, zeigt sie den weiblichen
Körper als einen Effekt sprachlicher Prozesse.
Annja Krautgasser rückt in ihrer Arbeit „Simple Men Dance“ das soziale Potenzial des Tanzes in den Vordergrund.
Sie begreift ihn als Bewegung, die mehr ist als eine Performance im öffentlichen Raum. Für ihre 2011
im Ferdinandeum gezeigte Ausstellung baute Krautgasser ein Set aus dem Film „Simple Men“ (1992) nach, in dem Hal
Hartley drei Tänzer zu Kool Things von Sonic Youth tanzen lässt. In einem offenen Casting wurde im Rahmen
der Ausstellung „I can’t stand the quiet“ nach TänzerInnen gesucht, die die Tanzszene interpretierten und
damit selbst ein Teil von Krautgassers Kunst wurden. Im Rahmen der Kunstankäufe des Landes Tirol 2014 – 2016
wurden das nachgebaute Filmset und eine dazugehörige Fotodokumentation angekauft.
Erinnerungskultur
Franz Wassermanns „Temporäres Denkmal – Prozesse der Erinnerung“ von 2004/05 stellt ein wichtiges Zeichen
der Erinnerungskultur in Tirol dar. Er beschäftigt sich darin mit dem Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten
und setzt sich mit den Geschichten der Ermordeten auseinander.
Klaus Auderers Arbeit „Psychopath Parks“ zeigt seine Auseinandersetzung mit Konflikten im Nahen Osten, ausgehend
von persönlichen Erlebnissen im Zuge eines Aufenthaltes in Israel. Während Auderers Zeit dort gab es
pro Monat bis zu 20 Selbstmord-Bombenanschläge, darunter einen, der in unmittelbarer Nähe seines Studios
sechzig Menschen tötete. Anhand dieser Erfahrungen versucht Auderer sich in die Position eines stark traumatisierten
Kindes zu begeben und zeichnerisch auf die Situation und Fotos, die in diversen „Kriegsmuseen“ gemacht wurden,
zu reagieren.
Rens Veltmans konzeptuelle Dokumentation „Die Tabakfabrik“ aus dem Jahr 1980 ist ein bedeutendes Zeugnis um eine
kulturpolitische Diskussion in Schwaz. Die Schwazer Tabakfabrik wurde im Jahr 1830 gegründet, um der damaligen
großen Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Den Ausgangspunkt für den Künstler bilden die sozialen
und politischen Bedingungen der ArbeiterInnen, die weit über hundert Jahre in dieser Fabrik gearbeitet haben.
Serielles und Mediales
Die beiden seriellen Werke von Thomas Bayrle unterstreichen dessen Reflexionen auf die Warenwelt. Bayrles Arbeiten
basieren auf einem grafischen Grundprinzip. Ausgehend von traditionellen Techniken gehörte er zu den ersten
deutschen KünstlerInnen, die computergenerierte und animierte Kunst produzierten. Mit der Reflexion auf eine
Warenwelt als Anhäufung von multiplizierbaren, wiederholbaren Formen und Piktogrammen liefert Bayrle nicht
nur einen Kommentar zur Gesellschaft, sondern verweist auf seine eigenen künstlerischen Mittel.
Ebenfalls am Computer entwickelt Gerwald Rockenschaub seine abstrakten Motive seiner Bilder, die als Datensatz
eingelesen, mehrfarbig ausgestanzt und als plane Fläche auf Alucore aufgezogen werden. Was als Bild erscheint,
beruht nicht länger auf Farbe als ursprünglichem Material, sondern ist bereits industriell vorfabriziert.
Sein Werk ist geprägt durch das Prinzip der radikalen Reduktion und Konzentration auf die wesentlichen Elemente
und Strukturen. Mit Fotoarbeiten von Gregor Sailer, Arno Gisinger und Karl Heinz Koller werden die Fotosammlungen
um Werke der künstlerischen Dokumentarfotografie bereichert.
Ergänzungen und Erweiterung bereits bestehender Bestände
Der Ankauf einer Werkgruppe von Helmut Schober ergänzt den Bestand um wichtige Arbeiten der 1970er Jahre.
Mit Werken von Tobias Hantmann, dessen „White bull sustaining support“ sich zwischen Grisaillemalerei und Tapisserie
bewegt, sowie solchen von Heimo Zobernig und Daniel Sharif Baruwa wird der bereits bestehende Bestand dieser Künstler
um neue Facetten erweitert.
Neue Künstler
Erstmals in die Sammlungen integriert wurden Werke aus der Hand von Toni Kleinlercher, Stefan Dillemuth, Christopher
Grüner und Lukas Thaler.
Publikation
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit dem Titel „arttirol. Kunstankäufe des Landes Tirol 2014 – 2016“,
herausgegeben vom Land Tirol/Abteilung Kultur, mit Beiträgen von Klaus Auderer, Reinhard Braun, Günther
Dankl, Thomas Feuerstein, Harald Fricke, Christopher Grüner, Cornelia Lein, Christian Milovanoff, Jessica
Morgan, Matthias Mühling, Dieter Ronte, Uta Ruhkamp, Gregor Sailer und Eva Maria Stadler. 80 Seiten, Preis
€ 9,50.
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