Proteinanalyse zeigt, dass altersbedingte Zellveränderungen Tumore verursachen
Wien (universität) - Genetische Mutationen wurden in den letzten Jahrzehnten als Ursache für Krebs
betrachtet. Moderne post-genomische Analyseverfahren wie Proteomics und Metabolomics erlauben mittlerweile, völlig
neue Mechanismen für die Entstehung von chronischen Erkrankungen, wie unter anderen Krebs, zu erkennen. Christopher
Gerner von der Fakultät für Chemie der Universität Wien und sein Team zeigen in einer interdisziplinären
Studie einen altersbedingten Mechanismus zur Ausbildung von Blutkrebs auf, bei dem genetische Veränderungen
als Folge krankheitsbedingter zellulärer Veränderungen entstehen. Die Ergebnisse erscheinen aktuell in
"Molecular & Cellular Proteomics".
Chronisch lymphatische Leukämie (CLL) ist die häufigste Form von Blutkrebs in der westlichen Welt und
noch immer unheilbar. Sie tritt typischerweise erst im fortgeschrittenen Alter auf. Die klinische Therapie beruht
im Wesentlichen auf Versuchen, die Tumorzellen mittels programmiertem Zelltod zum Absterben zu bringen, wodurch
immerhin eine deutliche Verlängerung der Überlebenszeit der PatientInnen erreicht werden kann.
Schon vor knapp einhundert Jahren hat der deutsche Biochemiker Otto Warburg die mögliche Beteiligung von Zellkraftwerken
– den Mitochondrien – für Krebserkrankungen erforscht. Der danach folgende überragende Erfolg der Genetik
hat viele seiner Beobachtungen obsolet erscheinen lassen. Die aktuelle post-genomische Forschung beschäftigt
sich damit, die Rolle von Mitochondrien bei der Entstehung von Tumoren wieder neu zu entdecken.
Eine umfassende Proteinanalyse am Institut für Analytische Chemie, in Kooperation mit dem Rudolfinerhaus und
der Medizinischen Universität Wien, hat nun überraschende Ergebnisse gebracht: "Bei der Untersuchung
der weißen Blutkörperchen von jüngeren und älteren, jeweils gesunden SpenderInnen und CLL-PatientInnen
hat sich gezeigt, dass tumorassoziierte Mutationen nicht zufällig entstehen, sondern von einem durch mitochondrielle
Aktivitäten definierten Milieu gezielt selektiert werden können", sagt Christopher Gerner, Professor
für Bioanalytik an der Universität Wien, der seit vielen Jahren aktuelle Aspekte der Krebsforschung erforscht.
Die Publikation fügt sich damit nahtlos in eine Reihe aktueller Arbeiten ein, welche die dominante Rolle der
Mitochondrien im zellulären Stressmanagement sowie in der genomischen Plastizität und der Ausbildung
von Stammzell-Eigenschaften beschreiben. Die möglichen Konsequenzen für Risikoabschätzung und die
Entwicklung neuer Therapiestrategien für Krebserkrankungen sind noch völlig unabsehbar. "Ich bin
sehr verblüfft über diese Resultate aus den neuen Forschungsmethoden. Mein durch jahrzehntelange Erfahrung
geprägtes Bild dieser Erkrankung erfährt gerade eine umfassende Aktualisierung", so Josef Schwarzmeier
vom Rudolfinerhaus, der die PatientInnen dieser Studie betreut, abschließend.
Publikation in "Molecular Cellular Proteomics"
Proteomics and metabolomics identify molecular mechanisms of aging potentially
predisposing for chronic lymphocytic leukemia. Rupert L. Mayer, Josef D. Schwarzmeier, Marlene C. Gerner, Andrea
Bileck, Johanna C. Mader, Samuel M. Meier-Menches, Samuel M. Gerner, Klaus G. Schmetterer, Tobias Pukrop, Albrecht
Reichle, Astrid Slany, Christopher Gerner. Molecular Cellular Proteomics.
DOI: doi:10.1074/mcp.RA117.000425
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