Wien/Innsbruck (universität) - Auf dem Weg zum intelligenten Labor präsentieren Physiker der Universitäten
Innsbruck und Wien ein lernfähiges Programm, das eigenständig Quantenexperimente entwirft. In ersten
Versuchen hat das System selbständig experimentelle Techniken (wieder)entdeckt, die heute in modernen quantenoptischen
Labors Standard sind. Dies zeigt, dass Maschinen in Zukunft auch eine kreativ unterstützende Rolle in der
Forschung einnehmen könnten.
In unseren Taschen stecken Smartphones, auf den Straßen fahren intelligente Autos, Experimente im Forschungslabor
aber werden immer noch ausschließlich von Menschen erdacht. Das könnte sich bald ändern. Innsbrucker
Quantenphysiker um Hans Briegel beschäftigen sich unter anderem mit der grundsätzlichen Frage, inwieweit
Maschinen selbstständig experimentieren können. Dazu nutzen die Physiker ein von der Gruppe entwickeltes
Modell für künstliche Intelligenz, das einer Maschine einfache Formen kreativen Verhaltens ermöglichen
soll. Das Gedächtnis dieser autonomen Maschine speichert viele einzelne Erfahrungsfragmente, die netzwerkartig
miteinander verbunden sind. Ist die Maschine mit einem bestimmten Ereignis konfrontiert, werden in einer Zufallsbewegung
damit zusammenhängende Erinnerungen abgerufen. Sowohl aus Erfolg als auch aus Misserfolg lernt die Maschine
und passt ihr Netzwerk entsprechend an. Gleichzeitig kann sie selbst neue Szenarien erzeugen und diese ausprobieren.
Nun haben sich die Innsbrucker Physiker mit Wienern Kollegen um Anton Zeilinger zusammengetan. Diese haben zuvor
schon die Nützlichkeit von automatisiertem Design von Quantenexperimenten zeigen können mithilfe des
Algorithmus Melvin, wobei einige dieser computer-inspirierten Experimente auch schon in den Labors von Zeilinger
umgesetzt wurden. Durch die Anwendung des Lernmodells der Projektiven Simulation konnten die Wissenschaftler nun
gemeinsam zeigen, dass diese Umgebung ideal dafür geeignet ist, das Potential maschinellen Lernens in Quantenexperimenten
zu untersuchen. In einer in den amerikanischen Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichten
Arbeit präsentieren die Forscher erste Ergebnisse.
Computer entwirft optimierte Quantenexperimente
Am Anfang steht ein leerer Labortisch für photonische Quantenexperimente. Der künstliche Agent versucht
nun neue Experimente zu entwickeln, indem er Spiegel, Prismen oder Strahlteiler virtuell auf dem Tisch anbringt.
Führen seine Aktionen zu einem sinnvollen Ergebnis, merkt der Agent sich das und greift bei späteren
Versuchen wieder darauf zurück. „Dieses bestärkende Lernen unterscheidet unser Modell von einer automatischen
Suche, die immer durch ein zufälliges Verhalten gesteuert ist“, erklärt Alexey Melnikov vom Institut
für Theoretische Physik der Universität Innsbruck. „Der künstliche Agent führt auf dem virtuellen
Labortisch Zehntausende von Experimenten durch. Wenn wir im Gedächtnis der Maschine die Ergebnisse analysieren,
sehen wir, dass sich bestimmte Strukturen entwickelt haben“, erklärt sein Kollege Hendrik Poulsen Nautrup.
Einige dieser Strukturen sind den Physikern bereits als nützliche Werkzeuge aus modernen quantenoptischen
Labors bekannt. Andere sind völlig neu und könnten in Zukunft im Labor zum Einsatz kommen. „Während
die automatische Suche mit jeder Lösung zufrieden ist, sucht die intelligente Maschine immer den besten Weg,
wie etwas umgesetzt werden kann, und generiert so optimierte Experimente“, verdeutlicht Alexey Melnikov. „Und manchmal
liefert sie auch Antworten auf Fragen, die wir gar nicht gestellt haben.“
Kreative Unterstützung im Labor
In Zukunft wollen die Wissenschaftler das lernfähige Programm noch weiter ausbauen. Zurzeit ist die Maschine
noch darauf getrimmt, einzelne Probleme selbstständig zu lösen. Aber damit ist sie weiterhin nur ein
Werkzeug, das von Wissenschaftlern gezielt eingesetzt werden muss. Kann eine Maschine aber auch mehr als nur ein
Werkzeug sein? Wird die Maschine der Zukunft eine kreativere Rolle an der Seite des Wissenschaftlers spielen? Dies
sind die Fragen, die sich die Wissenschaftler stellen und nur die Zukunft wird zeigen, welche Rolle die künstliche
Intelligenz tatsächlich im Labor spielen wird.
Die Arbeit wurde unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und der Templeton World Charity
Foundation finanziell unterstützt.
Publikation: Active learning machine
learns to create new quantum experiments. Alexey A. Melnikov, Hendrik Poulsen Nautrup, Mario Krenn, Vedran Dunjko,
Markus Tiersch, Anton Zeilinger, and Hans J. Briegel. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 2018 DOI: 10.1073/pnas.1714936115
(arXiv: 1706.00868)
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