Bundespräsident Alexander Van der Bellen mahnte in seiner Rede beim Gedenkakt in Straßburg
anlässlich des Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zur Wachsamkeit
Straßburg/Wien (apa/prk) - Überschattet vom Boykott der Israelitischen Kultusgemeinde der Gedenkveranstaltungen
in Österreich und der Aufregung über NS-Lieder der Burschenschaft "Germania" hat Bundespräsident
Alexander Van der Bellen am 25. Jänner an der Gedenkveranstaltung des Europarats zum Jahrestag der Befreiung
des KZ Auschwitz teilgenommen. In einer Rede rief er dazu auf, "hellhörig und wachsam" zu sein.
Die Geschichte habe "höchste Aktualität", sagte Van der Bellen bei der Gedenkfeier vor dem
Europarat in Straßburg. Denn es "gibt keinen europäischen Staat, in dem es nicht auch heute Politikerinnen
und Politiker, politische Bewegungen gibt, die ihre Erfolge in der Diffamierung von Menschen, von Minderheiten
suchen". Für Europas Gegenwart und Zukunft sei es daher wichtig, wachsam zu sein. "Besonders dann,
wenn einzelnen Bevölkerungsgruppen die Schuld für Missstände, für Unglück oder wirtschaftliche
Schwierigkeiten zugewiesen wird. Wenn Menschen an den Rand, zum Abgrund gedrängt werden", so Alexander
Van der Bellen.
Österreich trage eine besondere Verantwortung gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus, "denn
Österreicherinnen und Österreicher waren Täter", betonte er. Der Holocaust sei heute tief im
europäischen Bewusstsein verankert. "Trotzdem hören und lesen wir immer wieder von Menschen unterschiedlicher
Generationen, die meinen: 'Mich geht das alles nichts mehr an. Ich habe damit nichts zu tun und Schuld habe ich
schon überhaupt nicht. Ich schaue in die Zukunft und nicht zurück!'"
Gerade deshalb sei es wichtig, den jungen Menschen zu vermitteln, dass der Blick auf die Vergangenheit notwendig
sei. "Es ist wie der Blick in einen Rückspiegel, der uns die Gegenwart schärfer sehen lässt",
sagte Van der Bellen. Es gelte der Millionen Toten, der Verfolgten und der Überlebenden, die gedemütigt,
die entwürdigt wurden, zu gedenken, ihr Leid anzuerkennen und zu versuchen ihnen ein Stück Menschsein
zurückzugeben. "Wir dürfen derartiges nie mehr zulassen und müssen jedem Anfang wehren",
forderte Van der Bellen.
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