Wien (gemeindebund) - In einem Mediengespräch präsentierten Städtebund-Präsident Bürgermeister
Michael Häupl und Generalsekretär Thomas Weninger am 23. Jänner die Auswirkungen der Vorhaben der
Bundesregierung auf Städte und Gemeinden. Bereits Ende November wurde in der Geschäftsleitung des Österreichischen
Städtebundes einstimmig eine Punktation verabschiedet und an alle im Parlament vertretenen Parteien verschickt.
„Städte und Gemeinden erbringen Tag für Tag eine Reihe von wichtigen Leistungen wie Wasserversorgung,
Müllentsorgung, öffentlicher Nahverkehr, Kindergärten oder Nachmittagsbetreuung. Das Programm der
neuen Bundesregierung enthält Vorhaben, deren Umsetzung unmittelbare Auswirkungen auf die Städte und
die Finanzierung dieser Leistungen hat“, sagte dazu Thomas Weninger, Generalsekretär des Österreichischen
Städtebundes.
“Dass der Pflegeregress abgeschafft, und ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr eingeführt werden soll,
begrüßen wir politisch ausdrücklich“, sagte Städtebund-Präsident Michael Häupl.
„Es muss aber auch die entsprechende Finanzierung vom Bund kommen“. Er warnte davor, dass durch die Abschaffung
der Notstandshilfe vermehrt Menschen in die Bedarfsorientierte Mindestsicherung gedrängt werden. „Das wäre
wieder eine Verlagerung von Leistungen, die der Bund an Länder und Gemeinden verschiebt, obwohl wir dafür
nicht zuständig sind“, sagte Häupl.
Abgabenquote
Laut Regierungsprogramm soll die Abgabenquote in Richtung 40 gesenkt werden. Weniger Einnahmen bedeuten aber
auch weniger Ertragsanteile für Städte und Gemeinden. Bei einer Steuerreduktion von 10 Milliarden heißt
das Einsparungen von ca. 1 Milliarde. Generell gilt: jede Veränderung des bestehenden Finanzausgleichs, der
die Verteilung der Geldmittel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden regelt, hat direkte Auswirkungen und sollte
unbedingt mit den VertreterInnen der Länder bzw. Städte und Gemeinden neu verhandelt werden.
Pflegefinanzierung
Städte zahlen direkt und indirekt (über Umlagen an die Länder) bei der Pflege mit. Durch die
Abschaffung des Pflegeregress seit 1.1.2018 entstehen Mehrkosten von über 500 Millionen Euro. Die bisher zugesagte
Abgeltung von 100 Millionen Euro ist daher völlig unzureichend.
Ausbau der Kinderbetreuung
Das verpflichtende 2. Kindergartenjahr und Ausweitung des Angebots an Elementarbildung wird ausdrücklich
begrüßt, allerdings muss die Finanzierung sichergestellt werden. Beispielsweise hätte der sogenannte
„Familienbonus“ dafür eingesetzt werden können.
Abschaffung Aktion 20.000
Die Abschaffung wird ausdrücklich bedauert, da es in den Städten und Gemeinden bereits einige erfolgreiche
Pilotprojekte gab.
„Arbeitslosengeld Neu“
Bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) zahlen Städte und Gemeinden über die „Sozialhilfeumlage“
rund 50 Prozent der Kosten mit, die anderen 50 Prozent zahlen die Bundesländer. Wenn die Leistungen der Arbeitslosenversicherung
sinken (degressiver Verlauf, kürzere Bezugszeiten, geringere Höhe), fallen die Betroffenen schneller
ins System der Mindestsicherung.
Der Österreichische Städtebund verwehrt sich dagegen, dass die Kosten vom Bund an Länder und Gemeinden
weitergereicht werden und warnt gleichzeitig davor, Menschen durch Streichung der Notstandshilfe vermehrt in die
Mindestsicherung zu drängen. Mehr Mindestsicherungsbezieher bedeutet für Städte und Gemeinden eine
größere finanzielle Belastung. Gleichzeitig warnt der Österreichische Städtebund, dass durch
den Zugriff auf Vermögen Armut und Obdachlosigkeit steigen könnten, was in Städten besonders schnell
und deutlich sichtbar wird. Es geht also nicht nur um die Finanzierung der Sozialleistungen, sondern auch um die
Aufrechterhaltung des sozialen Friedens in Städten.
„Marktkonforme Mieten nach Gesamtsanierung“: Die in den Ballungsräumen ohnehin hohen Mietkosten werden zusätzlich
steigen. Damit steigt auch der Bedarf an leistbarem Wohnraum – Städte müssen daher mehr denn je in kommunalen
bzw. geförderten Wohnbau investieren, um Armut und Obdachlosigkeit entgegenzuwirken.
Integration
Städte haben in den vergangenen Jahren aus eigener Kraft Maßnahmen und Programme entwickelt, um
Asylberechtigten und MigrantInnen eine rasche Integration zu ermöglichen. Die jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen
wirken diesen Bemühungen entgegen. Insbesondere der längere Verbleib in Grundversorgungsquartieren erschwert
die Integration und bedeutet für Städte und Gemeinden höhere Kosten.
Transparenzdatenbank
Schon legen mehr als 900 Städte und Gemeinden auf der Internetplattform „Offener Haushalt“ alle Haushaltsdaten
offen, was eine lückenlose und vergleichbare Darstellung ermöglicht. Zusätzlich ermöglicht
der sogenannte „Subventionschecker“ die Darstellung aller städtischen Subventionen (http://www.offenerhaushalt.at).
Gewerbeordnung
Genehmigungsverfahren sollen verkürzt und vereinfacht werden: Städte und Gemeinden begrüßen
Reformen, die Effizienz und Service verbessern, geben jedoch zu bedenken, dass auch die Kontrollen der Auflagen
und die genaue Prüfung im Sinne des Umweltschutzes, Anrainer etc. sorgfältig erfolgen müssen. Der
Städtebund mit seinen Mitgliedern, die diese Verfahren umsetzen, steht hier mit seiner Expertise als Gesprächspartner
jederzeit zur Verfügung.
Auch bei Reformen des Wahlrechts haben Städte und Gemeinden Expertise und Erfahrung und sollten unbedingt
eingebunden sein.
Stadtregionen
Die Raumordnung fällt grundsätzlich in die Kompetenz der Bundesländer. Die beim Bundeskanzleramt
(BKA) angesiedelte Österreichische Raumordnungskonferenz (ÖROK) als „permanentes Organ von Bund, Ländern
und Gemeinden“ zur Abstimmung von Fragen der Raumordnung und Regionalpolitik in Kombination mit der bisherigen
Zuständigkeit des BKA für Europäische Städtepolitik waren wertvolle Voraussetzungen für
eine nationale Städtepolitik. Städte und Stadtregionen sind die regionalen Versorgungszentren und Kristallisationszentren
des Wachstums. Auch international hat Städtepolitik einen hohen Stellenwert (Urban Agenda der EU, UN Urban
Agenda, UN-HABITAT, UN-SDGs (etc.). Eine Verlagerung der ÖROK sowie der relevanten Stellen des BKA hin zum
Nachhaltigkeitsministerium, das sich insbesondere der Umsetzung eines Masterplans Ländlicher Raum verpflichtet
hat, lässt befürchten, dass Städtepolitik in Österreich in den nächsten Jahren nicht den
Stellenwert erhält, der ihr international bescheinigt wird. Auch die in vielen EU-Staaten für Stadt(regions)-Entwicklung
eingesetzten Fördermittel des Regionalfonds (EFRE) werden zukünftig im Verantwortungsbereich des Nachhaltigkeitsministeriums
liegen.
Mobilität
Der öffentliche Verkehr ist das Rückgrat jeglicher umweltfreundlicher Mobilität in den Städten
bzw. Stadtregionen und muss daher auch in die von der Regierung avisierte Klima- und Energiestrategie als zentrales
Maßnahmenbündel einfließen. Dabei sollte allen EntscheidungsträgerInnen klar sein, dass öffentlicher
Verkehr entsprechender finanzieller Dotierungen bedarf. Der Bund sollte den Städten nach dem Vorbild des Schweizer
Agglomerationsfonds folgend beim Ausbau der Öffi-Infrastruktur unter die Arme greifen.
Wollen die österreichischen Landeshauptstädte die Klima- und Energieziele im Verkehrsbereich erfüllen,
so sind massive Angebotsausweitungen nötig. Von 2020 bis 2050 rechnen die Städte mit 3,9 Mrd. Euro an
zusätzlichen Kosten.
Ein Umsteigen auf die Öffis ist dann attraktiv, je stärker die Reglementierungen im Bereich des motorisierten
Individualverkehrs sind. Die bisher vorgestellten Maßnahmen der Bundesregierung im Verkehrsbereich (Tempo
140, Reduktion der Radarmessungen, „Adaptieren“ der höchstzulässigen Achslast,....) bilden die städtische
Realität kaum ab. Hier wird nämlich der Großteil der Wege (in Wien 2/3 aller Wege) bereits per
Öffi, Rad oder zu Fuß absolviert. Der Radverkehr findet sich lediglich in einem Nebensatz erwähnt.
Die vorgestellten Maßnahmen deuten aus heutiger Sicht vielmehr darauf hin, seitens der Bundesregierung den
Autoverkehr zu forcieren – mit allen negativen Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit aller VerkehrsteilnehmerInnen
und letztlich auch die Umwelt. Seitens der Städte bleibt zu hoffen, dass die kommunale Selbstverwaltung bei
Punkten wie der angedachten „Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für effiziente und nutzerorientierte
Parkraumbewirtschaftungssysteme“ oder dem avisierten „strategischen Infrastruktur- und Raumordnungskonzept“ nicht
unter die Räder kommt.
„Bei allen Reformvorhaben der Bundesregierung wird entscheidend sein, dass die kommunale Ebene (Städtebund,
Gemeindebund) mit ihrer Expertise und Erfahrung wie bisher eingebunden ist“, schloss Städtebund-Generalsekretär
Weninger.
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