Wien (öaw) - Bei der Beantwortung einer quantenphysikalischen Fragestellung durch den Algorithmus Melvin
wurde Mathematik aus dem Bereich der Graph-Theorie entdeckt. Forscher/innen von Österreichischer Akademie
der Wissenschaften und Universität Wien fanden bei der Untersuchung von Melvins ungewöhnlichem Berechnungsweg,
der außerhalb der menschlichen Intuition liegt, einen tieferen Zusammenhang zwischen der experimentellen
Quantenphysik und dieser mathematischen Theorie. Darüber berichten sie nun im Fachmagazin „Physical Review
Letters“.
Phänomene der Quantenphysik sind perfekt berechenbar – und sind doch oft mit der menschlichen Logik schwer
begreifbar. Dass zur Lösung quantenphysikalischer Fragestellungen künftig gerade Computer-Algorithmen
da einen entscheidenden Beitrag leisten könnten, wo die menschliche Logik nicht weiter kommt, zeigte nun Melvin.
Der von Forscher/innen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität
Wien entwickelte Algorithmus wird zwar eigentlich für die Berechnung von technischen Lösungen für
quantenphysikalische Experimente trainiert. Doch bei einer 2016 gestellten allgemeinen Frage lieferte Melvin einen
Lösungsansatz, der sich als überraschend praxistauglich erwies – aber dem menschlichen Verständnis
zunächst gänzlich entzog.
Bemerkenswerte Zahlenfolge
„Die Lösung ließ sich praktisch zwar in Form eines Experiments im Labor umsetzen“, bestätigt
Quantenphysiker Mario Krenn aus der Forschungsgruppe von Anton Zeilinger, Professor an der Universität Wien
und Gruppenleiter am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW. „Doch wir haben zunächst
nicht verstanden, wie das tatsächlich funktioniert“, so der Forscher weiter.
Bei der Analyse dieses von Melvin errechneten Lösungsweges tappten die Forscher/innen also zunächst im
Dunklen. Bis sie auf eine bemerkenswerte Zahlenfolge stießen, die nur in der sogenannten Graph-Theorie bekannt
war – einem sehr hoch entwickelten Bereich der Mathematik, mit dem bisher Netzwerke wie das Internet oder neuronale
Netze beschrieben wurden.
Neue experimentelle Wege möglich
Der ungewöhnliche Lösungsweg, der Quantenphysiker/innen wohl weiterhin verborgen geblieben wäre,
veranlasste die Wissenschaftler/innen dazu, diese rätselhafte Verbindung weiter zu untersuchen. Und das mit
einigem Erfolg. Wie sie nun im Fachmagazin „Physical Review Letters“ berichten, gibt es große Übereinstimmungen
zwischen der experimentellen Quantenphysik und der mathematischen Graph-Theorie: Werden zur Berechnung und Planung
eines Quantenexperiments Methoden und Kenntnisse aus der Graph-Theorie eingesetzt, lassen sich sehr exakte und
neuartige Aussagen über die Ergebnisse treffen.
„Eigenschaften von Quantenexperimenten können mithilfe der Graph-Theorie berechnet werden und Fragestellungen
in der Graph-Theorie können in Quantenexperimenten beantwortet werden“, erklärt Krenn. Auf diese Weise
ist es etwa auch möglich, Quantentechnik als Graph oder Netzwerk zu begreifen, um damit neue experimentelle
Wege zu beschreiten.
Auch für Quantenphysiker Anton Zeilinger ist diese, dank Melvin entdeckte Brücke überaus vielversprechend.
„Es hat uns sehr überrascht zu sehen, dass es zwischen Quantenphysik und Mathematik einen neuen tiefen Zusammenhang
gibt. Es ist zu erwarten“, so Zeilinger, „dass diese Erkenntnis für die Entwicklung beider Gebiete künftig
von großer Bedeutung sein wird."
Publikation
„Quantum experiments and graphs: Multiparty states as coherent superpositions
of perfect matchings“, Mario Krenn, Xuemei Gu, and Anton Zeilinger, Phys. Rev. Lett., 2017
DOI: https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.119.240403
|