Linz (lk-ooe) - Mit den erwarteten Vorschlägen für eine neue Gemeinsame Agrarpolitik, dem geplanten
Abschluss der Brexit-Verhandlungen sowie der Verhandlungen für ein Mercosur-Handelsabkommen und den ersten
Umsetzungsschritten des neuen Regierungsprogrammes stehen für die Bäuerinnen und Bauern heuer wichtige
Entscheidungen an, die die künftige Einkommenssituation in der Landwirtshaft ganz maßgeblich beeinflussen
werden. „Die Landwirtschaftskammer fordert von den politischen Entscheidungsträgern auf EU-, Bundes- und Landesebene
konsequente Entscheidungen zur Sicherung der Budgetmittel für die Landwirtschaft und die Umsetzung notwendiger
Entlastungen, um dringend notwendige Schritte zur Einkommensverbesserung in der Landwirtschaft zu ermöglichen“,
erklärt LK-Präsident Franz Reisecker die zentralen agrarpolitischen Herausforderungen des neuen Jahres.
Ausreichende Budgetmittel für wirksame Agrarpolitik
Mit der geplanten Vorlage eines neuen mehrjährigen Finanzrahmens 2021 bis 2027 wird die EU-Kommission im Mai
auch ihre Vorschläge zur künftigen EU-Agrarfinanzierung präsentieren. Auf Bundesebene wird in den
nächsten Wochen ein Doppelbudget für die Jahre 2018 und 2019 erstellt. Im Regierungsübereinkommen
wurde bereits die Sicherstellung der nationalen Kofinanzierung für das Programm Ländliche Entwicklung
in den nächsten Jahren festgeschrieben. „Die Landwirtschaftskammer drängt sowohl auf EU-, als auch auf
nationaler Ebene auf die Sicherstellung einer stabilen Agrarfinanzierung. Zusätzliche Ausgaben in der Sicherheits-,
Migrations- und Verteidigungspolitik dürfen keinesfalls zu Lasten der Landwirtschaft gehen“, wehrt sich Kammerpräsident
Reisecker gegen mögliche Budgetumschichtungen.
Neue GAP für bäuerliche Familienbetriebe
Die EU-Kommission hat angekündigt, nach dem mehrjährigen Finanzrahmen im Frühsommer konkrete Vorschläge
zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik nach dem Jahr 2020 zu präsentieren. Bereits Ende November wurde bekannt,
dass die EU den Mitgliedsländern bei der inhaltlichen Ausgestaltung der GAP mehr Spielräume gewähren
will. Die Landwirtschaftskammer fordert hier gezielte Maßnahmen zur Stärkung bäuerlich strukturierter
Familienbetriebe. So konnte dazu bereits im neuen Regierungsprogramm ein Bekenntnis zu einer betriebsgrößenabhängig
degressiven Gestaltung der Direktzahlungen mit betrieblichen Obergrenzen sowie eine verstärkte Berücksichtigung
der Tierhaltung festgeschrieben werden. In der zweiten Säule der GAP soll weiterhin ein Schwerpunkt auf das
Agrarumweltprogramm ÖPUL, die Bergbauern-Ausgleichszulage und die Investitionsförderung gelegt werden.
Die Prämienkalkulation beim ÖPUL erfordert dringend wieder eine Anreizkomponente, um eine möglichst
breitflächige Programmteilnahme sicherzustellen. Zudem müssen in der künftigen GAP endlich auch
für die Bäuerinnen und Bauern wirksame Schritte zur Verwaltungsvereinfachung gesetzt werden.
Brexit-Verhandlungen auch wichtiges Agrarthema
Die EU-Staats- und Regierungschefs haben im Dezember nach der Klärung zentraler Fragen zu den Austrittsbedingungen
die zweite Phase der Verhandlungen eröffnet. Dabei geht es insbesondere um die künftigen Handelsbeziehungen
der EU zu Großbritannien sowie dessen künftige Beiträge zum EU-Budget. Die Bauernvertretung fordert
den Erhalt der Zollfreiheit im Agrarhandel mit Großbritannien, das mit einem Nettoexport-Überschuss
von über 21 Milliarden Euro für die EU-Land- und Ernährungswirtschaft einen unverzichtbaren Absatzmarkt
darstellt. Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs gehen dem EU-Budget ab dem neuen mehrjährigen
Finanzrahmen 2021 bis 2027 auch wichtige Nettozahlungen verloren. Die EU-Bauernvertretung drängt nach dem
norwegischen Modell daher darauf, dass Großbritannien für den Marktzugang in die EU auch künftig
entsprechende Beiträge in das EU-Budget leistet.
EU-Handelsabkommen in Verhandlung
Nachdem es innerhalb der Welthandelsorganisation WTO seit mehreren Jahren keinerlei inhaltliche Fortschritte
gibt, forciert die EU derzeit den Abschluss bilateraler Handelsabkommen. Für die EU-Landwirtschaft sind dabei
vor allem die geplanten Abkommen mit dem Mercosur-Staatenbündnis (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay)
sowie mit Australien und Neuseeland von besonderer Bedeutung. Während sich die Verhandlungen mit Australien
und Neuseeland in der Anfangsphase befinden, wird im Rahmen des Mercosur-Abkommens bereits demnächst ein Verhandlungsabschluss
angestrebt. Die von der EU in diesem Bereich angebotenen Zugeständnisse für Importquoten bei Rind-, Schweine-
und Geflügelfleisch, Getreide und Ethanol sowie zuletzt neu angebotene Zugeständnisse bei Zucker werden
von der Bauernvertretung mit allem Nachdruck abgelehnt. Die Landwirtschaftskammer wehrt sich dagegen, dass neue
Exportmärkte für die Industrieproduktion und Dienstleistungen durch weitreichende Zugeständnisse
im Agrarbereich zu Lasten der Bauern erkauft werden.
Schwerpunkt bäuerliche Sozialpolitik
Im neuen Regierungsprogramm wird die Verschiebung der Wirksamkeit der Einheitswert-Hauptfeststellung für
die SVB-Beitragsberechnung ab 1. April 2018 angekündigt. Von den neuen Regierungsparteien wurde dazu im Parlament
bereits ein Initiativantrag eingebracht. Die Landwirtschaftskammer drängt nun auf die rasche Umsetzung dieser
schon länger erhobenen Forderung, um für die betroffenen Betriebe hohe Beitrags-Nachzahlungen zu vermeiden
und wieder Rechtssicherheit zu schaffen. „Zudem drängt die Landwirtschaftskammer darauf, dass für die
von Beitragssteigerungen hauptbetroffenen Betriebe entsprechende Abfederungsmaßnahmen umgesetzt werden“,
betont Präsident Reisecker.
Herkunftskennzeichnung weiter ausbauen
Die heimische Landwirtschaft setzt in der Agrar- und Lebensmittelproduktion seit Jahren auf eine konsequente Qualitätsstrategie.
Das Ergebnis dieser Arbeit ist aber noch nicht in allen Bereichen für die Konsumentinnen und Konsumenten sichtbar.
Die Landwirtschaftskammer fordert daher schon länger eine verpflichtende Ausweitung der Herkunftskennzeichnung
auf verarbeitete Produkte aus Fleisch, Milch und Eiern nach dem Vorbild Frankreichs. Daneben ist für die Konsumentinnen
und Konsumenten vor allem in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung wie Spitälern, Schulen, Alten- und
Pflegeheimen sowie Betriebskantinen, aber auch in der Gastronomie sowie Hotellerie die Herkunft der wertbestimmenden
Lebensmittel meist nicht nachvollziehbar. Daher muss auch für Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung (öffentlich
und privat) ein verpflichtender Herkunftsnachweis für die wertbestimmenden Ausgangsprodukte in der Speisenzubereitung
eingeführt werden. Gleichzeitig sollen Anreize zur freiwilligen Herkunftsauslobung in der Gastronomie und
Hotellerie gesetzt werden. Die Landwirtschaftskammer wird im neuen Jahr ihre Aktivitäten zur regionalen Zusammenführung
von bäuerlichen Produzenten sowie den direkten Abnehmern aus dem Bereich Gemeinschaftsküchen und der
Gastronomie fortsetzen und weiter ausbauen.
Agrarmärkte im Fokus
Die Agrarmärkte sind für die Einkommensbildung in der Landwirtschaft von entscheidender Bedeutung. Daher
drängt die Landwirtschaftskammer auf den Erhalt wichtiger Marktordnungsinstrumente auf EU-Ebene sowie die
Umsetzung flexibler Maßnahmen zur Markt- und Mengensteuerung. Daneben muss die Stellung der bäuerlichen
Produzenten in der Lebensmittelkette bzw. am Markt gestärkt werden. Die EU-Kommission hat dazu nach der Durchführung
einer Internet-Konsultation im Herbst vergangenen Jahres für die nächsten Monate die Vorlage konkreter
Vorschläge angekündigt. Daneben setzt die Landwirtschaftskammer in den verschiedenen Sparten der Produktion
weiterhin auf die Umsetzung bzw. Forcierung von Qualitäts- und Markenprogrammen. „Dabei geht es darum, dass
die besonderen Standards und die hohe Qualität der Agrarproduktion von den Marktpartnern auch fair honoriert
werden. Aktuell betrifft das vor allem die Ausweitung der AMA-Gütesiegel-Produktion bei Rind- und Schweinefleisch“,
zeigt Präsident Reisecker einen weiteren Arbeitsschwerpunkt auf.
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