Jährlich 560 Mio. chinesische Pakete im Cross-Border-Handel gelangen ohne Einfuhrumsatzsteuer
nach Europa
Wien (handelsverband) - Mehr als 10 Prozent der Umsätze im österreichischen Einzelhandel werden
bereits Online erwirtschaftet, das entspricht rund 6,8 Mrd. Euro. Das Problem: Die Hälfte dieses Online-Umsatzes
kommt nicht beim heimischen Handel an, sondern fließt ins Ausland. Besonders problematisch ist das Cross-Border-Geschäft
mit asiatischen Händlern und Plattformen, insbesondere aus China. Aktuell werden vorwiegend über Alibaba
(AliExpress) 560 Mio. Pakete pro Jahr in die Europäische Union verschickt. 97 Prozent dieser Sendungen kommen
gänzlich zoll- und mehrwertsteuerfrei in die EU und ein Großteil der restlichen 3 Prozent zumindest
ohne Einfuhrzoll.
Möglich wird diese massive Steuerumgehung durch die EU-Mehrwertsteuerbefreiung für Postlieferungen aus
Drittländern unter 22 Euro Warenwert sowie durch die Zollfreigrenze von 150 Euro. Viele asiatische Online-Händler
nutzen diese Freigrenzen mit allen legalen und zum Teil auch mit weniger legalen Mitteln aus, u.a. indem sie Sendungen
bewusst falsch deklarieren. Gerne werden etwa Sneakers bei Versendung in die EU zwar mit dem tatsächlichen,
über der 22 Euro Freigrenze liegenden Warenwert, dem Konsumenten verrechnet, aber mit einem weit niedrigeren
Wert deklariert, um Zoll und Einfuhrumsatzsteuer zu umgehen.
"Die Dimensionen sind gewaltig: Pro Tag gehen rund 9 Mio. Sendungen allein aus China in den weltweiten Cross-Border-Handel,
ein Viertel davon nach Europa. Wir sprechen hier also in Summe von 560 Mio. Sendungen jährlich, für die
keine Einfuhrumsatzsteuer in Europa entrichtet wird – eine massive Wettbewerbsverzerrung. Einerseits entgehen dadurch
dem Staat Millionen an Steuereinnahmen, andererseits werden heimische Händler aus dem Markt gedrängt,
da die asiatische Konkurrenz ihre Billigprodukte durch diese Steuervorteile noch günstiger anbieten kann",
erklärt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes. Daher sollten Plattformen die Umsatzsteuer
aus B2C-Verkäufen für ihre Handelspartner aus Drittländern unmittelbar abführen, wie es in
Großbritannien bereits seit einem Jahr der Fall ist. Die britischen Behörden schätzen die Mehreinnahmen
2016 auf eine Milliarde Pfund.
Auch die EU hat das Problem mittlerweile erkannt: So soll die Steuerbefreiung für die Einfuhr von Kleinsendungen
unter 22 Euro Warenwert aus Drittstaaten wieder abgeschafft werden – allerdings erst mit 1. Jänner 2021. Dies
würde einen Anstieg der Mehrwertsteuereinnahmen der EU-Mitgliedstaaten von 7 Mrd. EUR jährlich bewirken
und die Wettbewerbsbedingungen für die gegenwärtig benachteiligten europäischen Unternehmen entscheidend
verbessern. Angesichts jährlicher Wachstumsraten von 20 Prozent im chinesischen Cross-Border-Handel kommt
die geplante Abschaffung in vier Jahren leider viel zu spät. Die Schweiz, wo AliExpress mit einem Umsatz von
130 Mio. Franken bereits unter den zehn größten Onlineshops rangiert, ist hier als Nicht-EU-Mitglied
weiter: Dort soll die strengere Regulierung von asiatischen Online-Plattformen bereits Anfang 2019 umgesetzt werden
und so die korrekte Deklarierung jedes einzelnen Paketes sicherstellen.
Der Handelsverband fordert ein identisches Verfahren wie in der Schweiz auch für den EU-Raum und für
Österreich.
"Die Wachstumsraten von AliExpress und anderen chinesischen Billig-Anbietern sind gewaltig. Hier kommt eine
echte Lawine auf Europa zu, wenn wir nicht rechtzeitig gegensteuern. Unfaire Steuerregelungen, die Billigwaren
in die EU schleusen, müssen endlich abgeschafft werden. Jedes heimische KMU wird mit der Körperschaftssteuer
belastet, während internationale Online-Händler aus Drittstaaten ohne physische Präsenz in Österreich
diese umgehen können. Die von Bundeskanzler Kurz bereits angekündigte Einführung der digitalen Betriebsstätte
könnte hier rasch Abhilfe schaffen und ungerechte Gewinnverschiebungen verhindern. Damit wäre der zusätzliche
Preisvorteil dahin, heimische Arbeitsplätze im Handel würden geschützt und die Steuereinnahmen in
Österreich würden steigen", appelliert Harald Gutschi, Vizepräsident des österreichischen
Handelsverbandes und Geschäftsführer der UNITO-Gruppe, an die neue Bundesregierung.
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