5. Internationale BürgermeisterInnen-Konferenz NOW
Wien (skills) - Die Fluchtbewegung 2015 / 2016 hat Probleme sichtbar gemacht, die in den Gesellschaften
bereits zuvor vorhanden waren: allen voran zunehmende soziale Ungleichheit und Polarisierung, was sich merkbar
negativ auf das Zusammenleben ausgewirkt hat. Besonders besorgniserregend ist diese Entwicklung im Hinblick auf
Kinder und Jugendliche. Wie gehen Städte und Gemeinde mit diesen Herausforderungen um? Wie kann der gesellschaftliche
Zusammenhalt auf kommunaler Ebene gestärkt werden? Diesem Thema mit besonderem Fokus auf die junge Generation
widmete sich die 5. Internationale BürgermeisterInnen Konferenz NOW am 29. und 30. Jänner in Wien. Rund
190 politische EntscheidungsträgerInnen, ExpertInnen, VertreterInnen von NGOs, Betroffene und BürgerInnen
aus 27 Nationen diskutierten und analysierten, wie die Herausforderungen für unsere Gesellschaft grenzüberschreitend
gemeistert werden können.
Round-Table-Diskussionen, Workshops und Erfahrungsberichte sowie Podiumsdiskussionen mit BürgermeisterInnen
aus Europa und der MENAT-Region bildeten den Rahmen des zweitägigen Treffens, das am 29. und 30. Jänner
neuerlich in Wien stattfand. Zentrales Thema der bereits fünften Konferenz war: „Shaping the Future – Social
Cohesion in our Cities“. In diesem Rahmen konnten auch bereits Lösungsansätze von Arbeitsgruppen präsentiert
werden, die aus den bisherigen Konferenzen hervorgegangen sind. Darüber hinaus bot die Initiative Act.Now,
Initiator und Organisator der Konferenz, den Besuch von Workshops zur interkulturellen Kommunikation an.
Die Veranstaltung stand unter dem Ehrenschutz von Bundespräsident Dr. Alexander Van der Bellen. Konferenz-Kuratorin
war Dr. Viola Raheb von der Universität Wien und organisiert wurde das Event in Kooperation mit dem Bruno
Kreisky Forum für internationalen Dialog.
André Heller, Mitbegründer von Act.Now und einer der Initiatoren der NOW Konferenzen über die
Aktualität des Themas und das Ziel der Konferenz: “Der Graben quer durch unsere Gesellschaft ist spürbar
tiefer geworden und hat Auswirkungen auf jede und jeden einzelnen von uns. Die Politik gibt Rahmenbedingungen vor,
aber Zusammenhalt muss dort gelebt werden, wo wir wohnen, arbeiten oder in die Schule gehen. Um so wichtiger ist
es, voneinander zu lernen und positive Gegenstrategien sichtbar zu machen. Die Konferenz bietet eine Bühne
für jene, die mit viel Energie und Kreativität bereits erfolgreiche Aktivitäten gesetzt haben, die
zu einem besseren Zusammenleben in der Gesellschaft beitragen.”
Gesellschaftlicher Zusammenhalt wird auf kommunaler Ebene gestaltet
Der erste Konferenztag stand im Zeichen der Entwicklung neuer politischer Visionen und Maßnahmen, die
für die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts ausschlaggebend sind. Präsentiert wurden lokale,
regionale und internationale Initiativen, Netzwerke und Programme.
Univ.-Prof. Dr. Yuri Kazepov vom Institut für Soziologie an der Universität Wien stellte die Frage in
den Raum, ob Städte, deren Rolle in unserer Gesellschaft ständig steigt, grundsätzlich für
soziale Innovation geeignet seien. Auch wenn er dies grundsätzlich bejaht, warnt er davor, diese zu überfordern.
Trotz dem verständlichen Wunsch nach Subsidiarität könnten nicht alle sozialen Bedürfnisse
auf lokaler Ebene besser erfüllt werden. So könnten sie etwa nicht strukturelle globale Probleme alleine
lösen. Berücksichtigt werden müssten immer die unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Ausgehend von
dieser Erkenntnis folgt, dass man eine funktionierende Lösung eines Landes immer auf die speziellen Kontextbedingungen
des übernehmenden Landes anzupassen habe. Und auch das sei noch keine Erfolgsgarantie: “Ein einfaches Copy-Paste
funktioniert in diesem Bereich leider nicht”, so Kazepov. Zivilgesellschaft und NGOs leisten eine sehr wichtige
Rolle, jedoch seien sie zumeist auf finanzielle Unterstützung angewiesen und wenn diese versiege, wäre
es auch mit der Innovation vorbei. Die größten Chancen für soziale Innovation sieht Kazepov, wenn
Menschen grenzüberschreitend agieren und Verantwortungen und Ressourcen klar und gerecht verteilt sind.
Kinder von heute prägen das gesellschaftliche Zusammenleben von morgen
Die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen waren Thema des zweiten
Konferenztages. Es wurden Good-Practice-Modelle,die sich den umfassenden Schutz und die Implementierung von (Kinder-)Rechten
zum Ziel gesetzt und die Rolle von Kindern als soziale Akteure erkannt haben.
Das größte dieser Projekte hat die UNICEF im Jahr 1996 mit der “Child Friendly Cities-Initiative” (CFCI)
ins Leben gerufen. Dieser Leitfaden für kinderfreundliche Städte wurde bereits in mehr als 3.000 Städten
oder Gemeinden in 38 Ländern weltweit umgesetzt und hat etwa 30 Millionen Kinder erreicht. Mitsprache- und
Mitgestaltungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen ist dabei zentraler Dreh- und Angelpunkt. Dazu UNICEF-Projektleiterin
Louise Thivant: „Kinderfreundliche Städte verpflichten sich, Bedürfnisse, Prioritäten und Rechte
der Kinder als integraler Bestandteil in ihrer Politik, ihren Programme und ihrer Verwaltung zu verankern und Maßnahmen,
die sich international bewährt haben, unter Beteiligung der in der Kommune lebenden Kinder und Jugendlichen
umzusetzen.
Schwedisches Schulmodell bringt bessere Leistung und Integration
Eines der viel beachteten Projekte, die auf der Konferenz vorgestellt wurden, war die Zusammenlegung von Schulen
in der Stadt Nyköping in Schweden. Dort besuchten die Kinder in den einzelnen Stadtteilen verschiedene Schulen
von unterschiedlicher Qualität. Das verstärkte ethnische und soziale Unterschiede, anstatt sie auszugleichen.
Die Stadtverwaltung Nyköping wählte zur Lösung deshalb einen radikalen Ansatz: Sie löste alle
vier Schulen auf und fusionierte sie zu einer einzigen. Veronica Andersson, ehemalige Präsidentin des Kinder-
und Jugend-Komitees und derzeit Vorsitzende für Gesundheit und Pflege der Stadtverwaltung Nyköping: „Dieses
Modell fördert soziale Kompetenz, die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler – und die Integration.
Die Leistungen nahezu aller 1.400 Schülerinnen und Schüler haben sich dadurch deutlich verbessert.“
Act.Now als Brückenbauer zwischen Europa und der MENAT-Region
Seit der dritten NOW Konferenz vor einem Jahr haben sich vier thematische NOW Working Groups in regelmäßigen
Abständen in Wien und Beirut getroffen, um good practice-Beispiele zu teilen und gemeinsam neue Lösungen
zu entwickeln. Aus dieser Zusammenarbeit von WissenschaftlerInnen und PraktikerInnen aus Europa und der MENAT-Region
sind Projekte entstanden, die auf der diesjährigen NOW Konferenz präsentiert wurden: Etwa ein Comic-Buch,
das Kindern mit Traumaerfahrung in verschiedenen Kulturkreisen niederschwellige Hilfestellung bietet. Die erste
Ausgabe zum Thema Schlafstörungen wird in fünf Sprachen übersetzt. Weiters wurde eine Video-Serie
produziert, die erprobte, erfolgreiche Bildungskonzepte aus Schweden, Norwegen, Libanon, Österreich und weiteren
Ländern zeigt und damit über Grenzen hinweg verfügbar macht. Zum besseren Verständnis der unterschiedlichen
Kulturen in Europa und der MENAT-Region veranstaltet Act.Now auch regelmäßig Workshops zur interkulturellen
Kommunikation.
Mehr grenzüberschreitende Zusammenarbeit
Act.Now sowie die vor Ort vertretenen Organisationen Child Friendly Cities Initiative – UNICEF, Mediterranean
City to City Migration Project, ICORN – International Cities of Refuge Network, Mediterranean Hope sowie Sabir
Maydan haben mit Unterzeichnung der „Wiener Übereinkunft“ beschlossen, künftig eng zusammenzuarbeiten
und ihre Kräfte zu bündeln. „Wir alle haben ein gemeinsames Ziel, nämlich eine Gesellschaft, die
zusammenhält und sich den unteilbaren Menschenrechten verpflichtet fühlt. Jeder von uns hat in seinem
Umfeld ein starkes Netzwerk aufgebaut. Je besser wir kooperieren, desto schneller werden wir unser Ziel erreichen,
so André Heller abschließend.
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