Künftige Verkehrsteilnehmer brauchen fundierte Ausbildung - Skepsis beim Umschreiben ausländischer
Führerscheine ohne Ausbildungserfordernis
Wien (pwk) - Mit erstmals weniger als 90.000 positiven praktischen Führerscheinprüfungen für
die Klasse B wurden im Jahr 2017 neuerlich weniger Pkw-Prüfungsantritte verzeichnet. Ein vor einigen Jahren
eingesetzter Trend des sinkenden Erwerbs von Lenkberechtigungen zeichnet sich damit weiter ab, so Ing. Herbert
Wiedermann, Obmann des Fachverbandes der Fahrschulen und des Allgemeinen Verkehrs. Bei der Ersterteilung von B-Führerscheinen
und der Ausdehnung auf die Klasse B liegen wir 2017 voraussichtlich erstmals ganz nahe bei 80.000 Lenkern oder
gar darunter. Die endgültigen Daten liegen demnächst vor.
Der Jahrgang der 18jährigen in Österreich geht kontinuierlich zurück. 100.000 Personen zählte
der Jahrgang der 18jährigen noch vor fünf Jahren. Derzeit liegt dieser Wert bei 93.000 Burschen und Mädchen.
Zudem absolvieren Jugendliche ihre Führerscheinausbildung zunehmend einige Jahre später. Das rosa Papier
gilt nicht mehr als klassisches Statussymbol und alternative Mobilitätsangebote werden attraktiver, erkennt
Wiedermann mehrere Ursachen für den rückläufigen Erwerb des Führerscheins mit dem Mindestalter.
Die Umschreibung ausländischer Führerscheine durchläuft seit Monaten eine Höhewelle. Im Ausland
erworbene Scheine werden auf Scheckkarten ausgetauscht, die von heimischen Behörden ausgestellt werden. Dabei
müssen einige tausend Bürger aus Nicht-EU-Ländern eine praktische Fahrprüfung absolvieren,
wenn sie nach spätestens sechsmonatigem Wohnsitz hierzulande ein Fahrzeug lenken wollen, nur für wenige
Länder gelten Ausnahmen. Obwohl die Prüfungswiederholungen bei Umschreibungen dabei deutlich höher
sind, wurde der Rückgang bei den Fahrprüfungen damit insgesamt nicht abgefangen. Führerscheine mit
Fahrprüfungen umschreiben lassen viele Kandidaten aus Syrien, Afghanistan, Pakistan, Indien, der Türkei
oder dem arabischen Raum. Ohne Prüfung können erstmals seit Februar 2017 auch serbische Scheine umgeschrieben
werden - neben Führerscheinen aus den 28 EU-Mitgliedsstaaten und etwa zwei Dutzend weiteren Ländern.
Österreich verfügt über ein bewährtes strenges Prüfungssystem mit etwa 30 Prozent Wiederholungsantritten
bei der Theorieprüfung B und der praktischen Prüfungsfahrt für die Klasse B. Die Automatisierung
von Verhaltensabläufen in der Fahrausbildung sind Grundlage für sicheres und angstfreies Autofahren ohne
Stress. Gerade bei Umschreibern besteht vergleichsweise beachtlicher Schulungsbedarf, bis Aspiranten mit den heimischen
Verkehrsregeln, baulichen Gegebenheiten der Straßensamt Bodenmarkierungen, richtigen Verhaltensweisen in
Begegnungszonen oder dem Umgang mit Radwegen vertraut sind. Wiedermann kann sich die Einführung von verpflichtender
Unterrichtseinheiten (z.B. zwei Doppelstunden) für Austauscher ausländischer Führerscheine vorstellen.
Diese könnten als künftige Verkehrsteilnehmer damit besser vorbereitet zur Prüfung gehen. Die Administrationskosten
für einige tausend Prüfungswiederholungen würden stattdessen besser für die Ausbildung ausgegeben.
Mit knapp 15.000 Motorrad-Scheinen ist der Zuspruch zum Lenken eines Bikes seit 5 Jahren konstant. Die Werber um
einen A-Schein sind durchwegs älter. Das Mindestalter für die stärkste Motorrad-Klasse A beträgt
24 Jahre bei Direkteinstieg. Die Motorrad-Klasse A1, mit der ein Zweirad bis 125 ccm3 ab 16 Jahren gelenkt werden
darf und die durch die 3. EU-Führerscheinrichtlinie 2013 eingeführt wurde, findet mit 10 bis 12 Prozent
weiterhin nur ein geringes Interesse bei Jugendlichen. Die Kandidaten, die ein Motorrad lenken wollen, erscheinen
engagierter, die Durchfallsrate liegt unter 10 Prozent.
Bei den Berufslenkern bzw den Großklassen C und D liefern die Prüfungszahlen 2017 keinen Hinweis auf
eine Entschärfung des Lenkermangels. Bei den Nutzfahrzeugen absolvierten (unverändert etwa) 5600 Personen
erfolgreich ihre Prüfungsfahrt für den C-Schein (Lkw) und 1000 Personen für den Erwerb des D-Scheins
(Autobus) inklusive Austauschern. Seit Februar 2017 dürfen serbische Lkw- und Busscheine prüfungsfrei
umgeschrieben werden, was den Berufszugang erleichtern sollte.
Bei den C-Lenkberechtigungen rührt ein beachtlicher Teil aus dem Interesse, Wohnmobile, Feuerwehrfahrzeuge
oder private Pferdetransporter zu lenken. 85 Prozent erwerben daher zum Lkw-Schein auch eine Anhängerberechtigung,
so Wiedermann.
Zur Vorbereitung einer beruflichen Lenkertätigkeit absolviert die Hälfte der Lkw-Kandidaten (2700 Lenker)
bereits in der Fahrschule eine 90minutige Prüfungsfahrt als Teil der C95-Grundqualifikationsprüfung.
Dazu kommen österreichweit etwa 100 Berufslenker, die ihre 90minütige Lkw-Prüfungsfahrt direkt bei
der Landesregierung absolvieren. Nahezu sämtliche D-Lenker (mehr als 85 Prozent) absolvieren ebenfalls in
der Fahrschule ihre praktische Prüfungsfahrt für den späteren D95 Eintrag in den Führerschein.
Zur Modernisierung der Berufskraftfahrergrundqualifikationsprüfung sollten die Theoriefragen von Papierfragebögen
auf eine Computerprüfung in der Fahrschule umgestellt werden, möchte Wiedermann in diesem Bereich eine
Digitalisierungsinitiative starten. Die Kundenfreundlichkeit würde gestärkt, weil Fahrschulen laufend
Termine für Theorieprüfungen am PC anbieten.
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