Die Physikerin Elisabeth Gruber wird mit dem Hannspeter-Winter-Preis der TU Wien ausgezeichnet
– für ihre Forschung mit hochgeladenen Ionen, die auf Oberflächen geschossen werden.
Wien (tu) - Die Bedingungen, die Elisabeth Gruber im Labor herstellt, sind meist so extrem, dass sie kaum
irgendwo sonst im Universum vorkommen. Sie erforscht die Wirkung, die hochgeladene Ionen auf verschiedene Oberflächen
ausüben und konnte dabei Fragen beantworten, die für viele Anwendungsgebiete wichtig sind – von der Mikroelektronik
über die Charakterisierung von Materialien bis hin zur Krebsforschung. Für ihre Dissertation bei Prof.
Friedrich Aumayr (Institut für Angewandte Physik, TU Wien) wird sie nun mit dem Hannspeter-Winter-Preis der
TU Wien ausgezeichnet.
Ionen und Oberflächen
Elisabeth Gruber führte bei der Arbeit an ihrer Dissertation eine ganze Reihe unterschiedlicher Experimente
durch. Im ersten Schritt wurde dabei schweren Teilchen, wie etwa Xenon-Atomen, durch enormen Energieaufwand eine
große Zahl von Elektronen entrissen. Dadurch entstehen hochgeladene Ionen mit einer bis zu 44fach positiven
Ladung, die man dann beschleunigt und zielgerichtet auf einem bestimmten Material einschlagen lässt.
„Beim Auftreffen der Ionen auf dem Material kann es zu ganz unterschiedlichen Effekten kommen“, sagt Elisabeth
Gruber. „Das hängt von vielen Parametern ab – von der Art des Projektils, von seiner Ladung und seiner Energie,
aber auch vom getroffenen Material und dem Auftreffwinkel.“
So können die Ionen, wenn sie auf einen Kristall treffen, ihre Energie auf die Atome des Kristalls übertragen,
ein kleiner Bereich des Kristalls kann dabei schmelzen oder sogar verdampfen. Auf diese Weise kann man auf der
Kristalloberfläche ganz gezielt Strukturen aus Bergen und Tälern im Nanoformat herstellen. „Interessant
ist das auch deshalb, weil man so verstehen kann, wie Materialien durch unerwünschten Ionenbeschuss geschädigt
werden – etwa elektronische Bauteile von Satelliten“, sagt Elisabeth Gruber.
Besonders bemerkenswerte Ergebnisse erzielte Elisabeth Gruber bei der Untersuchung von Graphen – einem Kohlenstoffmaterial,
das nur aus einer einzigen Atomschicht besteht. Die hochgeladenen Ionen durchdringen die Graphen-Schicht und reißen
dabei eine große Zahl von Elektronen an sich. Im Graphen entsteht dadurch am Einschussort kurzfristig ein
Mangel an Elektronen, der aber in erstaunlich kurzer Zeit wieder ausgeglichen wird. Das Graphen ist in der Lage,
Elektronen aus anderen Bereichen innerhalb von Femtosekunden nachzuliefern. Dabei entstehen gewaltige elektrische
Ströme, die unter gewöhnlichen Bedingungen gar nicht möglich wären.
„Die große Anzahl wissenschaftlicher Publikationen, an denen Elisabeth Gruber während ihrer Dissertation
maßgeblich beteiligt war, ist für sich genommen schon bemerkenswert“, sagt ihr Dissertations-Betreuer
Friedrich Aumayr. „Dazu kommt noch, dass sie große Teile ihres experimentellen Setups selbst entworfen und
gebaut hat, und dass sie auch eine ganze Reihe von Diplom- und Bachelorarbeiten erfolgreich betreut hat.“
Elisabeth Gruber
Elisabeth Gruber stammt aus Südtirol, wo sie bereits 2006 nach ihrem Schulabschluss als eine der 10 besten
MaturantInnen ausgezeichnet wurde. Danach begann sie ihr Physikstudium an der TU Wien. Ihre Diplomarbeit schrieb
sie 2012 am Institut für Angewandte Physik über die Bündelung von Ionenstrahlen mittels Glaskapillaren.
Am selben Institut begann sie sich dann mit hochgeladenen Ionen und deren Wechselwirkung mit Oberflächen zu
beschäftigen. Dabei pflegte sie intensive Kontakte zu Forschungsgruppen im Ausland: Längere Forschungsaufenthalte
verbrachte sie am Helmholtz-Zentrum in Dresden-Rossendorf, am Schwerionenbeschleuniger in Caen, Frankreich, an
der Universität Duisburg-Essen und an der Universität Bielefeld. Nach dem Abschluss ihres Doktoratsstudiums
trat Elisabeth Gruber im September 2017 eine Postdoc-Stelle an der Universität Aarhus in Dänemark an.
Hannspeter-Winter-Preis für hervorragende Jungwissenschaftlerinnen
Der Hannspeter-Winter-Preis wird jedes Jahr an eine Absolventin des Doktoratsstudiums an der TU Wien vergeben.
Er ist mit € 10.000 dotiert und wird gemeinsam von der TU Wien und der BA/CA-Stiftung finanziert. Der Forschungspreis
wurde im Gedenken an TU-Professor Hannspeter Winter gestiftet, der sich stets für die Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen
eingesetzt hat.
Mit dem diesjährigen Hannspeter-Winter-Preis kehrt die Auszeichnung gewissermaßen an ihren Ursprungsort
zurück: Erstmals gewinnt den Preis eine Absolventin des Instituts für Angewandte Physik, an dem Hannspeter
Winter selbst bis zu seinem Tod 2006 tätig war. In den ersten Wochen ihres Studiums erlebte sie ihn noch als
Vortragenden in der Physik-Einführungsvorlesung. Nach Winters Tod übernahm diese Vorlesung dann Friedrich
Aumayr – Grubers späterer Dissertationsbetreuer.
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