Beim Immerwährenden Reichstag zu Regensburg kam Salzburger Erzbischöfen die Vermittlerrolle
zu
Salzburg (lk) - Warum in Regensburg der Salzburger und nicht der eigene Bischof in Kirchenfragen das letzte
Wort hatte, wie ein Salzburger Erzbischof sich dort in der großen europäischen Politik einbrachte, warum
über grün bezogene Sitzmöbel gestritten wurde, wo Salzburger Hundertschaften an Hofpersonal und
Pferden unterkamen und warum sie für mitgeführten Proviant eine Zollbewilligung brauchten, verrät
dieser Grenzfall.
Im alten Rathaus der bayerischen Stadt Regensburg hat sich bis zum heutigen Tag ein kleiner Rest an großer
europäischer Politik erhalten. Museal aufbereitet ist dort das Reichstagsmuseum mit dem Beratungszimmer der
Reichsstände zu besichtigen. Denn ab 1663 tagten Kurfürsten, Reichsfürsten und Städte im "Immerwährenden
Reichstag" - bis 1806, als das Heilige Römische Reich und damit dieser Vorläufer eines gesamtdeutschen
Parlaments ein Ende fanden. Von dieser Ständevertretung wurden grundlegende Fragen der Innen- und Außenpolitik
im Reich verhandelt. Den Vorsitz führten traditionell die Erzbischöfe aus Salzburg, Guidobald von Thun
wurde vom Habsburger-Kaiser Leopold I. sogar als sein Prinzipalgesandter eingesetzt.
Die Salzburger Vorrangstellung überrascht nicht, immerhin war das Bistum Regensburg seit 798 Salzburg unterstellt
– geistlich wohlgemerkt. Regensburg als ständiger Tagungsort war ursprünglich gar nicht vorgesehen, die
Abhaltung wechselte ähnlich dem heutigen EU-Ratsvorsitz bis zum 16. Jahrhundert zwischen einer Bischofs- und
einer Reichsstadt. Anno 1663 kam Kaiser Leopold höchstpersönlich zum Reichstag nach Regensburg, um sich
militärische und finanzielle Hilfe gegen die von Südosten heranrückenden Türken zu sichern.
Mit dieser in der Tasche reiste er alsbald wieder ab und überließ die übrige Abstimmungsarbeit
den Gesandten, ein Beispiel, dem sich auch viele andere Reichsfürsten anschlossen.
Heimatliche Genüsse im bayerischen Ausland
Zurück blieben jede Menge ungelöster Fragen und die Gesandten. Damit war aus dem Wanderkongress eine
bleibende Einrichtung in Regensburg geworden. Für Erzbischof Guidobald bedeutete dies eine mehrjährige
Verlegung eines Teils seines Repräsentations- und Verwaltungsapparats in die Bischofsstadt an der nördlichsten
Stelle der Donau. Quartier bezog die Salzburger Gesandtschaft im Kloster St. Emmeram. Das Vertrauen der Salzburger
in Speis und Trank der Regensburger war offenbar begrenzt: Für die aus der Heimat mitgeführten Lebensmittel
wurde erfolgreich um Zollfreiheit angesucht, denn in weltlichen Dingen bestimmten die Bayern.
Salzburger hielten Hof in Regensburg
Zuvor war der "Salzburger Hof", seit 976 im Besitz der Erzbischöfe, bevorzugte Bleibe der Salzburger
in Regensburg. Erzbischof Bernhards Gefolge von 300 Mann - von Köchen, über Mundschenk bis hin zur Hofmusik
und ebenso viele Pferde - wurde im Jahr 1471 auf die ganze Stadt verteilt. Erzbischof Johann Jakob von Khuen-Belasy
brachte knapp ein Jahrhundert später eigene Auerhühner, geselchte Lachsforellen, damals äußerst
rare Kartoffeln, Feigen und Honig mit. Das wussten auch der bayerische Herzog, der sächsische Kurfürst
und Kaiser Maximilian II. zu schätzen – sie alle speisten beim Erzbischof. Wolf Dietrich weilte zwanzig Jahre
später mit 410 Personen und 324 Pferden in Regensburg, das Budget für einen geplanten Neubau des zur
Stadtburg ausgebauten Vierkanthofs verschlang allerdings ein Salzachhochwasser.
Ehrenaufgabe ohne Bezahlung
Im Fall von Erzbischof Guidobald, der als vom Kaiser eingesetzter Stellvertreter in Regensburg von 1663 bis 1668
tätig war, brachte die Aufgabe zwar Prestige und die Kardinalswürde, der Prinzipalkommissar aus Salzburg
hatte jedoch 180.000 Gulden an Kosten aus eigener Tasche zu berappen. Neben der diplomatischen Vermittlerrolle
durfte er sich auch mit protokollarischen Ärgernissen beschäftigen, etwa dass er an der kaiserlichen
Tafel nicht den gleichen mit grünem Samt überzogenen Sessel wie der Mainzer Kurfürst erhielt. Im
Regensburger Dom durfte er immerhin so wie der Kaiser unter einem Baldachin Platz nehmen.
Kurioses über Grenzen hinweg
Die Salzburger Grenzfälle versammeln Kuriositäten rund um die Grenzen Salzburgs und bilden eine aufschlussreiche
Lektüre zu Geschichte, Landeskunde und Politik des Bundeslandes. Der Autor Stefan Mayer beschäftigt sich
seit 2002 mit grenzfälligen Besonderheiten in und um Salzburg. Er gestaltet die monatliche Serie "Grenzfälle",
von der bereits vier Bücher erschienen sind. Band 4 kann im Webshop des Landes um 6,90 Euro bestellt werden, digitale Versionen aller vier Bände stehen
dort zum kostenlosen Herunterladen zur Verfügung. Einzelne Grenzfall-Artikel können jederzeit abgerufen werden.
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