Linz (yad vashem) - Anlässlich des Int. Holocaust-Gedenktages der Vereinten Nationen veranstalteten die
Österreichischen Freunde von Yad Vashem gemeinsam mit der Stadt Linz am 29. Jänner eine Gedenkstunde
im Alten Rathaus. Vor 120 Teilnehmern hielt der Schauspieler und Schriftsteller Miguel Herz-Kestranek ein Plädoyer
für ein zeitgemäßes und nachhaltiges Gedenken. Unter den zahlreichen Ehrengästen konnten Yad
Vashems Europadirektor Arik RavOn, den Linzer Diözesanbischof Dr. Manfred Scheuer, Altbischof Maximilian Aichern,
die Präsidentin der IKG Linz, Dr. Charlotte Herman, LAbg. Severin Mayr, zwei Stadträtinnen, die Präsidentin
des OLG Mag.a Katharina Lehmayer sowie den Rektor der PH der Diözese Linz, Mag. Franz Keplinger begrüßt
werden.
Was einmal möglich war, sei auch zukünftig wieder möglich, so Vorsitzender Günther Schuster
in seinen Eröffnungsworten. Er rief dazu auf, allen Tendenzen entgegenzuwirken, die die Entstehung von Rassenhass,
Antisemitismus und Diskriminierung begünstigen. Es müsse auch jede Schönfärberei und Heroisierung
des Naziregimes aufgedeckt und geächtet werden. Schuster rief zur Teilnahme an der Aktion "#weremember"
des World Jewish Congress auf, an der sich viele Besucher nach der Veranstaltung durch ein Fotoshooting beteiligten.
Die Linzer Vizebürgermeisterin Mag.a Karin Hörzing vertrat den erkrankten Bürgermeister MMag. Klaus
Luger. Sie ging in ihren Worten auf das Gedenkjahr 2018 ein. Österreich feiere heuer 100 Jahre Republik. Republik
sei eine Chance, dass so etwas wie Auschwitz nie mehr passiere - aber es sei keine Garantie. Es brauche Demokratie
und Menschen, die sich dafür einsetzen, dass sich millionenfacher Mord, Folter und Entwürdigung nicht
wiederholen können, so Hörzing.
Yad Vashems Europadirektor Arik RavOn betonte, dass man Wege finden müsse, um die junge Generation zu erreichen.
Was bisher funktioniert habe, sei bei jungen Menschen nicht mehr wirksam. Eine Botschaft, die länger als 20
Sekunden dauere, werde rasch von der nächsten verdrängt. Allerdings habe die junge Generation heute mehr
Interesse an den Ereignissen der Nazizeit als alle Generationen davor. Die Jungen seien frei und unbelastet von
der Frage der Schuld. Sie gelte es zu erreichen und zu motivieren, das Erfahrene - auch auf digitalem Wege - mit
anderen zu teilen.
Miguel Herz-Kestranek beleuchtete in seiner Rede die gegenwärtige Gedenkkultur sehr kritisch. Er sei in seinem
Leben bei unzähligen Gedenkfeiern gewesen, habe zahlreiche Reden gehört und Versuche erlebt, das nach
wie vor Unbegreifliche in Worte zu fassen und damit Betroffenheit zu erwirken, die über die Gedenkstunde hinaus
andauern sollte. Doch seine Zweifel seien gewachsen, so Herz- Kestranek: an der Wirksamkeit über das Nicht-Vergessen
hinaus, an der Nachhaltigkeit der Appelle, an der Möglichkeit, dauerhafte Betroffenheit zu erwirken. Zu groß
scheine die Distanz vom Anlass zu sein
- vor allem für Nachgeborene, Unbeteiligte und somit Schuldlose. Wenn Gedenkfeiern in der derzeitigen Form
wirksam wären, dann dürften nicht genau jene Anfänge, denen zu wehren immer aufgerufen wird, sich
so mehren wie heute.
Er habe nachgedacht, welche Form des Gedenkens ihn diese Zweifel überwinden ließe, so Herz- Kestranek.
Er frage sich, wie es wäre, Gedenken immer in einen Zusammenhang mit dem eigenen Gewissen zu bringen, den
Bezug zur Gegenwart zu suchen und sich zwei Fragen zu stellen - eine schwer und eine leicht zu beantwortende: "Wie
hätte ich damals gehandelt?" und "Wie handle ich heute?" Wofür reiche die eigene Charakterstärke
heute, ohne die Gefährdung von damals? Damals hätte man vielleicht geschwiegen, wenn man um das eigene
Leben oder das der Familie hätte bangen müssen? Aber wie laut wäre die eigene Stimme heute - ohne
diese Bedrohung?
Musikalisch wurde der Gedenkabend von Mirjam Arthofer und Petra Asztalos einfühlsam umrahmt.
Georg Schuster
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