Behindertenanwalt Hansjörg Hofer nimmt eine erste Bewertung vor
Wien (bmask) - Etwa 1,3 Mio. Österreicherinnen und Österreicher sehen sich selbst als Menschen
mit Behinderung. Das sind rund 18 % der österreichischen Wohnbevölkerung. Das soeben beschlossene Regierungsprogramm
2017 - 2022 enthält einige für Menschen mit Behinderung wichtige Festlegungen der neuen Bundesregierung.
Behindertenanwalt Hansjörg Hofer beurteilt das Regierungsprogramm durchaus differenziert und sieht sowohl
positive als auch negative Aspekte.
So ist hervorzuheben, dass die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung die Grundlage für
die österreichische Rechtsordnung in diesem Bereich sein soll. Auch die Absicht, den Nationalen Aktionsplan
für Menschen mit Behinderung für den Zeitraum 2021 - 2030 weiter zu führen, ist zu begrüßen.
Dabei geht der Behindertenanwalt davon aus, dass die Bundesregierung einem partizipativen Prozess breiten Raum
einräumen wird, um die Einbindung der Betroffenen sicher zu stellen. Der Aktionsplan muss konkrete Zielsetzungen,
Kennzahlen und Indikatoren vorsehen.
Die Vorhaben der Bundesregierung im Bereich Bildung sieht der Behindertenanwalt äußerst kritisch. Statt
eines Umbaus der Schulen in Richtung Inklusion im Unterricht wird dem Erhalt und der Stärkung des Sonderschulwesens
das Wort geredet. Dies widerspricht nicht nur den Zielsetzungen der UN-Behindertenrechtskonvention, sondern versäumt
auch die Gelegenheit, Kindern und Jugendlichen ohne Behinderung die Normalität gleichaltriger Menschen mit
Behinderung zu vermitteln. Damit könnten Vorurteile wirkungsvoll und effizient bekämpft werden.
Menschen mit Behinderung sind in Österreich deutlich häufiger und signifikant länger von Arbeitslosigkeit
betroffen als Menschen ohne Behinderung. Den zur beruflichen Eingliederung von Menschen mit Behinderung genannten
Maßnahmen im Regierungsprogramm ist grundsätzlich zuzustimmen, es fehlen allerdings Aussagen dazu, wie
die nötigen zusätzlichen Mittel aufgebracht werden sollen. Begrüßt wird das Bekenntnis, Menschen
mit Behinderung als eine eigene Zielgruppe im AMS zu verankern, womit eine wiederholt vorgebrachte Forderung auch
der Behindertenanwaltschaft aufgegriffen wird.
Die Absicht, im Bereich der Einrichtungen zur "Beschäftigungstherapie" lediglich das Taschengeld
zu erhöhen, ist rundweg abzulehnen. In den Werkstätten arbeiten rund 24.000 Menschen mit Behinderung
ohne Gehaltsanspruch und ohne Pensionsversicherung. Zumindest der Start zu einer sozialversicherungsrechtlichen
Absicherung der dort tätigen Menschen in der nun laufenden Legislaturperiode ist unbedingt notwendig. Es grenzt
an Missbrauch, wenn Menschen mit Behinderung nach Jahrzehnten der Beschäftigung nicht einmal in Alterspension
gehen können.
Behindertenanwalt Hofer fordert die neue Bundesregierung auf, gemeinsam mit den Interessenvertretungen der Menschen
mit Behinderung ehrgeizig an einer inklusiven Gesellschaft zu arbeiten. Ergreifen Sie die Chance, Österreich
zu einem Vorzeigemodell für uneingeschränkte Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu machen, appelliert
Hansjörg Hofer.
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