Hochalpine Pflanzen zunehmend unter Konkurrenzdruck
Wien (universität) - "Flucht nach oben", also die Besiedelung immer höherer Lagen, ist
eine typische Reaktion von Gebirgspflanzen auf den Klimawandel. Ein Team von ÖkologInnen der Universität
Wien um Sabine Rumpf und Stefan Dullinger hat nun gemeinsam mit Schweizer KollegInnen Daten gesammelt, die ein
vollständigeres Bild der Reaktion von Alpenpflanzen auf Klimaveränderungen ergeben. Die wichtigsten Trends:
Die Verbreitungsschwerpunkte verschieben sich generell nach oben und viele Arten werden innerhalb ihres Verbreitungsgebietes
häufiger. Allerdings reagieren Pflanzen in tieferen Lagen schneller und dürften daher die hochalpine
Flora zunehmend unter Konkurrenzdruck bringen. Die Studie erscheint in "Proceedings of the National Academy
of Sciences of the U.S.A. (PNAS)".
Bisherige Untersuchungen konzentrierten sich auf Änderungen der oberen Verbreitungsgrenzen von Alpenpflanzen.
Was an den unteren Grenzen oder im Verbreitungszentrum einer Art geschieht ist vergleichsweise wenig bekannt. Um
die Gefährdung einer Art durch den Klimawandel richtig einzuschätzen, ist aber Wissen über die Reaktion
der gesamten Population erforderlich. Ein Team von BiologInnen der Universität Wien und des WSL (Eidgenössische
Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft) hat daher den vorherrschenden Fokus erweitert und Veränderungen
entlang der gesamten Höhenverbreitung von 183 Alpenpflanzen analysiert. Sie verglichen dafür Daten zur
Verteilung dieser Arten in den österreichischen, schweizerischen, italienischen, slowenischen und deutschen
Alpen während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Daten über ihre aktuelle Verbreitung im
selben Gebiet.
Die Resultate zeigen große Unterschiede zwischen den einzelnen Arten. Im Durchschnitt sind aber sowohl die
obere und untere Verbreitungsgrenze als auch der Höhenschwerpunkt der Verbreitung um 20 bis 35 Meter nach
oben gewandert. Innerhalb ihres Verbreitungsgebietes sind viele Arten häufiger geworden. "Der größte
Teil der Alpenflora scheint sein gesamtes Verbreitungsgebiet langsam und gleichmäßig nach oben zu verschieben
und vom Klimawandel bisher eher zu profitieren", sagt Sabine Rumpf vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung
der Universität Wien und Erstautorin der Studie.
Ungleiche Geschwindigkeiten
Die beobachteten Veränderungen verlaufen allerdings nicht überall mit derselben Geschwindigkeit.
"Höhengrenzen haben sich umso stärker nach oben verschoben, je tiefer sie historisch dokumentiert
waren, und die Häufigkeit hat für Arten mit tieferem historischen Verbreitungsschwerpunkt stärker
zugenommen“, so Rumpf. Insgesamt ergibt sich damit eine "Alpenflora der ungleichen Geschwindigkeiten",
mit schnelleren Reaktionen montaner und subalpiner Arten und langsameren, teilweise sogar gegenläufigen Reaktionen
der Arten alpiner Lagen.
Gewinner und Verlierer
Diese ungleichen Geschwindigkeiten führen dazu, dass Gewinner und Verlierer des Klimawandels sich entlang
des Höhengradienten zu sortieren scheinen. Knapp 20 Prozent der Arten sind Verlierer dieser Veränderungen,
weil sie heute seltener geworden sind und zugleich ein schmaleres Höhenintervall besiedeln. "Diese 33
Arten, wie etwa die Alpenaster (Aster alpinus), sind bevorzugt in den höheren und höchsten von uns untersuchten
Lagen zu finden", erklärt Projektleiter Stefan Dullinger: "Es ist daher zu befürchten, dass
alpine Arten neben direkten Klimawirkungen auch zunehmend mit konkurrenzstarken subalpinen und montanen Arten konfrontiert
sein werden, die schneller nach oben wandern als sie selbst dazu in der Lage sind".
Publikation in "PNAS":
Rumpf, S.B., Hülber, K., Klonner, G., Moser, D., Schütz, M.,
Wessely, J., Willner, W., Zimmermann, N.E. & Dullinger, S. 2018: Range dynamics of mountain plants decrease
with elevation. Proceedings of the National Academy of Sciences of the U.S.A.
Doi: 10.1073/pnas.1713936115
https://www.eurekalert.org/emb_releases/2018-01/potn-ear012418.php
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