Die Kultur des Scheiterns war Thema der dritten Wiener Innovationskonferenz am 24. Jänner
2018 im Wiener Rathaus
Wien (rk) - Wer innovativ sein und bleiben will, muss Risiken eingehen und mit Scheitern rechnen. Die Stadt
Wien hat sich mit der Strategie „Innovatives Wien 2020“ vorgenommen, gute Rahmenbedingungen für Innovationen
innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung zu schaffen. Dazu gehört auch, einen guten Umgang mit Fehlern
zu etablieren. Es gilt, jene Fehler effektiv zu vermeiden, die große Folgen nach sich ziehen, aber jene zuzulassen,
die ein Motor für Innovation sein können. Das war das Thema der diesjährigen dritten Wiener Innovationskonferenz
am 24. Jänner 2018 im Wiener Rathaus. Etwa 350 Gäste aus den Bereichen Forschung, Verwaltung und Wirtschaft
diskutierten eines der letzten großen Tabus in unserer erfolgsorientierten Gesellschaft: Die Kultur des Scheiterns.
Dabei birgt Scheitern unter Umständen auch großes Potenzial. Wann und wie dieses jedoch aktiviert und
genutzt werden kann, liegt unter anderem daran, wie Scheitern beurteilt und mit Fehlern umgegangen wird. Expertinnen
und Experten für Fehlerkultur und Innovationsmanagement boten hierzu Lösungsansätze an, praktische
Erfahrungen aus Unternehmen und Forschungseinrichtungen zeigten, wie es gehen kann.
Brauner: Wirtschaft benötigt Bewusstsein für Fehlerkultur
„Wenn Unternehmerinnen und Unternehmer kreative und innovative Ideen umsetzen wollen, dann müssen sie
gerade zu Beginn mutige Schritte setzen. Und das heißt auch, dass man Scheitern kann – und zwar trotz guten
Managements und trotz sorgfältiger Planung“, so Renate Brauner, Stadträtin für Finanzen und Wirtschaft
in ihrer Eröffnungsrede. Entscheidend sei, aus dem Scheitern zu lernen. „Gerade in einer wirtschaftlichen
Weltmetropole wie Wien braucht es ein Umfeld, in dem es Unternehmerinnen und Unternehmer möglich ist, neue
Ideen umzusetzen und damit auch scheitern zu können, ohne dass dieses Scheitern gleich zur Existenzbedrohung
wird. Das benötige ein Klima des Vertrauens und der Wertschätzung ohne Angst und Neid.“, so Brauner.
„Wollen Organisationen innovativ sein und bleiben, brauche es dazu das Verständnis als „Labor“, in dem Experimente,
neue Wege mit unsicherem Ausgang nicht nur geduldet, sondern sogar gefördert werden. „Innovativ sind nicht
die Organisationen, das sind die Menschen in ihr“, so Hans Wüthrich, Professor für internationales Management
aus München.
Im Rahmen der Konferenz war auch das „Museum of Failure“ des Psychologen Samuel West aus Stockholm zu Gast. Es
zeigte Exponate des Versagens: etwa die erste Digitalkamera der Welt, die von Kodak 1975 entwickelt aber nie auf
den Markt gebracht wurde. Mit bekanntem Ausgang für das einst führende Unternehmen der Fotobranche. „80
bis 90 Prozent der Innovationen scheitern. Und ich habe mich gefragt, wieso dem Scheitern kein größerer
Raum gewidmet wird. Es gibt diese Start-Up-Kultur ‚Versage mehr, versage besser, versagen ist okay‘. Aber das stimmt
auch nicht, wenn man versagt und nicht daraus lernt:
Das ist das richtige Versagen“, so West.
Negatives Wissen ist wertvoll
Letztendlich führt beinahe jede fehlerhafte Erfahrung zum Aufbau von sogenanntem „negativen Wissen“. Verarbeiten
und Verstehen einer Situation werden durch „negatives Wissen“ beschleunigt, denn durch das Scheitern wird klarer,
was nicht funktioniert. Solch „negatives Wissen“ zu managen und anwenden zu können ist mitunter wichtiger
als nur den „richtigen“ Weg zu gehen, der sich auch als der falsche herausstellen kann. Die Stadt Wien hat etwa
bei ihrer internen Auszeichnung von innovativen Vorhaben, dem „goldenen Staffelholz“ auch einen Preis für
gescheiterte Projekte vergeben. Solche Maßnahmen mit starker Symbol- und Signalwirkung können dazu beitragen,
das Klima für einen offenen Umgang mit Fehlern zu stärken. Es braucht aber neben solchen Ritualen auch
einen systematischen Ansatz in den Organisationen, der allen MitarbeiterInnen erleichtert „intelligente“ Fehler
zu machen. Das Rezept dazu heißt „unterstützende Führung“:
Menschen etwas zuzutrauen und ihnen dies auch klar zu vermitteln.
Elke Schüttelkopf, Autorin des Standardwerkes „Lernen aus Fehlern“ und erfahrene Beraterin von Unternehmen
wie auch öffentlichen Verwaltungen, bringt es auf die Formel: eine konstruktive Fehlerkultur schaffen, angemessene
Fehlerstrategien einsetzen, Fehler nicht als Makel, sondern als wichtige Information sehen, miteinander negatives
Wissen aufbauen, gemeinsam den Fehlernutzen abschöpfen. Und wenn plötzlich alles anders ist als erwartet,
eine neue Situation eintritt, etwas Unerwartetes passiert, dann hilft „Reframen“: wie können die neuen Gegebenheiten
produktiv genutzt werden? Welchen Nutzen könnte das unerwartete Ergebnis eines Experimentes oder eines Fehlers
noch haben? Dazu gibt es beeindruckende Beispiele: Ein Wartungsfehler machte den Unternehmer Günter Hufschmid
zufällig zum Erfinder des „Superschwamms“ Pure, eines der effektivsten Mittel zur Bekämpfung von Ölkatastrophen
im Wasser.
Von der Vorbereitungskultur zur Risikofitness
Die Bereitschaft junger Menschen, ein Unternehmen zu gründen steigt. Noch nie war es so leicht, aus einer
Idee ein Business zu machen. Dennoch scheitern die meisten dieser Versuche. Hier ist eine gute und gründliche
Vorbereitung die Basis für einen guten Umgang mit Fehlern und Scheitern. Das beinhaltet die Abschätzung
von Risken und die Vorsorge für den Umgang damit, wenn sie eintreten. Die Wiener Wirtschaftsagentur ist Partner
und Coach für Start-ups um das Risiko nicht zu übernehmen aber abzufedern, und die Kompetenz im Umgang
mit Risiko und dem möglichen Misserfolg zu stärken. „Wir fördern auch das ehrliche Scheitern“, so
Gerhard Hirczi, Chef der Wiener Wirtschaftsagentur.
Innovation und produktives Scheitern sind untrennbar miteinander verknüpft. Es geht darum, die gefährlichen,
teuren Fehler zu vermeiden und stattdessen die innovativen, kreativen zu machen. Dafür braucht es den richtigen
Rahmen, die Unterstützung der Organisation aber auch persönlichen Mut. Denn: „Für Innovation sind
wir letztendlich alle zuständig und alle verantwortlich“, so Klemens Himpele, Leiter der MA 23 für Wirtschaft,
Arbeit und Statistik, in seinem Abschlussstatement.
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