Graz (universität) - Menschliche Zellen – aber auch die von verschiedenen Krankheitserregern – sind von
Hüllen umgeben, denen eine wesentliche Rolle beim Weitertransport von Informationen oder Stoffen zukommt.
Wie diese Vorgänge genau vonstattengehen und warum die zweischichtigen Membranen so komplex aufgebaut sind,
konnte bislang noch nicht restlos geklärt werden. Dr. Barbara Eicher und Assoz. Prof. Dr. Georg Pabst vom
Institut für Molekulare Biowissenschaften der Karl-Franzens-Universität Graz ist es mit einem internationalen
Team nun gelungen, die Zellhüllen wesentlich naturnaher nachzubauen, um sie genauer erforschen zu können.
Damit eröffnen sich zahlreichen Bereichen – unter anderem der Entwicklung von Medikamenten – neue Dimensionen.
Die Forschungsergebnisse wurden soeben im „Biophysical Journal“ publiziert.
Schon eine einzige Art von Lipiden – also Fettbausteinen – kann eine Zellmembran bilden. Dennoch verwendet die
Natur rund tausend verschiedene dafür und ordnet sie in zwei Schichten asymmetrisch an, obwohl die Bestandteile
von sich aus immer einen Ausgleich anstreben. Eigene Proteine müssen die Lipide ständig auf die „richtige“
Seite schaufeln. „Um diesen ungleichen Aufbau aufrecht erhalten zu können, ist sehr viel chemische Energie
nötig. Uns treibt die Frage an, warum die Hüllen so komplex gestaltet sind“, schildert Pabst. Bislang
war es unmöglich, im Labor asymmetrische Zellmembranen herzustellen. Eine Methode, dank der das funktioniert,
hat der Biophysiker nun in Zusammenarbeit mit Grazer KollegInnen sowie ForscherInnen aus den USA, Kanada und Deutschland
gefunden. „Wir haben ein wesentliches Lipid auf die innere Seite der Zellmembran gesetzt und festgestellt, dass
in dieser Konstellation die beiden Schichten auch miteinander kommunizieren“, so Pabst. Das ist wichtig, weil einerseits
Signale von außen ans Innere der Zelle weitergegeben werden sollen, andererseits auch ein Austausch von Stoffen
stattfinden muss – wenn etwa Medikamente an ihr Ziel gelangen sollen.
Mit dem Modell, das nach und nach erweitert werden soll, können ForscherInnen nun die Prozesse an der Zellmembran
und die Funktionen der vielen Komponenten untersuchen. „Wir betreten hier völliges wissenschaftliches Neuland“,
betont Pabst. Weltweit arbeitet derzeit nur ein knappes Dutzend Personen mit künstlichen asymmetrischen Membranen.
Die Erkenntnisse sind aber für viele Bereiche relevant, allen voran für die Entwicklung von neuen Wirkstoffen
für Medikamente, die über Zellmembranen wirken. Das können etwa Mittel gegen Krebs sein oder solche,
die die Zellhüllen von krankheitserregenden Bakterien zerstören. „Darüber hinaus könnten unsere
Forschungen neue Wege für Drug-Delivery-Systeme auftun oder in fernerer Zukunft sogar technologisch genutzt
werden, zum Beispiel für Bio-Sensoren“, führt der Wissenschafter aus.
Publikation: Barbara Eicher, Drew Marquardt,
Frederick A. Heberle, Ilse Letofky-Papst, Gerald N. Rechberger, Marie-Sousai Appavou, John Katsaras, and Georg
Pabst. Instrinsic Curvature-Mediated Transbilayer Coupling in Asymmetric Lipid Vesicles, Biophysical Journal, 114:
146–157 (2018),
DOI: https://doi.org/10.1016/j.bpj.2017.11.009
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