Energie chemisch speichern und wieder freisetzen – dieses vielversprechende Konzept wird an
der TU Wien erforscht. Nun gelang ein wichtiger Schritt auf der Suche nach dem passenden Material.
Wien (tu) - Das Grundprinzip kennt man schon aus der Antike: Schon damals wurde Kalk gebrannt und gelöscht.
Man führt dem Kalkstein im Brennofen Energie zu und löst dadurch eine chemische Reaktion aus. Das Produkt
ist Branntkalk, in dem ein Teil der zugeführten Energie gespeichert bleibt, bis man ihn mit Wasser ablöscht.
Dabei entsteht Löschkalk, und die Energie wird in Form von Hitze wieder abgegeben.
Ganz ähnliche Möglichkeiten des chemischen Energiespeicherns untersucht man an der TU Wien. Ein wichtiger
Durchbruch gelang jetzt auf dem Weg zum Magnesium-Wärmespeicher: Mit quantenchemischen Rechnungen, aufwändigen
Experimenten und hochentwickelter Analysetechnik fand man das optimale Magnesium-basierte Speichermaterial: Aus
einer speziellen Mischung aus Magnesium und Calcium lässt sich eine Struktur herstellen, die sich bestens
als Wärmespeicher für Industrieanlagen eignet.
Eine Frage des Materials
„Wir haben uns in den letzten Jahren intensiv mit der Frage beschäftigt, welche Materialien und welche chemischen
Reaktionen sich am besten zum Speichern von Abwärme eignen“, sagt Peter Weinberger vom Institut für Angewandte
Synthesechemie der TU Wien. Welcher chemische Speicher sinnvoll ist, hängt ganz entscheidend von der verfügbaren
Temperatur ab: Das wohlbekannte Kalkbrennen etwa funktioniert nur bei sehr hohen Temperaturen. Für Abwärme
mit einer Temperatur von unter 400°C, wie sie in der Industrie oft anfällt, braucht man andere Reaktionen.
„Man hat daher schon längere Zeit mit Magnesiumoxid experimentiert – allerdings mit recht gemischtem Erfolg“,
berichtet Weinberger. „Magnesiumoxid reagiert zwar genau im richtigen Temperaturbereich, aber wie sich herausstellte,
ist es sehr schwer, die Reaktion vollständig ablaufen zu lassen.“ Das liegt an recht komplizierten Prozessen
auf mikroskopischer Skala. So können sich etwa winzige Partikel bilden, die nur an ihrer Oberfläche chemische
Reaktionen erlauben, während ihr Inneres abgeschirmt bleibt. Auch die genaue Form der Kristallstruktur, die
das Magnesiumoxid ausbildet, spielt eine wichtige Rolle für die Effizienz der Reaktion.
Doch wie kann man die Eigenschaften von Magnesiumoxid grundlegend verbessern? Um dieses Problem zu lösen,
musste die Expertise mehrerer Arbeitsgruppen gebündelt werden: „Ursprünglich entstand das Projekt bei
unseren Kollegen an der Fakultät für Maschinenwesen und Betriebswissenschaften, im Team von Prof. Andreas
Werner“, sagt Peter Weinberger. „Entscheidende Ideen kamen zunächst von meinem Postdoc Danny Müller,
und bald waren alle vier Chemie-Institute der TU Wien bei dem Projekt dabei, dazu kam noch unser Röntgenzentrum.
Das ist sehr ungewöhnlich, war aber die einzige Chance, einem so schwierigen Problem auf den Grund zu gehen.“
Die perfekte Mischung
Computersimulationen ergaben, dass die Effizienz des Prozesses vom Abstand zwischen den einzelnen Atomen abhängt:
Die Magnesium-Atome im Magnesium-Oxid sitzen einfach ein bisschen zu nahe beisammen. Dadurch gelingt es ihnen nicht
optimal, beim Löschen die Wassermoleküle zu spalten. Da sich die fundamentalen Eigenschaften eines Atoms
nicht ändern lassen, blieb nur eine Alternative: Man fügte Fremdatome in das Magnesium-Oxid ein.
„Quantenchemische Berechnungen sagten voraus, dass ein Beimischen von 10% Calcium optimal sein sollte, sofern es
gelingt, Magnesium und Calcium auf atomarer Ebene gründlich durchzumischen – das hätte man eigentlich
nicht erwartet“, sagt Peter Weinberger. Doch man versuchte es und hatte tatsächlich Erfolg: In genau der richtigen
Mischung lassen sich tatsächlich 100% des Magnesium- und Calcium-Oxids chemisch umsetzen – und zwar auf reversible
Weise, sodass der Prozess in vielen Zyklen immer und immer wieder ablaufen kann.
Nun soll dieser Prozess verfahrenstechnisch weiter verbessert werden. „Bis die Idee in der Industrie eingesetzt
wird, müssen wir noch klären, wie man optimale Reaktoren baut und der Prozess möglichst effizient
und kostengünstig abläuft. Aber wir wissen nun, dass die Grundidee funktioniert“, sagt Peter Weinberger.
Weitere Versuchsanlagen sind an der TU Wien bereits in Planung.
Originalpublikation: Müller et al.,
Adv. Sustainable Syst. 2018, 2, 1700096. DOI: 10.1002/adsu.201700096, http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/adsu.201700096/epdf
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