Innsbruck (lk) - Was braucht es noch, damit Mann und Frau auf allen Ebenen gleichgestellt sind? In der „Gleichstellungsstrategie
Tirol“, die diese Woche von der Tiroler Landesregierung zur Kenntnis genommen wurde, sind Empfehlungen zu Maßnahmen
und deren Umsetzung aufgelistet, um das Ziel auf dem Weg zur Gleichstellung schneller zu erreichen. Diese Empfehlungen
dienen als Basis für die Erstellung eines entsprechenden Maßnahmenplans. „Vorrangig dabei ist es, Frauen
die gleichberechtigte Teilhabe an Erwerbsarbeit zu ermöglichen, den Frauenanteil in Fach- und Führungspositionen
sowie als Unternehmerinnen zu erhöhen, Einkommensunterschiede und benachteiligende Arbeitsbedingungen bzw.
Arbeitsteilungen zwischen den Geschlechtern zu reduzieren sowie die soziale Absicherung aller zu verbessern“, fasst
Frauenlandesrätin Christine Baur die wesentlichen Inhalte zusammen.
Die Grundlage für die Gleichstellungsstrategie bildete der Gleichstellungsbericht Tirol 2016, der die geschlechtsspezifischen
Ungleichheiten darstellt. Ergänzt wurden diese Inhalte durch das Gleichstellungsbarometer Tirol 2017, das
die Einschätzung der Tiroler Bevölkerung zu gleichstellungsrelevanten Themen abbildet. Dazu wurden von
der Statistik Austria telefonische Umfragen durchgeführt. Einen weiteren Input lieferten Gesprächsrunden
mit sechs Fokusgruppen und Einzelgespräche mit ausgewählten VertreterInnen aus Tirol.
Die Gleichstellungsstrategie ist in zehn Schwerpunkte mit entsprechenden Empfehlungen unterteilt:
Erwerbsarbeit und Einkommen
„Die Gleichstellungsstrategie schlägt Maßnahmen zur Schaffung von existenzsichernden und qualitativ
hochwertigen Erwerbsarbeitsplätze für Frauen und zur Erleichterung des Zugang zu Erwerbsarbeit vor“,
berichtet LRin Baur. Damit könne die Erwerbsquote erhöht und Frauenarmut durch ökonomische Eigenständigkeit
verhindert werden. In diesem Zusammenhang sind auch die gleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit
zwischen Frauen und Männern und die geschlechterunabhängige Bewertung von Arbeit besonders wichtig. Dazu
ist der Abbau von geschlechterspezifischen Stereotypen und Segregationen im Berufs- und Erwerbsleben erforderlich.
Um der lebensphasenorientierten Gestaltung der Erwerbstätigkeit gerecht zu werden, empfiehlt die Gleichstellungsstrategie
die weitere Entwicklung von unterschiedlichen Erwerbsarbeitsmodellen und die Diskussion über Möglichkeiten
der flexiblen Arbeitszeitgestaltung.
Bildung
Um die geschlechterspezifische Berufswahl und Berufsorientierung aufzubrechen, regt die Gleichstellungsstrategie
eine geschlechterneutrale Bildungs- und Berufsberatung an. „Schon in der Aus- und Weiterbildung von Pädagoginnen
und Pädagogen kann ein Augenmerk auf die Gender- und Gleichstellungskompetenz gelegt werden“, ist LRin Baur
überzeugt. Weitere Mosaiksteine im Schwerpunkt Bildung ortet die Gleichstellungsstrategie bei der Förderung
der niederschwelligen Bildungsberatungs- und Bildungsangebote für gering(er) qualifizierte Frauen und des
Nachholens von Pflichtschulabschlüssen sowie anderweitigen Abschlüssen. Für Regionen mit niedriger
Frauenerwerbsquote wird der Ausbau des niederschwelligen und örtlich flexiblen (Weiter-)Bildungsangebots angeregt.
Stereotypen und Rollenbilder
Das Thema Stereotypen und Rollenbilder findet sich auch im Handlungsfeld Erwerbsarbeit und Einkommen. In der Erhöhung
des Frauenanteils in technischen Berufen und des Männeranteils in typischen Frauenberufen wie Pflege- und
pädagogischen Berufen ortet die Gleichstellungsstrategie einen wichtigen Schritt in Richtung Gleichstellung.
Gleichzeitig wird empfohlen, die Gender- und Diversitätskompetenz in öffentlichen Institutionen und bei
politisch Verantwortlichen auszubauen und ein gesellschaftliches „Umlernen“ von Rollenklischees zu forcieren, was
durch den Ausbau von Mädchen- und Burschenberatungsstellen, von geschlechtersensibler Jugendarbeit und von
geschlechtersensiblen SeniorInnenangeboten unterstützt werden kann. Mit der Einführung eines „Männerförderplans“
zu Themen wie Kindererziehung, Bildung, Karenz, dem Umgang mit Gewalt und Gesundheit schlägt die Gleichstellungsstrategie
eine Maßnahme vor, die darauf abzielen soll, dass sich Männer mit Rollenklischees auseinandersetzen.
Gleichzeitig kann die Öffentlichkeit durch eine Forcierung der Geschlechtergerechtigkeit in Sprache, Symbolen
und Bildern sensibilisiert werden.
Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familie
„Zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie gehören auch die gesellschaftliche Akzeptanz und die finanzielle
Leistbarkeit von Väterkarenz und Väterbeteiligung“, betont LRin Baur. Nur so könne eine gleichmäßige
Verteilung der Betreuungsarbeit erreicht werden. Dazu empfiehlt die Gleichstellungsstrategie eine verstärkte
Bewusstseinsbildung nach dem Motto „Vereinbarkeit ist (auch) Männersache“. Neben der Beteiligung der Väter
regt die Gleichstellungsstrategie den weiteren Ausbau des regional flächendeckenden, altersbezogenen, leistbaren
Bildungs- und Betreuungsangebotes an, das mit Augenmerk auf ein flexibles, ganztägiges und ganzjähriges
Angebot auch gemeindeübergreifende Möglichkeiten beinhaltet. Im Bereich der Pflege befürwortet die
Gleichstellungsstrategie die Weiterentwicklung von Betreuungsmodellen für pflegebedürftige Menschen und
ein Finanzierungsmodell zur Sicherstellung von bedarfsorientierter Pflege wie auch den Ausbau der Unterstützung
pflegender Angehöriger.
Gesundheit und ausgewählte soziale Aspekte
Zielsetzung der Gleichstellungsstrategie in den Bereichen Gesundheit und ausgewählter sozialer Aspekte ist
es, die unterschiedlichen Bedürfnisse von Frauen an das Gesundheitssystem zu berücksichtigen und die
medizinische Versorgung den frauenspezifischen Bedürfnissen anzupassen. In diesem Zusammenhang setzt die Gleichstellungsstrategie
auf eine weitere Förderung der Gendermedizin.
Gewaltprävention und Gewaltschutz
Geschlechterspezifische Formen jeglicher Art von Gewalt müssen abgebaut werden, sodass sich sowohl Frauen
wie Männer im öffentlichen und privaten Raum frei bewegen können und ein von physischer und psychischer
Gewalt freies, selbstbestimmtes Leben möglich ist. Je früher Gewalteinwirkungen erkannt und zur Sprache
gebracht werden, desto effektiver kann an deren Verringerung und Vermeidung gearbeitet werden. Neben der Gewaltprävention
empfiehlt die Gleichstellungsstrategie Maßnahmen im Gewaltschutz, indem ausreichend Opferschutz- und Opferberatungseinrichtungen
angeboten werden. Zudem wird ein Ausbau der Anti-Gewalt-Maßnahmen für gewalttätige Menschen und
niederschwellige Beratungsangebote für Männer angeraten.
Repräsentanz von Frauen in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft
„Ziel ist eine Gleichverteilung der Entscheidungs- und Gestaltungsmacht in politischen und wirtschaftlichen Organisationen,
von zivilgesellschaftlichem und ehrenamtlichem Engagement zwischen den Geschlechtern“, gibt LRin Baur die Richtung
vor. Notwendig dafür sind die Erhöhung der politischen Teilhabe von Frauen sowie die Erhöhung des
Frauenanteils in Fach- und Führungspositionen. Die Rahmenbedingungen sollen so gestaltet sein, dass sie sich
mit Familienaufgaben beider Geschlechter gut verbinden lassen und keine beruflichen Nachteile entstehen.
Infrastruktur und Mobilität
Die Mobilitätsbedürfnisse von Frauen und Männern sind unterschiedlich. Diesen Unterschieden könne
laut Gleichstellungsstrategie Rechnung getragen werden, indem die Verkehrsplanung bedarfsgerechte Mobilitätsangebote
schafft. Wird eine entsprechende (dezentrale) Infrastruktur ausgebaut, könne laut Gleichstellungsstrategie
Abwanderung verhindert und eine gerechte Verteilung von Lebenschancen erreicht werden. „Gerade die Nutzung der
neuen digitalen Möglichkeiten ist für Frauen eine große Chance“, ist LRin Baur überzeugt.
Migration
Neben der Gleichstellung ist die gesellschaftliche Integration von Migrantinnen und Frauen mit Fluchterfahrung
besonders wichtig. In dieser Hinsicht rät die Gleichstellungsstrategie zur Schaffung von Maßnahmen zur
eigenständigen Existenzsicherung und zur Förderung der Sprachkompetenz sowie zur Einrichtung von niederschwelligen
Beratungs- und Informationsangeboten.
Regionen
„Abwanderung verhindern und ein selbstbestimmtes Leben für Frauen und Männer in den Regionen zu ermöglichen
– mithilfe einer überörtlichen Region- und Städteentwicklung kann dies erreicht werden“, ist LRin
Baur überzeugt. Auch hier ist der Ausbau der sozialen und kulturellen Infrastruktur sowie der Mobilitätsangebote
ein wichtiger Ansatzpunkt.
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