Sexualstrafrecht: Bundeskanzler Kurz
 will "Schieflage" im Strafrecht beseitigen

 

erstellt am
08. 02. 17
13:00 MEZ

Grundsatzdebatte im Bundesrat zur geplanten Strafrechtsverschärfung bei Sexualdelikten
Wien (PK) – Bundeskanzler Sebastian Kurz nutzte die Sitzung des Bundesrats am 8. Feber, das Regierungsvorhaben zur Verschärfung der Strafen bei Sexualdelikten zu verteidigen. Aufgrund der Gesetzeslage bestehe derzeit eine Schieflage beim Strafmaß von Vermögens- und jenem von Gewaltdelikten, so Kurz. Diese solle der Gesetzgeber ausgleichen. Eingedenk des Titels der Aktuellen Stunde mit dem Kanzler - "Null Toleranz bei Gewalt gegen Frauen" - verdeutlichten alle Parteien im Plenum, Gewalt gegen Frauen und Kinder sei keinesfalls akzeptabel und müsse besser geahndet werden. Während ÖVP und FPÖ in diesem Zusammenhang die Vorbereitungsarbeiten zur Reform in der Task Force von Staatssekretärin Karoline Edtstadler begrüßten, meldeten SPÖ und Grüne große Zweifel an, dass höhere Strafen zielführend sind.

Kurz: Gewaltschutz als aktive Frauenpolitik
"Eine aktive Frauenpolitik zu betreiben", habe sich seine Regierung auf die Fahnen geheftet, erläuterte Bundeskanzler Sebastian Kurz den Hintergrund der angekündigten Reform im Sexualstrafrecht. Österreich müsse mehr Sicherheit für Frauen bieten, immerhin seien im Vorjahr rund 50.000 Frauen Opfer von Gewaltdelikten geworden. Dennoch gebe es bei Vermögensdelikten häufig höhere Strafen als bei Missbrauchsfällen, machte Kurz eine Ungerechtigkeit aufgrund der Gesetzeslage aus. Der Richterschaft sei kein Vorwurf zu machen, betonte der Kanzler, wenn sie aufgrund unzureichender Gesetze Urteile fällt, die auf Unverständnis stoßen.

Die Arbeit an der Strafrechtsnovelle umriss Bundeskanzler Kurz als Kooperationsprojekt. Im Rahmen der Task Force unter Leitung von Staatssekretärin Edtstadler aus dem Innenministerium, einer ausgewiesenen Strafrechtsexpertin, würden Schnittstellen zwischen Polizei und Justiz geschaffen. Kurz lud auch die Opposition ein, sich an der Reform zu beteiligen, denn es gehe darum, mit den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen "mehr Gerechtigkeit herzustellen". Der Opferschutz sei dabei ebenfalls auszubauen, würdigte Kurz das Vorhaben von Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß, in den nächsten vier Jahren die Zahl an Frauenhäusern auszuweiten.

ÖVP und FPÖ: Strafen müssen wirken
Die Salzburger ÖVP-Bundesrätin Andrea Eder-Gitschthaler würdigte den "Schwerpunkt bei Frauenthemen", den die neue Regierung unter Bundeskanzler Kurz mit ihrem Vorhaben setzt. Zentral bei der Strafrechtsreform seien das Anheben der Mindeststrafen und der Opferschutz, um sowohl die Abschreckung der Täter als auch die Situation der Opfer zu verbessern. "Damit das Strafrecht Wirkung zeigt, müssen Strafen und Taten im richtigen Verhältnis zueinander stehen", ortete sie wie schon der Kanzler ein Ungleichgewicht bei den geltenden Strafdrohungen für Vermögensdelikte und für Vergehen gegen körperliche Unversehrtheit. Staatssekretärin Edtstadler werde mit ExpertInnen aus Justizministerium, Innenministerium, VertreterInnen der Wissenschaft und von Opferschutzverbänden die Weichen für die nötigen Gesetzesänderungen stellen, ist Eder-Gitschthaler überzeugt.

Ihre Wiener Kollegin von der FPÖ, Monika Mühlwerth, bekräftigte, die aktuelle Situation sei nicht zufriedenstellend, immer noch würden zu viele Frauen in Österreich Opfer von Gewalt. Nicht nur österreichische Straftäter hat die Freiheitliche dabei im Fokus: im Rahmen der Flüchtlingsbewegung seien viele Personen aus Kulturkreisen, in denen Gewalt gegen Frauen akzeptiert werde, nach Österreich gekommen, monierte sie. Hier braucht es der Mandatarin zufolge besonderes Augenmerk, damit physische und psychische Gewalt nicht hingenommen wird, weil der Täter unter dem Schutz eines Flüchtlingsstatus steht. 50.000 Opfer der Genitalverstümmelung habe eine Studie in Deutschland erhoben. "Das sind Dinge, die wir immer noch nicht im Griff haben", so Mühlwerth, die auch mehr Präventionsarbeit in den Schulen verlangte.

SPÖ und Grüne: Höhere Strafen kein Gewaltschutz
Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ/B) betonte, die SPÖ sei schon immer eine Vorreiterin beim Gewaltschutz von Frauen gewesen. Das sehe man an der Einrichtung von Frauenhäusern, auch gegen politischen Gegenwind aus Kreisen der Volkspartei. Die Anhebung der Strafdrohungen bei Sexualdelikten 2016 würdigte Posch-Gruska als "eine der größten Strafrechtsreformen" der Zweiten Republik, wobei sie der ÖVP vorhielt, die Straferhöhung bei Vergehen gegen die sexuelle Selbstbestimmung der Frau lange nicht gutgeheißen zu haben. Bei der Strafrechtsreform vor zwei Jahren wurden die Strafrahmen für Vergewaltigungen und Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung ausgeweitet. Die Sozialdemokratin kritisierte vor diesem Hintergrund scharf, dass noch vor einer Evaluierung der bestehenden Gesetze eine neuerliche Reform in diesem Bereich des Strafrechts angestoßen werden soll. Zumal die Initiative mit Task-Force dazu vom Innen- und nicht dem Justizministerium ausgehe – das sei eine Herabwürdigung der Justiz.

"Zynismus und Populismus" , ortete die Wiener Mandatarin Ewa Dziedzic zusammen bei dem Reformprojekt von ÖVP und FPÖ, obwohl das Thema "sehr ernst" sei. Tatsächlich sehe sich jede fünfte Frau in Österreich von Gewalt betroffen, die leider immer wieder auch mit Mord ende. Die Verurteilungsrate bei häuslicher Gewalt sei dagegen niedrig, unter 5%, da die Ermittlungen oft ergebnislos eingestellt würden und es eine hohe Dunkelziffer gebe. "Gerichte und Behörden müssen Sexualdelikte ernst nehmen", appellierte Dziedzic. Statt der angekündigten neuerlichen Erhöhung des Strafrahmens brauche das Land einen bundesweiten Ausbau von Beratungsstellen, die Intensivierung der Kooperation zwischen Behörden und Gerichten sowie Präventionsarbeit wir Anti-Gewalttrainings bei Gefährdern. Härtere Strafen seien keine Maßnahmen, die Sicherheit von Frauen zu gewährleisten. Die Anschuldigung von Dziedzic, die Regierung lüge bei ihrer Ankündigung, Frauen durch höhere Strafen für Gewalttäter besser zu schützen, wies ÖVP-Mandatar Edgar Mayer entschieden zurück.

Grundkonsens beim Opferschutz
Mehr Öffentlichkeit für Frauen und Kinder, die Gewaltopfer werden, sei nötig befand Doris Schulz (V/O), die in diesem Zusammenhang neben einem höheren Strafmaß den Ausbau der Beratungsstellen bis 2022 begrüßte. Von Mobbing, Freiheitsentzug, Zwangsheirat bis hin zur Gewalt gebe es viele Formen der Unterdrückung von Frauen, die zu unterbinden sei, bekräftigte Bernhard Rösch (F/W) den Nutzen von härteren Strafen und ausgeweitetem Opferschutz.

"Populismus" warfen hingegen Ana Blatnik (S/K) und Nicole Schreyer (G/T) der Regierung vor, da höhere Strafen keinen Täter von seiner Straftat abhalte. Vielmehr müsse die Regierung mehr Geld in die Hand nehmen, um eine größeres Maß an Therapien für Täter und Opfer zu ermöglichen. Aufklärungsarbeit und Prävention nannte Schreyer überdies als wichtige Faktoren, gerade auch bei Straftätern aus anderen Kulturkreisen, wie sie der FPÖ ausrichtete.

Für den fraktionslosen Gerald Zelina, ehemals Team Stronach, aus Niederösterreich sind "männliche Machtansprüche", wodurch die Frau als Eigentum des Mannes betrachtet werde, das Grundproblem von Sexualtätern. Seine Wortmeldung war gleichzeitig seine Abschiedsrede vom Bundesrat, in der er allen Kolleginnen und Kollegen Dank für die Zusammenarbeit aussprach.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
https://www.parlament.gv.at

 

 

 

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