Grundsatzdebatte im Bundesrat zur geplanten Strafrechtsverschärfung bei Sexualdelikten
Wien (PK) – Bundeskanzler Sebastian Kurz nutzte die Sitzung des Bundesrats am 8. Feber, das Regierungsvorhaben
zur Verschärfung der Strafen bei Sexualdelikten zu verteidigen. Aufgrund der Gesetzeslage bestehe derzeit
eine Schieflage beim Strafmaß von Vermögens- und jenem von Gewaltdelikten, so Kurz. Diese solle der
Gesetzgeber ausgleichen. Eingedenk des Titels der Aktuellen Stunde mit dem Kanzler - "Null Toleranz bei Gewalt
gegen Frauen" - verdeutlichten alle Parteien im Plenum, Gewalt gegen Frauen und Kinder sei keinesfalls akzeptabel
und müsse besser geahndet werden. Während ÖVP und FPÖ in diesem Zusammenhang die Vorbereitungsarbeiten
zur Reform in der Task Force von Staatssekretärin Karoline Edtstadler begrüßten, meldeten SPÖ
und Grüne große Zweifel an, dass höhere Strafen zielführend sind.
Kurz: Gewaltschutz als aktive Frauenpolitik
"Eine aktive Frauenpolitik zu betreiben", habe sich seine Regierung auf die Fahnen geheftet, erläuterte
Bundeskanzler Sebastian Kurz den Hintergrund der angekündigten Reform im Sexualstrafrecht. Österreich
müsse mehr Sicherheit für Frauen bieten, immerhin seien im Vorjahr rund 50.000 Frauen Opfer von Gewaltdelikten
geworden. Dennoch gebe es bei Vermögensdelikten häufig höhere Strafen als bei Missbrauchsfällen,
machte Kurz eine Ungerechtigkeit aufgrund der Gesetzeslage aus. Der Richterschaft sei kein Vorwurf zu machen, betonte
der Kanzler, wenn sie aufgrund unzureichender Gesetze Urteile fällt, die auf Unverständnis stoßen.
Die Arbeit an der Strafrechtsnovelle umriss Bundeskanzler Kurz als Kooperationsprojekt. Im Rahmen der Task Force
unter Leitung von Staatssekretärin Edtstadler aus dem Innenministerium, einer ausgewiesenen Strafrechtsexpertin,
würden Schnittstellen zwischen Polizei und Justiz geschaffen. Kurz lud auch die Opposition ein, sich an der
Reform zu beteiligen, denn es gehe darum, mit den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen "mehr Gerechtigkeit
herzustellen". Der Opferschutz sei dabei ebenfalls auszubauen, würdigte Kurz das Vorhaben von Frauenministerin
Juliane Bogner-Strauß, in den nächsten vier Jahren die Zahl an Frauenhäusern auszuweiten.
ÖVP und FPÖ: Strafen müssen wirken
Die Salzburger ÖVP-Bundesrätin Andrea Eder-Gitschthaler würdigte den "Schwerpunkt bei Frauenthemen",
den die neue Regierung unter Bundeskanzler Kurz mit ihrem Vorhaben setzt. Zentral bei der Strafrechtsreform seien
das Anheben der Mindeststrafen und der Opferschutz, um sowohl die Abschreckung der Täter als auch die Situation
der Opfer zu verbessern. "Damit das Strafrecht Wirkung zeigt, müssen Strafen und Taten im richtigen Verhältnis
zueinander stehen", ortete sie wie schon der Kanzler ein Ungleichgewicht bei den geltenden Strafdrohungen
für Vermögensdelikte und für Vergehen gegen körperliche Unversehrtheit. Staatssekretärin
Edtstadler werde mit ExpertInnen aus Justizministerium, Innenministerium, VertreterInnen der Wissenschaft und von
Opferschutzverbänden die Weichen für die nötigen Gesetzesänderungen stellen, ist Eder-Gitschthaler
überzeugt.
Ihre Wiener Kollegin von der FPÖ, Monika Mühlwerth, bekräftigte, die aktuelle Situation sei nicht
zufriedenstellend, immer noch würden zu viele Frauen in Österreich Opfer von Gewalt. Nicht nur österreichische
Straftäter hat die Freiheitliche dabei im Fokus: im Rahmen der Flüchtlingsbewegung seien viele Personen
aus Kulturkreisen, in denen Gewalt gegen Frauen akzeptiert werde, nach Österreich gekommen, monierte sie.
Hier braucht es der Mandatarin zufolge besonderes Augenmerk, damit physische und psychische Gewalt nicht hingenommen
wird, weil der Täter unter dem Schutz eines Flüchtlingsstatus steht. 50.000 Opfer der Genitalverstümmelung
habe eine Studie in Deutschland erhoben. "Das sind Dinge, die wir immer noch nicht im Griff haben", so
Mühlwerth, die auch mehr Präventionsarbeit in den Schulen verlangte.
SPÖ und Grüne: Höhere Strafen kein Gewaltschutz
Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ/B) betonte, die SPÖ sei schon immer eine Vorreiterin beim Gewaltschutz
von Frauen gewesen. Das sehe man an der Einrichtung von Frauenhäusern, auch gegen politischen Gegenwind aus
Kreisen der Volkspartei. Die Anhebung der Strafdrohungen bei Sexualdelikten 2016 würdigte Posch-Gruska als
"eine der größten Strafrechtsreformen" der Zweiten Republik, wobei sie der ÖVP vorhielt,
die Straferhöhung bei Vergehen gegen die sexuelle Selbstbestimmung der Frau lange nicht gutgeheißen
zu haben. Bei der Strafrechtsreform vor zwei Jahren wurden die Strafrahmen für Vergewaltigungen und Verletzung
der sexuellen Selbstbestimmung ausgeweitet. Die Sozialdemokratin kritisierte vor diesem Hintergrund scharf, dass
noch vor einer Evaluierung der bestehenden Gesetze eine neuerliche Reform in diesem Bereich des Strafrechts angestoßen
werden soll. Zumal die Initiative mit Task-Force dazu vom Innen- und nicht dem Justizministerium ausgehe – das
sei eine Herabwürdigung der Justiz.
"Zynismus und Populismus" , ortete die Wiener Mandatarin Ewa Dziedzic zusammen bei dem Reformprojekt
von ÖVP und FPÖ, obwohl das Thema "sehr ernst" sei. Tatsächlich sehe sich jede fünfte
Frau in Österreich von Gewalt betroffen, die leider immer wieder auch mit Mord ende. Die Verurteilungsrate
bei häuslicher Gewalt sei dagegen niedrig, unter 5%, da die Ermittlungen oft ergebnislos eingestellt würden
und es eine hohe Dunkelziffer gebe. "Gerichte und Behörden müssen Sexualdelikte ernst nehmen",
appellierte Dziedzic. Statt der angekündigten neuerlichen Erhöhung des Strafrahmens brauche das Land
einen bundesweiten Ausbau von Beratungsstellen, die Intensivierung der Kooperation zwischen Behörden und Gerichten
sowie Präventionsarbeit wir Anti-Gewalttrainings bei Gefährdern. Härtere Strafen seien keine Maßnahmen,
die Sicherheit von Frauen zu gewährleisten. Die Anschuldigung von Dziedzic, die Regierung lüge bei ihrer
Ankündigung, Frauen durch höhere Strafen für Gewalttäter besser zu schützen, wies ÖVP-Mandatar
Edgar Mayer entschieden zurück.
Grundkonsens beim Opferschutz
Mehr Öffentlichkeit für Frauen und Kinder, die Gewaltopfer werden, sei nötig befand Doris Schulz
(V/O), die in diesem Zusammenhang neben einem höheren Strafmaß den Ausbau der Beratungsstellen bis 2022
begrüßte. Von Mobbing, Freiheitsentzug, Zwangsheirat bis hin zur Gewalt gebe es viele Formen der Unterdrückung
von Frauen, die zu unterbinden sei, bekräftigte Bernhard Rösch (F/W) den Nutzen von härteren Strafen
und ausgeweitetem Opferschutz.
"Populismus" warfen hingegen Ana Blatnik (S/K) und Nicole Schreyer (G/T) der Regierung vor, da höhere
Strafen keinen Täter von seiner Straftat abhalte. Vielmehr müsse die Regierung mehr Geld in die Hand
nehmen, um eine größeres Maß an Therapien für Täter und Opfer zu ermöglichen. Aufklärungsarbeit
und Prävention nannte Schreyer überdies als wichtige Faktoren, gerade auch bei Straftätern aus anderen
Kulturkreisen, wie sie der FPÖ ausrichtete.
Für den fraktionslosen Gerald Zelina, ehemals Team Stronach, aus Niederösterreich sind "männliche
Machtansprüche", wodurch die Frau als Eigentum des Mannes betrachtet werde, das Grundproblem von Sexualtätern.
Seine Wortmeldung war gleichzeitig seine Abschiedsrede vom Bundesrat, in der er allen Kolleginnen und Kollegen
Dank für die Zusammenarbeit aussprach.
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