ÖVP und FPÖ beschließen Mitteilung an Brüssel
Brüssel/Wien (pk) - Der Vorschlag der EU-Kommission, den Anwendungsbereich des ursprünglichen
Richtlinienentwurfs zur Harmonisierung des Online-Handels auf den klassischen Warenhandel, also auf alle Kaufverträge,
unabhängig von der Art des Vertriebs, auszudehnen, stößt im Bundesrat auf massive Kritik – jedenfalls
seitens der ÖVP und der FPÖ. Die im EU-Ausschuss der Länderkammer am 7. Feber mit den Stimmen der
beiden Parteien angenommene Mitteilung an die EU-Institutionen in Brüssel fasst die Bedenken zusammen. Für
die ursprünglich geplante Subsidiaritätsrüge ist die Frist knapp abgelaufen.
Den gegenständlichen Entwurf der EU-Kommission erachten die ÖVP-FPÖ-BundesrätInnen darin als
unverhältnismäßig, er stehe mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht im Einklang. Das europaweit
geltende Gewährleistungsrecht biete eine Mindestharmonisierung und habe sich bewährt, so der Tenor.
Als gravierendes Problem wird angesichts der unterschiedlichen Regelungen in den Mitgliedstaaten in erster Linie
die geplante Vollharmonisierung gesehen, die vor allem die Klein- und Mittelbetriebe unter Druck bringen könnte,
wie dies auch Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (ÖVP/V) kritisch hervorhob. Befürchtet wird eine weitere
Konzentration des Handels, da die Großunternehmen im Gegensatz zu den kleineren Betrieben Möglichkeiten
des Ausgleichs haben, und in Folge auch negative Auswirkungen auf den Wettbewerb und die Preise. Was den Konsumentenschutz
betrifft, so gibt es unterschiedliche Einschätzungen: Einerseits, meint man, könnte es zu einem sachlich
nicht gerechtfertigten Hinaufschrauben der Verbraucherschutzstandards kommen, andererseits wird davor gewarnt,
dass eine völlige Angleichung zu einer Absenkung geltender Standards führen könnte, weil es den
einzelnen Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie nicht erlaubt wäre, Abweichungen von den Regeln
- auch nicht zugunsten der KonsumentInnen - vorzunehmen. Damit würde die EU auch in die Rechtsinstitute des
allgemeinen Zivilrechts eingreifen, heißt es in der Mitteilung.
Die SPÖ hält eine Vollharmonisierung ebenfalls für nicht gangbar, lehnt aber eine Minderung des
Konsumentenschutzes kategorisch ab. Die Befürchtungen der Wirtschaftskammer hält sie für überzogen.
Demgegenüber betonten ÖVP, FPÖ, aber auch das Justizministerium, dass man selbstverständlich
keinerlei Verschlechterung des Konsumentenschutzes zustimmen würde. Seitens der Wirtschaftskammer hieß
es, es gehe um die Beibehaltung des derzeitigen Konsumentenschutzniveaus.
Große Bedenken wurden auch vom zuständigen Sektionschef des Justizministeriums geäußert.
Die Verhandlungen würden sich sehr schwierig gestalten, berichtete er und geht davon aus, dass dieses Thema
die österreichische Ratspräsidentschaft im Herbst beschäftigen werde.
Befürchtung, EU-Plan könnte Klein- und Mittelbetrieben massiv schaden
Mit der genannten "Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenhandels" beabsichtigt
die EU im Wesentlichen, ein neues Gewährleistungsregime für den Warenkauf einzuführen. Konkret ist
eine Beweislastumkehr von zwei Jahren vorgesehen. Das bedeutet, sollten Schäden innerhalb von 24 Monaten auftreten,
geht man davon aus, dass diese bereits beim Kauf vorhanden waren. Diese Frist war bisher mit 6 Monaten bemessen.
Die Händler hätten nach dem EU-Vorschlag auch keine Chance, eine Reparatur anzubieten, da die KonsumentInnen
von Anfang an alle Rechte haben sollen: Das Recht der Wandlung, das heißt Ware zurück und Geld zurück,
soll es nämlich auch bei geringfügigen Mängeln geben, außerdem das Recht zur Zurückbehaltung
des Kaufpreises bei Vorliegen von Mängeln.
Diese Punkte werden vor allem seitens des Justizministeriums, aber auch von der Wirtschaftskammer kritisiert. Deren
Experte wies darauf hin, dass es trotz Benützung eines Produkts von knapp 24 Monaten nicht einmal möglich
wäre, ein Benützungsentgelt zu verlangen, was seiner Ansicht nach auf eine Enteignung der Unternehmen
hinausläuft. Er sieht darin vor allem verfassungsrechtliche Probleme. Angesichts der Tatsache, dass auch keine
Ausnahmen für Gebrauchtwaren vorgesehen sind, und es oft um Produktionsmängel gehe, die der Händler
nicht verursacht habe, werde die Ausgewogenheit zwischen Unternehmen und KonsumentInnen empfindlich gestört.
Damit steige auch die Missbrauchsanfälligkeit, sagte er.
Fraktionen unisono gegen Herabsetzung des Konsumentenschutzes
Die weit verbreitete Skepsis war in der Diskussion offensichtlich, wenn auch differenziert. So zeigte Stefan Schennach
(SPÖ/W) Verständnis für den Versuch, in diesem Bereich so weit wie möglich eine Harmonisierung
zu realisieren, eine Vollharmonisierung hält er aber für den falschen Weg. In diesem Zusammenhang begrüßte
er auch das Verbot von Geoblocking. Wie seine Fraktionskollegin Ingrid Winkler (SPÖ/N) warnte er aber eindringlich
davor, das Niveau des Konsumentenschutzes zu senken. Winkler sieht auch die Dramatik nicht, wie sie von der Wirtschaftskammer
geschildert wird, und meinte, man dürfe nicht davon ausgehen, dass KonsumentInnen Rechte missbrauchen. Gedanken
macht sie sich über etwaige Prozesskosten. Schennach betonte seinerseits ebenfalls die Schwierigkeiten, in
dieser komplexen Materie einen Kompromiss zu finden, könnte sich aber vorstellen, die Beweislastumkehr mit
einem Jahr zu bemessen. Dem kann der Vertreter der Wirtschaft nur dann etwas abgewinnen, wenn den Händlern
eine zweite Chance, nämlich die Reparaturmöglichkeit, gegeben wird.
Zu hohe Prozesskosten, die von kleinen Händlern nicht getragen werden können, bereiten auch Ferdinand
Tiefnig (ÖVP/O) Sorgen. Er warnte zudem vor einer weiteren Konzentration im Handel und kritisierte allgemein,
dass durch die geplante Richtlinie nur die Händler, nicht aber die Erzeuger betroffen wären. In die gleiche
Kerbe schlug Eduard Köck (ÖVP/N), der seinerseits unterstrich, kleine Händler würden mit großen
nicht mitkommen, die Produkte würden zudem teurer werden.
Die Frage werde auch sein, auf welche Lebensdauer die einzelnen Produkte angelegt sind, warf Bernhard Rösch
(FPÖ/W) in die Debatte ein und meinte, wie andere vor ihm, man werde sich wohl in der Mitte treffen müssen.
Laut Monika Mühlwerth (FPÖ/W) ist die Vollharmonisierung zum Scheitern verurteilt, weil die Gesetzgebung
der Wirtschaft ohnehin hinterherlaufe. So würden Online-Händler zum Beispiel bereits überlegen,
für Retoursendungen Kosten einzubehalten.
Bundesrat setzt sich seit langem kritisch mit dem Thema auseinander
Der Bundesrat hat den ursprünglichen Richtlinienentwurf, der sich nur auf den Online-Handel bezogen hat, schon
im März 2016 diskutiert (siehe Meldung der Parlamentskorrespondenz Nr.217/2016 und 304/2016) und auch dazu
eine kritische Mitteilung nach Brüssel geschickt. Man gab damals bereits zu bedenken, dass die Verhandlungen
zur Verbraucherrechte-Richtlinie deutlich gemacht haben, dass die Vorschriften über die Gewährleistung
aufgrund der unterschiedlichen Interessen der Mitgliedstaaten und Institutionen nicht sinnvoll vollharmonisiert
werden können. In diesem Sinne haben die Bundesrätinnen und Bundesräte damals davor gewarnt, den
Richtlinienentwurf auch auf den klassischen stationären Einzelhandel auszudehnen.
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