Innsbruck (universität) - In der Fachzeitschrift "PNAS" präsentieren Innsbrucker Forscher
den weltweit ersten chemischen Fingerabdruck städtischer Emissionsquellen von flüchtigen organischen
Verbindungen (VOC). Demnach zeigt die Abkehr von organischen Lösungsmitteln in Europa Wirkung. Gleichzeitig
lassen die Daten darauf schließen, dass die Gesamtmenge der vom Menschen verursachten VOCs global deutlich
höher sein dürfte als bisher angenommen.
In der nördlichen Hemisphäre stammen flüchtige organische Verbindungen (VOC) etwa je zur Hälfte
aus menschengemachten sowie aus natürlichen Quellen. In den Städten ist der Anteil der von Verkehr, Restaurants,
Lösungsmitteln und dem Rauchen verursachten Emissionen deutlich höher. Bisher waren quantitative Aussagen
über deren Ausmaß allerdings eher vage. Mit einer ausgeklügelten Messmethode haben Forscher um
Thomas Karl und Georg Wohlfahrt von der Universität Innsbruck nun erstmals einen chemischen Fingerabdruck
von urbanen VOC-Emissionsquellen erstellt. Von Juli bis Oktober 2015 maßen die Wissenschaftler am Unicampus
nahe der Innsbrucker Innenstadt laufend eine Vielzahl von flüchtigen organischen Verbindungen. Mit Hilfe von
statistischen Methoden konnten sie aus den Messdaten auf einzelne Emissionsquellen schließen. Möglich
war dies, weil mit dem sogenannten Eddy-Kovarianz-Verfahren die Konzentration der Spurengase in Abhängigkeit
von der Strömungsrichtung ermittelt wird. Als elektronische Spürnase diente ein spezielles, vom Uni-Spin-off
Ionicon Analytik entwickeltes Protonentausch-Transfer- Reaktions- Massenspektrometer, das Spurengase auch in geringsten
Konzentrationen erschnüffeln kann.
Deutlich mehr VOCs als angenommen
Seit rund 15 Jahren reguliert die EU über gesetzliche Maßnahmen flüchtige organische Verbindungen
aus organischen Lösemitteln wie zum Beispiel in Farben und Lacken. Viele der oft giftigen Lösungsmittel
wurden in der Zwischenzeit durch umweltfreundlichere, wasserlösliche Stoffe ersetzt. Dieser Wandel lässt
sich nun auch in den Messdaten der Innsbrucker Forscher ablesen. „Kohlenwasserstoffe wie Benzol oder Toluol finden
wir in den Daten selten,“ erzählt Thomas Karl vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften.
„Dafür tauchen die wasserlöslichen Stoffe häufig in der Luft auf. Diese sind weniger reaktiv, was
sich auch positiv auf die Bildung von bodennahem Ozon auswirken kann.“ Manche der heute eingesetzten Komponenten
bilden allerdings sekundäre organische Aerosole und tragen damit zur Feinstaubbildung bei. Wie hoch deren
Anteil am städtischen Feinstaub ist, muss aber erst noch ermittelt werden.
Die Innsbrucker Messdaten zeigen auch, dass aufgrund des sehr hohen Anteils von sauerstoffhaltigen Verbindungen
die Gesamtmenge der urbanen Emissionen global gesehen deutlich unterschätzt wird. „Ist der für Innsbruck
ermittelte Wert auch für asiatische Städte repräsentativ - was eher optimistisch geschätzt
ist - dann wären die VOC-Emissionen global betrachtet zumindest doppelt so hoch als bisher angenommen“, betont
Thomas Karl. Da dadurch auch mehr Feinstaub in der Atmosphäre vorhanden wäre und dieser wiederum Einfluss
auf die Wolkenbildung hat, müssten die regionalen und globalen Klimamodelle nun entsprechend angepasst werden.
Kosmetika hinterlassen Spuren in der Luft
Die Forscher messen eine große Bandbreite von Verbindungen auch in kleinsten Mengen und ermitteln so den
Fingerabdruck der VOC-Emissionsquellen im Umkreis von rund einem Kilometer. Da viele der Spurengase auch Geruchstoffes
sind, findet sich in diesen Daten auch der charakteristische Geruch der Stadt wieder. „Innsbruck ist in dieser
Hinsicht eine stinknormale Stadt“, sagt Thomas Karl schmunzelnd. „Es sind vor allem Spuren der Lebensmittelzubereitung
- vom Kaffeerösten bis zum Backen – sowie Lösungsmittel, die den Geruch der Stadt ausmachen. Die Emissionsquellen
reichen von der Bäckerei bis zur Klinik.“ Erstaunt waren die Wissenschaftler über Verbindungen, die vor
allem aus Kosmetika und Waschmitteln stammen. „Wir fanden in unseren Daten deutliche Hinweise auf Silikonöle,
die in sehr vielen Kosmetik- und Reinigungsartikeln enthalten sind“, sagt Thomas Karl. „Dass diese Silikonöle
in der städtischen Luft so deutlich Spuren hinterlassen, hat uns überrascht.“
Finanziell unterstützt wurden die Forschungen von der Europäischen Kommission und dem österreichischen
Wissenschaftsfonds FWF.
Publikation: Urban flux measurements
reveal a large pool of oxygenated volatile organic compound emissions. T. Karl, M. Striednig, M. Graus, A. Hammerle,
and G. Wohlfahrt. Proc. Natl. Acad. Sci. 2018 DOI: 10.1073/pnas.1714715115
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