Neue Forschungsergebnisse in Kooperation mit Stiftung Blühendes Österreich
Wien/Innsbruck (tlm) - Die genetische Erfassung sämtlicher Organismen hat in den letzten zehn Jahren
riesige Fortschritte gemacht. Anhand eines standardisierten genetischen Abschnittes, des sogenannten DNA-Barcodes,
können Arten, ähnlich wie Produkte im Supermarkt, eindeutig bestimmt werden. Dieses genetische Fingerprinting
findet unter anderem in der Land- und Forstwirtschaft, bei Zollbehörden, aber auch im Naturschutz Anwendung.
Eingeschleppte Arten können dank dieser Methode ebenso erkannt werden wie neue.
Die Tiroler Landesmuseen tragen seit 2010 zur globalen Forschungsinitiative iBOL (International Barcode of Life)
bei und sind im Bereich der alpinen Schmetterlinge weltweit führend. Aktuell liegen hier bereits mehr als
20.000 DNA-Barcodes von etwa 3.500 Arten vor. Diese Daten sind in der Barcode-Referenzbibliothek BOLD (Barcode
of Life Data Systems) öffentlich zugänglich. Nunmehr konnten dank der Förderung durch die Stiftung
Blühendes Österreich erstmals die heimischen Tagfalter vollständig bearbeitet werden. Mit über
200 Tagfalterarten zählt Österreich zu den an Schmetterlingen reichsten Regionen Europas.
„Die Stiftung Blühendes Österreich und die Tiroler Landesmuseen leisten durch die genetische Erfassung
der heimischen Schmetterlinge einen aktiven Beitrag zum nachhaltigen Schutz der Biodiversität“, zeigt sich
PD Dr. Wolfgang Meighörner, Direktor der Tiroler Landesmuseen, über die erfolgreiche Kooperation erfreut.
Mag. Ronald Würflinger, Geschäftsführer von Blühendes Österreich, hält fest: „In
den letzten Jahren wurde ein alarmierender Rückgang von Schmetterlingen aufgrund von Verbauung, Verlust an
artenreichen Blumenwiesen sowie des Einsatzes von Herbiziden und Insektiziden beobachtet. Über die Hälfte
der Schmetterlinge Österreichs ist akut gefährdet. Unsere Stiftung setzt sich für den Erhalt wertvoller
ökologischer Lebensräume ein. Das genetische Material liefert uns wichtige Informationen zur Auswahl
von schützenswerten Flächen.“
200 Arten genetisch erfasst
Ein Jahr lang wurde von Mag. Dr. Peter Huemer, Projektleiter und Kustos der Naturwissenschaftlichen Sammlungen
der Tiroler Landesmuseen, und dem Schmetterlingsforscher Benjamin Wiesmair, MA museales Material gesichtet, geprüft
und für die genetischen Untersuchungen ausgewählt. Unter den wertvollen Tieren befanden sich mehrere
aktuell in Österreich ausgestorbene Arten. Die Tiere wurden fotografiert, digitalisiert und Gewebeproben für
die molekularen Arbeiten entnommen. Die Sequenzierungen selber wurden im Canadian Center for DNA Barcoding in Guelph,
Ontario durchgeführt. Mit diesem weltweit führenden Institut arbeiten die Tiroler Landsmuseen seit etlichen
Jahren eng zusammen.
„Von insgesamt 211 aus Österreich bekannten Arten konnten wir 200 erfolgreich untersuchen. Sie können
als Vergleiche für künftige Erhebungen dienen und sind wichtige Referenzen bei allfälligen Bestimmungsproblemen“,
betonen Huemer und Wiesmair. Aktuell stehen 1.320 Sequenzen über die internationale Datenbank BOLD der Öffentlichkeit
zur Verfügung.
Sichere Bestimmung schwieriger Arten
86 Prozent der 200 untersuchten Arten lassen sich nach ihrem genetischen Fingerprint bestimmen. Bei 28 Arten scheiterte
die eindeutige Identifizierung aufgrund von Überschneidungen im DNA-Barcode. „Hier handelt es sich zumeist
um evolutiv ganz junge und teils umstrittene Arten. In wenigen Fällen scheitert die Methode auch bei äußerlich
leicht zu trennenden Arten. Wir vermuten hier gelegentliche Hybridisierung, was dazu führen kann, dass zwei
Arten dasselbe Gen besitzen“, so Huemer und Wiesmair. Acht morphologisch nur sehr schwer bestimmbare Tagfalter
hingegen konnten die beiden Wissenschaftler durch DNA-Barcodes einfach auseinanderhalten. „Zu diesen Gruppen zählen
unter anderem zwei Senfweißlinge und zwei Gelblingsarten. Diese Arten können üblicherweise bei
Expertenerhebungen nicht getrennt erfasst werden, weil sie sich so ähnlich sehen. Genetisches Fingerprinting
kann hier zukünftig eine sichere Basis für eine einwandfreie Bestimmung sein“, so Huemer und Wiesmair.
Indizien für bisher unerkannte Arten
Mehrere Arten weisen eine auffallende genetische Vielfalt auf, die nach Ansicht von Huemer und Wiesmair auf mögliche
versteckte Arten hindeutet: „Ein Beispiel ist der Rote Scheckenfalter, der in Österreich in gleich drei genetisch
deutlich getrennten Linien flattert. Das ist europaweit einzigartig.“ Tiere aus dem Norden und Osten, Süden
und Westen unterscheiden sich im Barcode um bis zu vier Prozent. Eine derartige große innerartliche genetische
Variabilität ist extrem selten und bedarf weiterer Prüfungen. „Unabhängig davon, ob es sich hier
um eine einzige Art oder mehrere geografisch getrennte Unterarten handelt, sind neue Schutzkonzepte für diese
bundesweit gefährdete Art nötig. Die Bewahrung der genetischen Vielfalt kann jedenfalls durch ein einzelnes
Bundesland nicht gewährleistet werden“, ist Würflinger überzeugt. Gleiches gilt selbst für
EU-geschützte Arten wie den Schwarzen Apollofalter, der in Österreich in zwei genetisch stark unterschiedlichen
Linien fliegt. Auch in diesem Fall vermuten Huemer und Wiesmair mögliche versteckte Artenvielfalt.
Wissenschaftliches Jahrbuch 2017
Die Untersuchung ist im „Wissenschaflichen Jahrbuch der Tirol Landesmuseen 2017“ publiziert. Auf 27 Seiten legen
Huemer und Wiesmair mit zahlreichen Tabellen, Verbreitungskarten und Fotos ihre Methode, Vorgehensweise und Ergebnisse
anschaulich dar. (ISBN 978-3-7065-5659-0, StudienVerlag
Die Stiftung Blühendes Österreich
Blühendes Österreich – REWE International gemeinnützige Privatstiftung wurde 2015 von der REWE International
AG gegründet und ist ein Gemeinschaftsprojekt mit der Vogelschutzorganisation BirdLife Österreich. Die
Initiative verfolgt das Ziel, gemeinsam mit Partnern aus der Landwirtschaft, Wissenschaft und mit Natur- und Umweltschutzorganisationen
Österreich grüner, lebenswerter und artenreicher zu machen. Ein Fokus liegt dabei auf der Verbesserung
der Lebensbedingungen für Schmetterlinge. Sie sind unter anderem als Blütenbestäuber von großer
Bedeutung für das Ökosystem und gelten als Indikatoren für den Zustand der Umwelt. Für Blühendes
Österreich verfasste Peter Huemer zwei aufsehenerregende Reporte: „Ausgeflattert I“ (2016) und „Ausgeflattert
II“ (2017), welche die dramatische Lage der einheimischen Schmetterlinge aufzeigen, aber auch die Forschungsdefizite
betonen.
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