Objektifizierung von Frauen bewirkt Mangel an Mitgefühl
Wien (universität) - Sexualisierte Darstellungen, vor allem die Betonung sekundärer Geschlechtsmerkmale,
können die Art und Weise verändern, wie wir eine Person wahrnehmen. Ein internationales ForscherInnenteam
um Giorgia Silani von der Fakultät für Psychologie der Universität Wien konnte durch Magnetresonanztomographie
zeigen, dass empathische Gefühle und Gehirnreaktionen reduziert sind, wenn wir die Emotionen sexualisierter
Frauen beobachten. Die Ergebnisse der Studie sind kürzlich im renommierten Fachjournal "Cortex"
erschienen.
Aussehen und äußere Erscheinung sind seit jeher ein entscheidendes Element der sozialen Interaktion,
ob romantischer oder anderer Art. Die Verwendung von sexualisierten Darstellungen ist, besonders in der westlichen
Gesellschaft, üblich, um Emotionen – insbesondere Lust – zu bewirken; dies mit dem Ziel, den hedonistischen
Wert des dargestellten Objekts zu erhöhen, wie es beispielsweise in der Werbung geschieht.
Aber welche Folgen kann solch eine sexualisierte Darstellung haben? Die Sozialpsychologie hat das Phänomen
ausgiebig untersucht und ist zu dem Schluss gekommen, dass die Sexualisierung (oder sexuelle Objektifizierung)
die Art beeinflusst, wie wir ein Individuum wahrnehmen. Der sexualisierten Person werden bestimmte menschliche
Eigenschaften, wie Moral oder Verantwortung, zum Teil abgesprochen. Die bisher gewonnenen Ergebnisse der Sozialpsychologie
legen auch nahe, dass wir die Emotionen, die objektifizierte Personen zeigen, anders wahrnehmen.
Eine neu veröffentlichte Studie unter der Leitung von Giorgia Silani von der Universität Wien in Zusammenarbeit
mit Carlotta Cogoni von der International School for Advanced Studies (SISSA-ISAS) in Triest und Andrea Carnaghi
von der Universität Triest zeigt, dass sexuelle Objektifizierung von Frauen dazu führt, dass sie als
weniger empathisch wahrgenommen werden. "Wir vermuten, dass der zugrundeliegende Mechanismus für diese
Reaktion eine reduzierte Aktivierung des Empathie-Netzwerkes des Gehirns ist", so Giorgia Silani.
Die Studie
Die StudienteilnehmerInnen mussten ein computergesteuertes Ballwurfspiel spielen, bei dem sie einmal ein- und
ein anderes Mal ausgeschlossen wurden, was positive und negative Emotionen hervorrufen sollte. Gleichzeitig wurde
ihre Gehirnaktivität mit funktioneller Magnetresonanztomographie gemessen. Die ForscherInnen untersuchten
danach die empathischen Reaktionen der TeilnehmerInnen. Dabei wurde die subjektive Empfindung wie auch die objektive
Aktivierung des Gehirns auf sexuell objektivierte Frauen und nicht-objektivierte, also personalisierte Frauen bewertet.
Die WissenschafterInnen fanden heraus, dass sich durch einfaches Modifizieren der Kleidung, die die SchauspielerInnen
trugen (mit mehr oder weniger sichtbaren Körperteilen/Haut), die empathischen Gefühle der BetrachterInnen
veränderten. So war die Empathie für Frauen, die sexuell objektifiziert dargestellt wurden, geringer
im Vergleich zu personifizierten Frauen. "Diese Reduktion empathischer Gefühle gegenüber sexuell
vergegenständlichten Frauen zeigte sich in verminderter Aktivität jener Hirnareale, die der Empathie
zugrunde liegen. Dies deutet darauf hin, dass die betrachtenden VersuchsteilnehmerInnen eine verminderte Fähigkeit
hatten, die Emotionen der sexualisierten Frauen zu teilen", erklärt Silani.
Publikation in "Cortex"
Reduced empathic responses for sexually objectified women: an fMRI investigation.
Carlotta Cogoni, Andrea Carnaghi, Giorgia Silani In: Cortex, Volume 99, February 2018, Pages 258–272
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0010945217304045
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